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Romeo

„Hier gibt es eindeutig die besten Burger der Stadt." Harlows Augen leuchteten regelrecht vor Begeisterung, als sie auf die ganzen Dinge, die sich vor uns auf dem Tisch stapelten, sah.

Nachdem sie ihren kleinen Nervenzusammenbruch überwunden hatte, wobei sie zwischenzeitlich so ausgesehen hatte, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, konnte ich sie doch dazu überreden, mit mir zu kommen. Eigentlich hatte ich nicht vor, ausgerechnet hier mit ihr zu essen, aber um ihr die Aufregung zu nehmen, habe ich mich spontan für das kleine Burgerrestaurant entschieden, in welchem wir nun saßen.

„Wenn Maxime erfährt, dass wir ohne ihn hier sind, bekommen wir richtig Ärger", sprach ich meinen Gedanken laut aus und griff nach einigen Pommes.

Harlow sah von ihrem Burger auf, den sie fest in ihren Händen hielt. „Dann nehmen wir ihn das nächste Mal einfach mit."

Sie hatte keine Ahnung davon, was sie eben von sich gegeben hatte und diese unbedachte Aussage machte mich tatsächlich glücklich.

„Es wird also ein nächstes Mal geben?"

Ihr zierliches Gesicht wurde rot wie eine Tomate und unseren Augenkontakt, der weniger als ein Wimpernschlag andauerte, wurde sofort von ihr unterbrochen.

Erneut griffig zu einigen Pommes, welche ich mir mit einem schelmischen Lächeln in den Mund steckte. „Hast du denn kein Problem mit ihm?"

„Mit wem? Maxime?" Sie legte ihre Stirn in Falten und den Kopf leicht schief. „Warum sollte ich? Er gehört immerhin zu dir und ich mag ihn."

„Du weißt schon, dass, auch wenn es etwas unkonventionell ist, wir hier ein Date haben?"

Harlow nickte und biss in den Burger. Wollte mir dabei aber weder in die Augen sehen, noch eine mündliche Antwort geben.

Es verwunderte mich, dass Harlow scheinbar nicht in der Lage dazu war, mir in die Augen zu sehen und das, obwohl sie in der Nacht, in der wir uns kennenlernten, damit keinerlei Probleme zu haben schien. „Nach Maximes Mutter hatte ich nicht viele Dates. Um ehrlich zu sein, waren es nur ein paar wenige, aber die meisten hatten ein Problem damit, dass ich einen Sohn habe. Sie zeigten es größtenteils nicht sofort. Es dauert immer eine Weile, bis sie ihr wahres Gesicht zum Vorschein kam. Vermutlich hätte mir seine Reaktion auf die jeweiligen Frauen eine Warnung sein sollen. Maxime hat ein sehr gutes Gespür dafür, wer ihm wohl gesonnen ist und wer nicht. Von dir ist er regelrecht begeistert."

„Ist das der Grund dafür, dass du mich eingeladen hast? Weil Maxime mich mag?" Der Klang ihrer Stimme ließ mich aufhorchen. Etwas hatte sich verändert und ich musste es richtigstellen, bevor der Abend in die falsche Richtung verlaufen würde.

„Nein. Also nicht nur, obwohl es mir sehr wichtig ist, dass ihr beide gut miteinander auskommt. Der eigentliche Grund, weswegen ich diese Einladung ausgesprochen habe, ist, dass ich dich einfach stundenlang ansehen könnte. In meinen Augen bist du unbeschreiblich schön."

Harlow begann zu husten und klopfte sich mit der Faust einige Male auf ihre Brust, bis sie wieder Luft bekam. Es war das erste Mal, seitdem wir den Burger laden betreten hatten, dass sie mir direkt in die Augen sah. Sie öffnete den Mund, als ob sie etwas sagen wollte, schloss diesen aber direkt und sah auf einen imaginären Punkt, irgendwo auf der Tischplatte. „Du siehst auch gut aus", nuschelte sie.

Ich kam mir vor wie eine pubertierende Version meiner selbst. In meinem Bauch flatterte es und ich musste absolut dämlich aussehen, wie ich vor mich her grinste. „Das nächste Mal nehmen wir Maxime mit", beschloss ich und der Rest des Abends verlief ab einem gewissen Zeitpunkt hervorragend. Irgendwann hatte Harlow ihre Schüchternheit überwunden und wir führten noch einige lustige, sowie aufschlussreiche Gespräche.

Sie wuchs in einem anderen Bundesstaat auf und besuchte ihre Eltern scheinbar viel zu selten. Das letzte Mal war schon Monate her und besonders unter Miller kam sie nicht mehr dazu, sich einfach in den Zug zu setzen und zu ihnen zu fahren. Sie sprach über alles Mögliche und ich hörte aufmerksam zu und versuchte mir so viele Informationen wie möglich zu merken.

„Ich muss dir noch etwas sagen, denn wenn das hier wie auch immer funktionieren soll, muss ich ehrlich sein." Plötzlich wurde sie ernst und schien nach den richtigen Worten zu suchen, um mir das folgende mitzuteilen. „Ich habe eine seltene Krankheit. Allgemein bekannt ist sie als Morbus Osler. Sie ist nicht ansteckend und soweit die Ärzte es bisher einschätzen können, werde ich daran nicht sterben. Es ist einfach unangenehm."

„An dem Abend, an welchem wir uns das erste Mal gesehen haben, war das die Krankheit? Als du unter dem Tisch saßt und aus der Nase geblutet hast?" Ich wusste schon, was für eine Krankheit sie hatte. Immerhin hatte ich die Zettel in ihrer Handtasche gefunden und ein ehemaliger Verbindungsbruder, welcher in der Pharmaindustrie tätig war, konnte mir genauestens erklären, um was es sich dabei handelte. Gleich im Anschluss hatte er gefragt, ob sie für Patiententests zur Verfügung stehen würde. Er war schon immer so charmant wie ein Eisklotz.

Harlow lächelte mich an und versuchte dadurch scheinbar, die Situation etwas entspannter zu gestalten. „Ich blute oft aus der Nase, manchmal aus dem Mund und bekomme kleine rote Punkte an den Händen. Aber ich habe neue Medikamente bekommen und diese sollen die Symptome lindern."

Mit so viel Offenheit mir gegenüber hatte ich nicht wirklich gerechnet, aber sie sagte ja bereits, dass man absolut ehrlich sein muss, wenn etwas mehr als Freundschaft zwischen uns entstehen soll. „Ich glaube, ich sollte dir mein dunkelstes Geheimnis anvertrauen. Es geht dabei um Maximes Mutter."

Harlow unterbrach mich nicht und hörte sich alles, woran ich ihr zu sagen hatte. Ich glaube, jede andere Frau hätte fluchtartig den Laden verlassen, nachdem ich fertig gesprochen hatte. Doch sie saß nur da, sah mich an und stellte eine Frage, welche ich verneinte.

„Dann sehe ich kein Problem." In ihren Augen erkannte ich nichts anderes als absolutes Vertrauen. „Aber sollte ich herausfinden, dass du mich belügst, bekommen wir beide ein Problem miteinander."

Ich griff über den Tisch nach ihrer Hand und hielt diese. „Du kannst mir vertrauen", versprach ich und streichelte mit meinem Daumen über ihren Handrücken. „Wie ich es bereits sagte, habe ich nicht vor dir wehzutun."

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