Kapitel 5

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Annabelle und ich verbrachten den ganzen Tag miteinander. Wir reden, lachen und weinen. Wir sehen Filme, diskutieren über fiktionale Charaktere aus Büchern und hören Musik, zu der wir lauthals mitsingen. Wir hatten schon lange nicht mehr soviel zusammen gemacht. Unsere Freundschaft war etwas eingeschlafen, seit wir die High School besuchten,da wir uns ohnehin jeden Tag sahen...



Um 10Uhr abends bekommt Annabelle plötzlich einen Anruf und ich höre wir die hysterische Stimme meines Vaters erklingt" Ist Katie bei dir?! Wir haben schon überall angerufen und sie auch aber sie geht nicht an ihr Handy..." "Shit, gib sie mir schnell, Annie" Sie reichte mir den Hörer und ich hörte wie meine Mutter im Hintergrund irgendetwas vor sich hin brabbelte " Hallo, Vater. Alles ist in Ordnung, mein Handy ist schrott, das hab ich wohl vergessen dir zu sagen. Ich bin schon auf dem Weg nachhause " Ich lege schnell auf bevor er irgendetwas antworten kann und stehe auf. " Ich muss gehen Annie, wir fliegen morgen schon los. Kommst du noch zum Flughafen? " "Manchmal frag ich mich warum du bessere Noten hast als ich. Natürlich komm ich dich besuchen, du Dummchen." Mir schießen Tränen in die Augen und wir umarmen uns.



Auch wenn ich viel lieber bei Annabelle geblieben wäre, beeile ich mich möglichst schnell nach Hause zu kommen. Als ich durch die Tür und durch den kleinen Flur in unser Wohnzimmer gehe, sehe ich meinen Vater wir er meine Mutter im Arm hält und weil ich mir gerade vorkomme, als würde ich in ihre Privatsphäre eindringen, räuspere ich mich. Mein Vater dreht sich um und meine Mutter erhebt sich. " Wieso? Wieso tust du uns das an? Wi-Willst du uns bestrafen?" "Mum, ich..." "Wir haben keine Andere Wahl, als umzuziehen, verstehst du? Wir können nichts da-" "Mum, ich wollte euch nicht bestrafen, ich habe lediglich vergessen Bescheid zu geben." Mein Vater, der sich mittlerweile ebenfalls erhoben hat, kommt auf mich zu und... ER UMARMT MICH ? 



Solange ich mich erinnern kann, hatte mein Vater mich noch nie umarmt. Doch das sollte nicht die einzige Kuriosität an diesem Tag sein. Meine Mutter kommt nämlich ebenfalls auf mich zu und umarmt mich von der anderen Seite. Meine Mutter die ansonsten Berührungsängste hatte, umarmt mich. Zuerst stehe ich nur steif da, weil das eine ganz neue Situation für mich ist, doch dann umarme ich die beiden ebenfalls und genieße die Wärme, nicht nur körperlich, sondern hauptsächlich seelisch.



Am nächsten Tag, es ist Sonntag, wache ich wie immer um halb sechs Uhr morgens auf, und das obwohl ich eigentlich einiges an Schlaf aufzuholen hätte. Doch ich nutze die Zeit und packe meinen Koffer. Hauptsächlich nehme ich dicke Pullis und Schals mit. Bilder, Bücher und Erinnerungsstücke kommen in mein Handgepäck. Der Großteil würde sowieso mit dem Schiff nachkommen.



Als wir später am Flughafen ankommen, ist Annabelle bereits da und stürmt auf mich zu. Wir umarmen uns lange und ich merke, dass ich nicht die Einzige bin, die ihr Tränen mit aller Kraft zurück hält. " Wir telefonieren jeden Tag, und wenn es sein muss rufst du mich auf in der Nacht an oder während der Schule, oder sonst wann, aber wir telefonieren, versprochen? " "Ich schwöre es dir bei der Queen " Wir lachten beide, und in diesem Moment konnten wir die Tränen nicht mehr beherrschen und verwandelten uns in Wasserfälle...



Kiss the Rain...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt