Träume oder Schäune ?

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Mit einem großen Seufzer, einer leichten roten Regenjacke, welche mit weißen Seitenstreifen dekoriert war und ihre schlanke Taille schmückte, sowie einem schwarzen Rüschen-Rock, welcher ihr bis zu den Knien abschloss, ebenso ein Paar leichte giftgrüne Snickers an den Füßen, und einer vollgepackten dunkelbraunen Ledertasche, die sie um ihren linken Arm trug, verließ Karotta ihre Wohnung im dritten Stock und schritt die grauen Stufen des hallenden Flures hinab. Gedanken versunken fragte sie schon wie sie ihre beste Freundin Lillia zu ihrer Hochzeit eine große Freude machen konnte. Vielleicht mit ihrem selbstgemachten Apfelstrudel ? Oder einer selbstgebastelten Karte ? Aber in erster Linie fragte sich die junge 25 jährige schon wie sie Lillia überhaupt aufheitern konnte. Immerhin war eine Torte zur Hochzeit doch mit eins der wichtigsten Dinge...Könnte sie da vielleicht noch etwas drehen ? Bei dieser monotonen und selbstgestellten, gedanklichen Frage, prallte sie tatsächlich gegen einen hochgewachsenen schlanken Mann, welcher wohl nicht älter als sie selbst zu sein schien. Im Nu blickten Karlottas blaue Augen in die wunderbar hasselnussbraunen Augen des hageren Mannes ihr Gegenüber. Welcher erst verwundert und schließlich süffisant zu lächeln begann.

,,Hoppla, ich hoffe Ihnen ist nichts passiert schöne Frau."

Für einen kurzen Moment blieb Karlotta verdattert und wusch sich leicht verlegen eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht, die ihr beim Aufprall vors Auge gerutscht war, ehe sie schüchtern zu Boden schaute.

,,Ehm nein...mir ist nichts passiert. Danke der Nachfrage Mister..."

Bei ihren letzten drei Worten fasste sich Karlotta ein Herz und sah dem fremden Mann an, der ihr hingehen nur ein aufmunterndes Lächeln schenkte. Eins welches voller Wärme und Güte war und das Karlottas Herz in gewisser Weise schon jetzt zum Schmelzen bringen mochte. Doch sie hoffte inständig das dieser Mensch es nicht merken würde.

,,Schon gut. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag Miss...und wer weiß... vielleicht sieht man sich ja die Tage wieder."

Behände nickte Karlotta ihm zu, wobei ihr sein Duft nach Pfefferminze beim vorbeigehen in ihre Nase stieg. Einfach nur angenehm erfrischend ! Ja zumindest diese Begegnung an diesem frühen Morgen hatte ihre Laune etwas gehoben, doch als sie einen Blick auf ihre Tasche warf und den kleinen Teddybär-Anhänger am Reißverschluss sah, da wurde sie schon fast wieder wehmütig. Das Bärchen, welches Justin damals für sie letztes Jahr auf dem Rummel gewonnen hatte. Erneute Tränen kehrten in ihren Augenwinkeln zurück... Ach wie konnte dieser Idiot Justin sie einfach nach so einer schönen Nacht bloß einfach sitzen lassen und nun sogar Schluss mit ihr gemacht haben ?! Wütend und sogar vielleicht ein klein wenig unbewusst stapfte sie mit dem Fuß auf der Treppe beim Gehen auf, dessen Schall so laut war, das der fremde Mann sich über das Treppengelände geneigt und Karlotta mit einem niedlichen Blick hinterher schaute. Einem Mädel das nicht nur süß drein schauen konnte, sondern auch noch Feuer im Blut besaß. Bei dieser Vorstellung begann der Mann sogar ein klein wenig zu lachen, wobei seine perlenweiße Zähne zum Vorschein kamen.

Diese bildhübsche junge Dame gefiel ihm durchaus und er fragte sich...wann er sie wohl Wiedersehen würde...Die junge Dame mit dem herrlichen Rosenduft und dem zuckersüßen schwarzen Rüschen-Rock, den sie ein wenig verdeckt unter ihrer weiten und roten Jacke trug.

Während er hingegen nun seinen Weg zu einer Zimmertür fortsetzte, gelangte Karlotta zum Ausgang des Wohnkomplexes und trat auf den wenig belebten, dafür umso nasser dreinblickenden Fußweg, während zu beiden Seiten der Straße, im Minutentakt Verkehrsteilnehmer aller Art die Straße hoch und runter fuhren.

Wieder seufzte Karlotta, die mitten durch diesem Regen latschte und hätte sich am liebsten einen Schirm gewünscht, aber wie immer in ihrem Leben, schien Mal wieder nichts nach Plan zu laufen. Sie wusste nur zu gut, das ihr letzter Regenschirm die Flocke gemacht hatte, indem ein Windzug des letzten Herbststurmes diesen buchstäblich in ein Klappschirm beim Tragen verwandelt hatte. Voodoo-Zauber hatte Lillia das damals lachend genannt, als sie beide die Allee verließen und sie schlussendlich in den den Park abgebogen waren. Karlottas schmale Stirn kräuselte sich...ob das Aus mit Justin auch so ein Voodoo-Zauber war ? Schlussendlich begann sie selber ungläubig mit dem Kopf zu schütteln. Das war doch reiner Unsinn ! Und wenn sie ehrlich war...glaubte doch nicht Mal Lillia daran ? Oder etwa doch ?! Immer wieder schweifte die rotblonde Karlotta zu Lillias Sammlung von Kuriositäten ab. Ja es gab Kunst und es gab...Krempel und für die 25 jährige stand fest, das der Krempel in ihrem Zuhause mehr überwog. Da hätte man schon allein den Atem anhalten mögen, wenn Lillia nicht ihren treuen Freund Wilbur an ihrer Seite gehabt hätte, der manchen Krempel schon vor ihrer bestehenden Hochzeit, beseitigen ließ und zwar von der alten Fahrradklingel bis zur ramponierten Kuckucksuhr ! Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf Karlottas Lippen als sie selbst bei ihrem wegschmeiß Tag dabei war und Lillia wie einen wohlbehüteten Schatz diese alte aus Holzgefertigte Kuckucksuhr in den Armen festhielt, während Wilbur über eine gute Stunde versuchte ihr dieses alte Ding zu entreißen, wobei immer Mal wieder dieser Vogel raussprang als wolle er diesen Streit noch verhöhnen, aber letztendlich siegte der Verstand und nicht die Geldgier. Tja...manche Sachen waren einfach nicht zum Geld machen geeignet und eine kaputte Uhr schon gar nicht. Das musste letzten Endes halt auch Lillia einsehen.

Trotzdem fragte sie sich schon wie harmonisch diese Beziehung zwischen Lillia und Wilbur Mal werden mochte. Lillia war eine sehr offenherzige Person. Sie konnte frei im privaten über ihren Sex reden und schien sich dafür kein bisschen zu schämen. Ihr Motto lautete immer : >>Sex ist etwas ganz normales das hat doch jeder Mal. Es ist als ob du dir bei der Manufaktur, halt ne Kugel Eis kaufen würdest. Keinem interessiert es und trotzdem macht man es.<<

Bei diesen Worten hatte Karlotta damals nur geschluckt. So locker konnte sie es nie betrachten...aber der Sex mit Justin...Ach einfach zu gut um wahr gewesen zu sein und eigentlich war das wirklich viel besser als Eis zu essen. Oder hätte man das beides vielleicht sogar kombinieren können ? Schnurstracks überquerte sie ein paar Straßen und kam endlich, aber völlig durchnässt auf ihrer Arbeit an. Genauer gesagt dem ,,Sweet Coffee Shop" Restaurant. Kaum war Karlotta eingetreten, sah sie eine vollschlanke Frau mit kurzen, schwarzen und welligen Haaren im roten Rückenkleid-Dress, mit schwarzen Lackschuhen und einem weißen Häubchen auf den Kopf, welche gemächlich und mit einem deutlichen Wackelgang einer Gans, mit ihrem beigen Klemmbrett von Tisch zu Tisch dackelte und die Bestellungen der Gäste auf nahm. Karlotta begann erneut zu Schmunzeln. Die gute alte und gutgebaute 45 jährige Alice, die mittlerweile hier schon als altes Inventar des Ladens galt, hatte wie fast jeden Tag hier Schicht.

,,Hey Karlotta, Scharlotta bist ja auch Mal wieder hier. Scheinst ja ganz schön feucht geworden zu sein bei dem Wetter. Wenn du frierst, würde dich der alte Charly ja auch gerne Mal aufwärmen Schätzchen."

In Windeseile begann Karlotta nur ihre Augen zu verdrehen und schaute gelangweilt auf den einsamen Gast, welcher sich direkt vor ihr an der Eingangstür platziert hatte. Er war um die 47 Jahre alt, trug meistens seinen abgetragenen Cowboyhut, ein rotes Halstuch, ne stinkende Lederweste nach Politur, darunter ein gelbes T-Shirt, lange graue Hosen und weizenfarbige Lederstiefel und wenn er lachte oder lächelte wusste sie mittlerweile schon das in seinem vorderen Gebiss mindestens drei Zähne fehlten und der vierte mit Sicherheit nicht mehr lange auf sich warten würde, wenn er noch weitere Sprüche um sie reißen mag.

,,Hey Charly Buckwin...lass endlich Mal die Kleine in Ruhe...oder willst du noch nen Zahn extra verlieren ? Das hier ist kein Flirtschuppen sondern ein Restaurant. Also iss gefällt dein Steak und halt's Maul."

Auf Alice raue Worte, die sie gesprochen hatte, kehrte auf Buckwin ein ungehaltener Gesichtsausdruck eines mürrischen Esels zurück, den Karlotta nur zu gut kannte und für sie innerlich eine große Genugtuung war. Tatsächlich hatte der alte Buckwin damals durch eine Auseinandersetzung mit Alice seine ganzen drei Zähne in diesem Laden mal verloren. Um was es da genau ging...das wusste Karlotta nicht. Sie vermutete aber das es da zwischen Charly und Alice wohl ziemlich knistern musste besonders in Sachen Liebe und auch jetzt gute 10 Jahre nach diesem Vorfall schienen die beiden sich immer noch herzhaft lieb zu haben, auch wenn sie es in der Öffentlichkeit nicht so zeigen mochten. Davon war Karlotta, die mittlerweile seit 5 Jahren hier bei Alice arbeitete, überzeugt und sie hoffte inständig, das auch sie dieses Glück der innigen Liebe Mal wieder weiter auskosten möge, allerdings ohne Schlägerei, Zahnverlusten und alten Säcken.

Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt