Kapitel 1

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Es regnet. Nicht gerade abnormal hier in London und obwohl ich schon mein ganzes Leben hier verbringe, genieße ich immernoch jeden Tropfen der gegen mein Fenster schlägt. Ich setze mich auf, es ist erst halb sechs Uhr morgens und eigentlich müsste ich erst in einer Stunde aufstehen, doch ich kann nicht mehr einschlafen. Irgendwie geht mir zu viel durch den Kopf, aber irgendwie auch gar nichts.Ich trete zum Fenster und sehe hinaus, etwas Regen, etwas Nebel. Das perfekte Wetter für einen kleinen Spaziergang.

Leise öffne ich die Tür und schleiche die Treppe hinunter. Unten schlüpfe ich dann mit meinen nackten Füßen in die Gummistiefel und ziehe mir meinen knallroten Regenmantel über den Pyjama, er geht mir über die Knie, also sieht man so gut wie gar nichts von meinem Schlafanzug. Leise drücke ich die Tür auf und gehe hinaus in den Regen.

Ich mache mir nicht einmal die Mühe mir die Kapuze über den Kopf zuziehen. Ich liebe es wie mir der Regen ins Gesicht prasselt. Krank werde ich davon sowieso nicht mehr. Schon solange ich denken kann mache ich solche Spaziergänge, meine Eltern haben noch nie etwas davon mit bekommen. Ich achte immer darauf, dass ich rechtzeitig zurück komme. Ich setze einen Fuß vor den Anderen und denke über mein Leben nach...

Eigentlich... Eigentlich ist mein Leben, so wie es jetzt ist, perfekt. Ich habe eine beste Freundin, Annabelle ,der ich alles anvertrauen würde, einen nervigen aber manchmal auch netten, großen Bruder, Eltern die mich lieben, gute Noten in der Schule... Zugegeben, ich habe keinen festen Freund, aber um ehrlich zu sein, vermisse ich das auch nicht.

Der Postbote läuft mir wie jeden Morgen über den Weg, naja der Postbote ist ein Schulkollege von mir. Wie immer ignoriert er mich. Ich bin aber auch von den anderen Jungs nichts anderes gewohnt, aber mir soll's Recht sein. Ich drehe um. Jackson ,den Postboten, zu treffen, ist immer mein Signal, dass es Zeit wird nach Hause zu gehen.

Der Regen hat mich schon ganz durchnässt, als ich zu Hause ankomme. Ich hänge den Regenmantel wieder auf und stelle meine Gummistiefel an ihren ursprünglichen Platz. Leise stolpere ich die Treppe hinauf ins Badezimmer, ziehe meinen klitschnassen Pyjama aus und steige unter die Dusche. Da gehe ich in Gedanken die Fächer durch, die ich heute haben werde. Mathe, Physik, Chemie, Biologie, Geschichte, Latein, eine Doppelstunde Kunst und schließlich Französisch. Ich stehe in fast allen Fächern auf einem A , bis auf Kunst. Ich hatte einmal meine Meinung zu moderner Kunst kundgetan, nämlich das jeder Streuner besser malen könnte , während mein Kunstlehrer, welcher zufällig ein großer Fan moderner Kunst ist, hinter mir gestanden ist. Seitdem muss ich mir ungefähr dreimal soviel Mühe geben wie jeder Andere, aber das ist ok so. Wer seine Klappe nicht halten kann, muss mit den Konsequenzen zurechtkommen.

Ich steige aus der Dusche und trockne mich ab, schlüpfe in meinen Bademantel und beginne meine Haare zu föhnen. Währenddessen summe ich vor mich hin. Als ich im Bad fertig bin, gehe ich zurück in mein Zimmer und ziehe mich an, die typische Schuluniform. Rot-Schwarz. Ich bin froh, dass unsere Schule bei der Farbauswahl, besser ist als andere Schulen, auch wenn ich mit meinen schwarzen Haaren und dunkelgrauen Augen fast wie ein Grufti aussehe.

Meine Haare zu bändigen hatte ich schon vor Jahren aufgegeben, doch ich kämme sie trotzdem und stecke mir eine Strähne, die mir sonst ins Gesicht fällt, seitlich am Kopf fest. Der Rest meiner Haare fällt in größeren Locken auf meine Schultern herab.

Als ich fertig bin, gehe ich in die Küche um zu frühstücken. William, mein Bruder, ist bereits da und isst ein Nutella-Brot. Ich nehme mir nur einen Apfel und gehe zur Tür, weil ich meinen Zug nicht verpassen möchte. Will geht auf eine andere Schule als ich und muss erst später los.

Diesmal nehme ich mir einen Regenschirm, weil ich nicht komplett durchnässt in der Schule ankommen will. Auf meinem Weg zum Zug, schaue ich noch schnell bei Starbucks vorbei und besorge Annabelle und mir noch schnell einen Kaffee. Dann steige ich eine Station früher aus und hole sie zuhause ab. Als sie den Wachmacher in meiner Hand sieht, beginnt sie zu strahlen. Da wir beide morgens nicht sonderlich gesprächig sind und trinken wir stumm unseren Kaffe, während wir der Schule immer näher kommen.


Der Schulalltag ist schnell vorüber gegangen und als ich zuhause ankomme und meine Mutter auf der Bank im Wohnzimmer sehe, sieht sie unendlich erschöpft aus. Als sie mich bemerkt lächelt sie mir wenig überzeugend zu und sagt :" Ich schätze du hast viel Hausübung auf. Mach sie gleich fertig, ich mach dir in der Zwischenzeit Abendessen." "Ist alles ok? Du musst mir nichts machen, ich hatte gerade erst Lunch." Das stimmt nicht ganz, Lunch hatte ich vor vier Stunden, doch ich will nicht, dass sie sich wegen mir Arbeit macht, wenn ihr offensichtlich anderes auf dem Herzen liegt"Willst du darüber reden, Mum?" Ihr Lächeln verschwindet langsam und sie sieht mich müde an " Nein, aber du wirst es schon noch früh genug erfahren, wenn ich ihn nicht vielleicht doch noch umstimmen kann..."Sie dazu zu bringen es mir zu sagen würde nicht funktionieren, und außerdem bin ich mir nicht einmal sicher ob ich es überhaupt wissen möchte. Schnell gehe ich in mein Zimmer, um meine Hausaufgaben zuerledigen.


Gerade als ich fertig bin, ruft Annabelle an. "Hi Anny!" "Hi Katie, hör zu du kennst doch Will, der süße rothaarige der ein Jahrgang über uns ist und auf die City of London School geht?" " Klar, kenn ich den, das ist mein-..." " Er hat mich gefragt ob ich mit ihm ausgehen will!!!", sie kreischt und ich muss mein Handy etwas von meinem Ohr weg halten " Hör zu Anny... ähm..." " Was ist?" " Das ist... mein Bruder..." " Wa-Nein, er hat rote Haare und dunkelbraune Augen und so eine Stubs-..." " Ich weiß,dass er mir nicht ähnlich sieht, er ist trotzdem mein Bruder, auch wenn ich mir in Momenten wie diesen wünschte er wäre es nicht, aber ich freu mich wirklich für dich und ihn. Wirklich. Aber tu mir einen Gefallen,ja?" " Was denn?" " Knutsch nicht mit ihm rum wenn ich in der Nähe bin, okay?" "Wäre ja auch komisch... Sag mal, warst du in letzter Zeit mal verliebt, weil ich hatte da so das Gefühl, dass..." Ich höre nicht mehr zu, denn meine Eltern haben gerade angefangen lauthals zu streiten. Ich unterbreche sie " Anny, ich muss kurz auflegen okay?", und ohne auf ihre Antwort zu warten, lege ich mein Handy weg und öffne meine Zimmertür...

Kiss the Rain...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt