Die Mauer des Schweigens

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Zwischen Sarah und Karlotta herrschte mittlerweile eine fast gespenstische Atmosphäre, nur das Radio spielte leise im Hintergrund ,,My Side of the Story" von Hodges. 
In Karlottas Augen sammelten sich erneut nach all den tristen und aufgewirbelten Gefühlen nun Tränen in ihren Augen. 
Wie konnte sie denn Dave jemals lieben, wenn sie doch wusste, dass sie für sein Leid verantwortlich war ! Doch kaum hatte Karlotta diesen Gedanken gefasst, als auch schon die Tür geöffnet wurde und ein lautes Hecheln, eines Hundes, gepaart mit einem angenehmen ,,Hallo"  einer Männerstimme zu hören war. 
,,Ehm Hallo.", gab Sarah fast überrumpelt zurück und musste dabei unweigerlich diesen Mann in seinem blauen, wenn auch durchnässten Anzug mustern. Wenn Sarah es nicht besser wüsste, hätte sie meinen können, dass dieser Mensch geradewegs aus der Gosse kam. Durchnässt, strubbelige Haare, einen schneeweißen Verband im Stirnbereich und eine sehr verschmutzte und orangefarbene Hundeleine. Aber hatte Karlotta nicht gemeint, dass Dave sie nach der Schicht abholen würde ?! Andererseits…ein wenig schwer fiel es der Barbie-Blondine schon  darin, den Mann zu sehen, den Lolarta so heiß und innig liebte. Fast unauffällig ließ Sarah ihren Blick deshalb auf ihre Armbanduhr fallen. Es war eine Minute vor 13 Uhr ! Kein Zweifel, er war es !
Verlegen begann Sarah sich nun zu räuspern und trat einen Schritt auf ihn zu, wobei sie sogleich ihre flache Hand ausstreckte.
,,Du musst Davis Flanell sein. Freut mich…dich kennenzulernen. Ich heiße Sarah Atkins, ich bin Lolartas Arbeitskollegin und auch Freundin."
Trocken begann Dave bei diesen doch leicht unsicheren Worten hart aufzuschlucken. Bislang hatte er immer angenommen, dass es Barbies nur im Fernsehen oder in Puppenform gab, aber diese Sarah sah original wie das Abbild aus. Total verrückt! Kurz darauf fing Dave sich  wieder und begann, ihre Hand zu schütteln.
,,Ehm…danke freut mich ebenfalls und entschuldige bitte mein Aussehen. Ich bin mit meinem Hund Sundance in den Regenguss reingekommen. Ehm…Kar…Kari ?"
Doch seine Frage, die er Sarah über der Schulter her zu gemurmelt hatte, ließ nur ein leichtes Zusammenzucken auf einem Stuhl erkennen, wobei ihm selbst leicht mulmig wurde. Hier stimmte eindeutig was nicht ! 
,,Kari was…" doch noch in der selben Sekunde wie er Sarahs Hand losgelassen und sie  bedacht mit dieser  zur Seite schieben wollte, stand Karlotta abrupt auf. Tränen blitzten im nun fahlen Sonnenlicht auf und fielen auf die helle Tischplatte. 
Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten, hatte nun all ihre Kraft gebündelt, aber zum Sprechen was sie gerade nun belastete…das konnte sie einfach nicht ! 
Mit zusammen gekniffen Augen und einem weinerlichen Ton, stützte sie sich noch einmal ab und stürmte los. Rammte dabei Daves Schulter, bei dem sie nun doch noch den Mut fand, etwas zu sagen. 
,,Du weißt gar Nichts !" 
Daves haselnussbraune Augen weiteten sich dabei. In seinem Inneren herrschte eine tiefe Leere. Ja, er fühlte sich gerade so, als hätte er Karlotta für immer verloren.
In seinem Hals sammelte sich ein dicker Kloß, den der Hochzeitsmanager nicht im geringsten schaffte, runter zu schlucken. Was hatte er eigentlich getan ? Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht?! Bei diesem Gedanken klappte auch schon die Tür geräuschvoll ins Schloss, wobei Sarah ihrer Kollegin nur noch entgeistert hinterher schauen konnte. Auch sie verstand nichts. Vor ihrem inneren Auge sah sie Karlotta noch vor sich wie sie teils peinlich berührt, aber auch in großen Tönen von Dave geschwärmt hatte und nun…nun war sie in ihrem roten Rüschen-Dress und inklusive den schwarzen Lackschuhen abrupt aus dem ,,Sweet Coffee Shop " gerannt ohne sich noch einmal umzudrehen, geschweige denn umzuziehen. Indessen begann nun auch Sundance herzzerreißend zu winseln, tapste dabei unruhig hin und her, bis er sich sogar gänzlich mitsamt der Leine von seinem Herrchen losriss. Erst daraufhin erwachte Dave aus seiner reglosen Starre und drehte sich so schnell er konnte zu seinem Hund und somit zur Tür um. Sein Versprechen an Lillia, und an Karlotta selbst immer für die rotblonde Dame da zu sein, fiel ihm wie ein Gedankenblitz wieder ein und verliehen  ihm erneute Kraft.
Mit einem gekonnten Sprung mit den Vorderpfoten auf die Türklinke hatte der rehbraune Hund hingegen schon den Ausgang geöffnet und sprang mit einem erneuten Satz zu Karlotta, die unschlüssig einfach mitten an der Straße stand und sich bereits verkrampft und auch verzweifelt auf die Unterlippe biss, während sie ihre beiden Hände ängstlich vor ihrem Körper schlang. Sie hatte inne gehalten, wollte nicht schon wieder denselben Fehler wie damals machen. Nicht dass sich Davis Flanell noch einmal bei ihrer Suche verletzte ! 
Ein tiefer und schwerer Seufzer konnte sie schließlich hinter ihrer Schulter vernehmen. Was ihr selbst ein regelrechtes Gefühlschaos auslöste. Was sollte sie ihm denn nun nur noch sagen ?! Sie fühlte sich selbst wie ein kleines verlassenes Schulmädchen. Doch anscheinend wusste Dave schon ganz genau was er nun sagen musste. 
,,Kari…ich weiß nicht, was mit dir auf einmal erneut passiert ist, aber ich habe es dir damals schon im Krankenhaus gesagt. Ich bin für dich da. Ich bin immer für dich da, wenn du Probleme hast ! Aber wenn du mir nicht sagst, was dich so belastet…Gedankenlesen kann ich nun einmal nicht. Bitte rede mit mir." 
Zittrig atmete Karlotta die sommerliche Luft ein und wieder aus. Warum mussten sich ihre Gedanken auch immer nur unaufhörlich im Kreis drehen? 
,,Hast du denn nicht eigentlich schon genug Probleme?"
Auf Karlottas fast schon depressive Frage, begann Dave die rotblonde Dame erst sorgenvoll anzusehen, ehe er sich wieder fasste, sie zaghaft an den Schultern mit beiden Händen berührte und sie langsam zu sich drehte und Karlotta ließ ihn gewähren, ließ jedoch ihren Blick weiter auf den grauen Gehweg fallen. 
Sie wollte ihn einfach nicht ansehen ! Nicht sein trauriges Gesicht sehen. 
,,Sieh mich an Kari…sieh mich bitte an !", forderte er sie auf, aber Karlotta fühlte sich zunehmend wie gelähmt an. Sie konnte ihn doch nicht schon wieder an seine jetzige Situation erinnern. Das brachte doch noch mehr Schmerz mit sich ! Und sie liebte ihn doch verdammt nochmal ! Unbewusst biss sich Karlotta sogar noch einmal stärker auf ihre Lippen, als Dave jedoch ohne Vorwarnung einfach seine linke Hand nahm und mit seinem warmen Daumen und seinem ebenso gleich warnen Zeigefinger einfach ihr Kinn abhob. Unvermittelt trafen unsichere blaue auf konzentrierte haselnussbraune. 
,,Nichts ist im Moment wichtiger, als Du Karlotta Belling. Und das bleibt für immer auch so."
Erneut begannen sich Karlottas Augen mit Tränen zu füllen und ohne dass sie es wollte, begann sie sogleich wieder zu weinen, diesmal sogar zu schlurchzen. Dave nahm sie daraufhin ohne ein Wort an seine Brust. Noch immer war seine Kleidung von Nässe durchtränkt und auch wenn er wusste, dass Karlotta die Nähe eines anderen Menschen nicht mochte…in diesem Moment erschien es ihm als richtig. Sie brauchte jetzt vor allem Dingen Halt und Trost. Den nur er ihr vermitteln mochte und auch für ihn fühlte sich dieser Moment gerade richtig an, wobei er sich im geheimen einfach nur wünschte, das Karlotta mit der Sprache rausrücken würde, was sie so dermaßen belastete. 
Erneut läutete indessen schwer die Schulglocke und während alle Schüler und Schülerinnen gemächlich ihre Bücher in ihre Rucksäcke verstauten, rannte Anastasia wie eine angestochene Biene, samt Rucksack aus dem Raum. Sie musste unbedingt Sassy abpassen, ehe sie in das Auto ihres Vaters stieg. Die ganzen Pausen hindurch hatte sie Sassy nicht finden können. Nicht einmal ihre anderen drei Freundinnen Mimi, die sie zufällig auf der Toilette in einer Pause aufgegabelt hatte, noch Melanie und Tiffany wussten, wo sich ihre Freundin Sassy in den Pausen befunden hatte. Das war schon regelrecht seltsam und auch unheimlich! Jeden Platz hatte Anastasia bis dato aufgesucht sei es nun Klassenräume oder gar Büsche auf dem Hof gewesen, aber nix ! Keine Spur von ihr. Wie wild hämmerte Anastasia Herz vor Anstrengung und leider mit einem Misserfolg! Mit großen und grün geweiteten Augen musste sie auf den Hof  zusehen, wie ihre beste Freundin Sassy ihren Rucksack bereits ins Auto gepackt und nun die Beifahrertür des roten Jaguars aufschlug. 
,,Sassy !", rief Anastasia noch einmal verzweifelt ihr in hundert Metern Entfernung entgegen, aber es war zu Spät ! Sassy mit ihrem dunkelbraunen und langen welligen Haaren, verschwand im Wagen, die Tür schlug zu und das Auto fuhr davon. 
Ungewollt zog Anastasia eine Schnute. Es war doch wirklich zum Mäuse melken ! Irgendwie wollte heute einfach alles schiefgehen. Und kaum hatte die blassbraune junge Dame dies gedacht, als unvermittelt sich ein rechter Arm um ihren Hals schlang. 
,,Tja Ana…so ist das Leben…manchmal wird man einfach so im Stich gelassen."
Diese eitle Stimme konnte nur einem gehören und erneut widerte es sie an. 
Gekonnt riss sie sich aus den Fängen dieses Jugendlichen los und sah ihn provokant an. 
,,Lass es einfach Arrow ! Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben ! Kümmere dich einfach um deinen eigenen Kram !"
,,Aber das tue ich dich bereits Püppchen und glaube mir…eines Tages wirst du dich noch wünschen mich an deiner Seite zu haben !"
Anastasia verzog bei diesen Gedanken nur das Gesicht. 
,,Du bist so ekelhaft Arrow ! Ich werde nie die deine Sein. Darauf kannst du Gift nehmen !", schrie Anastasia ihm noch entgegen, ehe sie samt Rucksack das Schulgelände verließ. Sie wollte nur noch zu Lillia und diesen Tag soweit wie es ging, passé sein lassen,  während indessen Arrow nur siegesreich vor sich hin grinste und sie beim weglaufen zu sah. 
,,Oh doch meine Liebe…du wirst mir gehören und dafür werde ich schon Sorgen !",murmelte er leise seine Drohung vor sich her, bevor auch er das Schulgebäude an diesem nun gemischten Wettertag verließ…

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