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Romeo

Ich wusste nicht, was genau bei Olivia und Gibbs vor sich ging, aber als ich die Wohnung meiner Freunde betrat, wirkte es, als wäre ich in einen romantischen Film gestolpert, welcher nur aus Klischees bestand. Überall und ich meine wirklich überall standen Rosen in jeder Ecke des Flures, in der Küche, im Wohnzimmer, es war kaum ein Durchkommen. Dazu kam das vermutlich eine Kuschelrock-CD im Hintergrund lief und Bon Jovis Always überall zu hören war

Noch bevor ich von meinem Termin zurück war, bekam ich eine Nachricht, dass ich einfach die Wohnung betreten sollte. Es war kein Problem, immerhin besaß ich einen Schlüssel. Aber mit einem solchen Anblick hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste nur zu gut, was die beiden hinter der verschlossenen Tür ihres Schlafzimmers trieben, dennoch sollte kein außenstehendes menschliches Wesen davon etwas mitbekommen.

Vermutlich wäre es besser gewesen, erst am nächsten Morgen herzukommen, aber ich wollte zumindest am Wochenende unsere gemeinsame Zeit voll auskosten. So leise ich konnte, lief ich den Flur entlang und versuchte alles andere auszublenden. Als ich am Gästezimmer ankam, öffnete ich vorsichtig die Tür und erkannte Maxim, welcher seelenruhig schlief und dabei vom Licht der Nachttischlampe angeleuchtet wurde.

Er war wirklich das Beste, was mir in den letzten Jahren passiert war und gegen nichts in der Welt würde ich ihn eintauschen.

Ich trat an das Bett heran und schlug sanft die Decke zurück. Dann nahm ich ihn in meine Arme und löschte das kleine Licht, bevor ich mich gemeinsam mit ihm auf den Rückweg machte.

Seine kleinen Arme legten sich um meinen Hals und er vergrub seinen Kopf an meiner Halsbeuge. „Olivia hat vorhin die ganze Zeit gekichert. Ich glaube, die beiden haben ohne mich gespielt", nuschelte er.

Wenn er nur wüsste, was wirklich vor sich ging. Doch für so etwas war er noch eindeutig zu jung und ich hoffte, dass ich ein solches Gespräch nie mit ihm führen musste.

„Hast du heute wieder gegen einen bösen Mann gewonnen?"

Maxime verstand noch nicht so ganz, was genau ich als Anwalt tat, aber ich fand es ganz amüsant, dass er mich scheinbar für eine Art Verbrechensbekämpfer hielt. Jessie verglich mich mal mit Batman, doch mein Sohn findet ihn doof. Innerlich traf es mich schon, dass er diesen Vergleich so abschmetterte, aber niemals würde ich ihm wegen so einer Antwort böse sein. Jessie hingegen bekam die volle Breitseite, als er nach Maxime Antwort nicht mehr mit dem Lachen aufhörte.

„Natürlich habe ich das. Wie war dein Tag? Habt ihr was Schönes gemacht?"

Mittlerweile hatte ich den romantischen Schrecken hinter mir gelassen und schloss die Haustür, nachdem ich den Flur des Wohnkomplexes betreten hatte.

„Ich habe eine neue Freundin gefunden." Auch wenn die Müdigkeit ihn bisher fest im Griff hatte, schien er nun wie ausgewechselt. Maxime hob seinen Kopf und sah mich an. „Ich habe sie eingeladen. Sie darf mich besuchen, oder?"

„Ist sie nett?" An meinem Wagen angekommen öffnete ich die hintere Beifahrertür und setzte Maxime behutsam auf seine Sitzerhöhung, wo ich ihn mit dem Gurt sicherte. Die Fahrt nach Hause dauerte etwa eine halbe Stunde und vermutlich erzählt er mir in dieser Zeit alles über seine neue geheimnisvolle Freundin.

„Sie mag Thor. Also mag ich sie auch."

Bei der Art, wie er scheinbar seine Freunde auswählte, konnte ich nicht anders als zu lachen. Es war schön, wie einfach die Welt aus dem Blick eines Kindes funktionierte. Tief in mir wünschte ich, dass er diese Sicht auf die Dinge noch lange beibehalten und erst in vielen Jahren mit der teilweise grausamen Wirklichkeit konfrontiert werden würde. Jedes Mal, wenn er auf seine eigene liebenswerte Art Dinge interpretierte, ging mir das Herz auf.

Unser Heimweg gestaltete sich nicht ganz so schweigsam, wie ich es anfangs vermutet hatte. Dabei war es bereits weit nach Mitternacht und Maxime sollte bereits seit Stunden schlafen.

„Hast du sie auf dem Spielplatz getroffen?" Eigentlich war er für den Tag gar nicht im Kindergarten eingeplant und somit blieb eigentlich nur diese Option. Eine andere Möglichkeit blieb nicht. Dass ich mit meiner Vermutung aber falschlag, untermalte er, indem er laut seufzte.

„Nein. Was soll ich den mit so einer kleinen Freundin? Die Mädchen auf dem Spielplatz sind doof und wollen immer Prinzessin spielen. Die Nerven voll. Harlow ist schon groß."

Bei der Erwähnung ihres Namens schlenkerte mein Wagen leicht nach rechts, doch schnell hatte ich ihn wieder in der Spur. „Du hast Harlow kennengelernt?", fragte ich und versuchte mich auf die Straße zu konzentrieren.

„Du kennst sie auch? Wir waren heute mit ihr Essen und sie hat sich alle Geschichten von Iron Man angehört. Olivia hat mir verraten, dass Jessie Angst vor ihr hat, aber ich verstehe das nicht. Sie ist ganz lieb und so hübsch. Wenn ich groß bin, frage ich sie, ob sie mich heiratet und dann wohnen wir in unserem Haus."

Irritiert über seine Aussage, runzelte ich die Stirn. „In welchem Haus?", stellte ich die alles entscheidende Frage, obwohl ich die Antwort darauf schon kannte.

„In unserem", meinte mein Sohn trocken.

„Und wo wohne ich dann?"

Bei dem Tonfall, in welchen er mir erklärte, dass ich dann schon so alt war, dass ich nicht mehr bei ihm wohnen könnte, erinnerte er mich an mich selbst, wenn ich Plädoyers im Gerichtssaal hielt. Dass er mich aber im Alter abschieben wollte, gefiel mir ganz und gar nicht.

„Vielleicht frage ich Harlow ja zuerst, ob sie mich heiratet", versuchte ich ihn zu necken und ein Blick in den Rückspiegel verriet mir, dass er scheinbar kurz über diese Option nachdachte.

„Dann habe ich meine Mama, oder? So wie die anderen Kinder auch", flüsterte er und schaute auf seine kleinen Hände.

Maxime hatte eine Mutter, doch ein Verhältnis zu ihr war im Grunde nicht existent. Olivia war ihm mehr eine Mutter als sie. Auch wenn ich wusste, dass sie keine direkte Schuld daran traf, war ein nicht zu unterschätzender Teil in mir wütend auf die Frau, die scheinbar keinerlei Liebe und Zuneigung für ihren Sohn empfand. Wenn er älter war und die Dinge richtig verstehen konnte, würde ich mit Maxime über seine Mutter reden.

„Vielleicht könnt ihr mir dann einen kleinen Bruder aus dem Krankenhaus mitbringen. Die machen doch dort Babys. Ein kleiner Bruder wäre toll und wir könnten ihn Tony nennen."

„Immer langsam. So schnell geht das nicht", versuchte ich ihn in seiner Vorstellung zu bremsen.

Dass er und Harlow sich verstanden, war schon mal von Vorteil, doch ob sie auch ein Interesse an mir hegte, wagte ich stark zu bezweifeln. Dazu hatte unsere kurze Begegnung wohl kaum ausgereicht und nur weil sie mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging, musste es umgekehrt doch nicht genauso sein.

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