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Harlow

In meiner Panik war ich viel zu laut und hatte dadurch Maxime geweckt, welcher ebenfalls vollkommen aufgebracht war, als er mich sah. So schlimm war es noch nie und die Tatsache, dass ich Romeo nicht erreichen konnte, machte es nicht einfacher. Meine kläglichen Versuche, Maxime zu beruhigen, scheiterten und irgendwann haben wir beide auf dem Boden gesessen und geweint. Er, weil er es nicht verstand und ich, weil ich daran schuld war, dass Maxime weinte. Eines musste man ihm jedoch lassen, er hatte es geschafft, Olivia anzurufen, die dann Romeo benachrichtigte.

Nun saß ich in einem Krankenbett, dass ich mir selbst nicht so einfach leisten konnte. Es war ein Privatzimmer und vermutlich hatte Romeo seine Hände im Spiel. Wir sprachen jedoch nicht darüber, denn es wurden ständig irgendwelche Tests gemacht und dass ich überhaupt noch Blut in meinem Körper hatte, welches die Ärzte mir abnahmen, grenzte an ein Wunder.

„Du hast uns einen riesigen Schreck eingejagt." Romeo, der soeben mit ein paar Süßigkeiten das Zimmer betrat, kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Er rückte sich einen Stuhl zurecht, setzte sich neben das Bett und griff nach meiner rechten Hand auf, der am noch immer die kleinen roten Punkte erkennen konnte, nachdem er das Naschwerk auf dem Tisch abgelegt hatte. „Maxime ist bei Olivia und vermutlich schlägt ihr Namen für das Baby vor."

Mein schlechtes Gewissen begrub mich beinahe und bei dem Gedanken daran, was für ein Anblick ich Maxime geboten haben musste, wollte ich erneut in Tränen ausbrechen. „Ich wollte ihm keine Angst machen", flüsterte ich und drückte Romeos Hand.

„Mach dir keine Sorgen. Ich habe es ihm erklärt und er versteht zumindest, dass du stirbst. Alles Weitere kommt mit der Zeit."

„Ich kann es verstehen, wenn du möchtest, dass ich ausziehe." Ich traute mich nicht, ihm direkt in die Augen zu sehen, aber das wäre die einzige Möglichkeit, Maxime vor weiteren Schaden zu bewahren.

Seine Reaktion überraschte mich, denn er lachte einfach. „Du gehst nirgendwo hin und ich habe genug Geld, um Maxime später die besten Psychologen zu besorgen, sollte er sie brauchen."

„Mir lief Blut aus sämtlichen Öffnungen meines Kopfes!", fuhr ich ihn an. „Du kannst es nicht als etwas Lapidares abtun!"

„Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir ihm erklären, dass du auf eine gewisse Art krank bist, er sich aber keine Sorgen machen musst, denn du wirst wieder gesund. Für den Anfang sollte es reichen und wenn er älter ist, können wir es ihm genauer erklären." Romeo war die Ruhe selbst und ließ sich offenbar von nichts aus der Ruhe bringen. „Wichtig ist, dass wir herausfinden, warum du plötzlich einen solchen Schub bekommen hast. Dein bisheriger Arzt meinte doch, dass alles in Ordnung wäre und es zu keinem schlimmeren Verlauf kommt."

Ich konnte mir selbst nicht erklären, was passiert war. Gerade als ich zu Bett gehen wollte, begann das Nasenbluten und nach weniger als zehn Minuten kamen Augen und Mund dazu. Die roten Flecken auf meinen Handrücken waren im Vergleich dazu mein geringstes Problem.

„Ich habe dir doch von meinem Bekannten erzählt", begann er ruhig und sah mich eindringlich an.

„Du meinst den Mediziner?"

Er hatte ihn bereits erwähnt. An dem Abend, als wir uns unsere Geheimnisse anvertrauten und er mir gestand, dass er quasi durch Zufall die letzte Diagnose meines Arztes in die Hände bekam und sich keinen Reim darauf machen konnte.

Romeo bewegte den Kopf hin und her und schien nach dem richtigen Begriff zu suchen. „Na ja. Er ist eher der Büromensch, aber in der Pharmaindustrie tätig. Seine Familie besitzt ein großes Unternehmen und als ich ihm von dir erzählte, meinte er, dass wohl eine Studie zu verschiedenen Morbus Osler Symptomen in Planung sei."

Verwundert zog ich meine Augenbrauen nach oben. „Du willst mich dahin schicken?"

„Ich habe keines Wegs vor, dich wie ein Versuchskaninchen da abzugeben. Aber ich kenne keinen Ort, an dem mehr medizinisch geschulte Menschen versammelt sind."

In seinem Gesicht erkannte ich ernsthafte Sorge. Ich war mir darüber im Klaren, dass er nicht vorhatte, mich abzuschieben. Ein komisches Gefühl war es trotzdem, denn einen solchen Vorschlag bekam man nicht jeden Tag unterbreitet.

„Sein Vater ist beinahe eine Ikone, und wenn er nicht damit beschäftigt wäre, alles flachzulegen, was zwei Beine hat, könnte er sogar noch besser werden als er." Den Spott in seiner Stimme konnte Romeo nicht verbergen.

„Du gibst mich also freiwillig in die Hände eines Schürzenjägers? Was, wenn ich seinem Charme nicht widerstehen kann?"

Es war ein kleiner Versuch meinerseits, die angespannte Haltung, die er zwar versuchte zu verbergen, aber trotzdem gut erkennbar war, zu lockern. Leider bewirkte ich damit das Gegenteil.

Er stand auf und beugte sich über mich. „Ich werde dich immer zu mir zurückholen und niemand wird mich daran hindern. Zu lange habe ich auf jemanden gewartet, der dazu bereit ist, nicht nur mit mir, sondern auch mit meinem Sohn zusammenzuleben. Der sich nicht nur an meinem Status oder Geld bereichern will. Dass der Zufall uns zusammen gebracht hat, ist ein Geschenk und dieses lasse ich mir von niemandem nehmen." Er gab mir einen Kuss und strich mir anschließen durch die Haare, während er mir tief in die Augen sah. „Außerdem haben seine Eltern scheinbar dafür gesorgt, dass er sein Junggesellendasein bald aufgibt. Also wirst du weiterhin mit mir vorliebnehmen müssen."

Was er mit seiner letzten Aussage meinte, konnte ich mir nicht erklären und ich tat es vorerst als unwichtig ab. Doch in meinem Kopf drehten sich sämtliche Rädchen und ich wog das Für und Wider ab, bevor ich zu einer Entscheidung kam. „Sobald ich zu Hause bin und du deinem Bekannten kontaktiert hast, reden wir mit Maxime darüber. Ich möchte nicht, dass er denkt, ich würde weggehen und nicht zurückkommen."

Im Grunde hatte ich nichts zu verlieren. Bisher konnte mir nicht wirklich etwas helfen und ich würde den Rest meines Lebens mit meiner Erkrankung leben müssen. Vielleicht wurde bisher etwas übersehen und ein weiteres voranschreiten könnte verhindert werden.

„Manchmal bist du mir ein Rätsel", sprach er und nahm wieder auf dem Stuhl Platz. „Ich lege dir mein Herz offen und du denkst an Maxime." Romeo klang wie ein beleidigtes Kind.

Ich lachte und griff erneut nach seiner Hand, während ich mir eine kleine Spitze nicht verkneifen konnte. „Vielleicht brenne ich ja eines Tages mit ihm durch. Dann ist dein Bekannter das geringste Problem."

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