Regenschirme bringen Glück im Unglück

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Als Dave schlussendlich aus der U-Bahn stieg, wurde es still. Kein Fahrgast außer ihm war aus der gelben Bahn gestiegen und auch sonst gab es niemanden, der auf dieser Station herumlief. Einsam ratterte das Verkehrsmittel in den nächsten Tunnel davon, während Dave sich noch einmal umdrehte und das riesige gräuliche Poster betrachtete, welches schon einige Risse bekommen hatte und auf dem die Darsteller von ,,Fast and Furious 5" mit Waffen abgebildet waren. 
Ein wenig musste der Hochzeitsmanager Schmunzeln. War es doch der letzte Film, den er einst solo nach Jennifers Trennung geschaut hatte. Trotz der harten Zeit, hatte ihn dieser Film gefallen und ihm bewiesen, das das Leben auch aus schönen Zeiten bestehen konnte! Ein harter Seufzer entfuhr  ihm und brachte ihn zurück in die Realität, welches erneut aus Trauer und Freude bestand. Ein Mischmasch der Gefühle eben. Langsam wendete er seinen Blick ab und stapfte schwerfällig die vielen Stufen aus dem Untergrund hinauf. Auf der Oberfläche angekommen, empfing ihn auch schon ein starker Schwall aus Platzregen, der sogleich die Fußwege und Straßen überschwemmte. Soweit es die Sicht zu ließ, schaute sich Dave um. Niemand schien bei diesem Sauwetter unterwegs zu sein. Kein Wunder, war die Straße doch eine einsame, die zwar hinein nach London führte, aber zur rechten zu einer verlassenen Lagerhalle führte. Hinter der nichts als bewirtschaftete Felder lag. Seine Haare begannen in wenigen Minuten die er hier verbrachte, klitschnass zu werden, als plötzlich ein rotes Objekt über seinen Kopf schwebte und die Regentropfen abprallen ließ. Verwundert schaute erst der Hochzeitsmanager nach oben, als er zu jener Person schaute, die nun mit einem niedlichen Kichern neben ihn stand. 
Skeptisch begann Dave sie zu mustern. Es war eine junge Frau mit langen und dunkelblonden Haaren, und dazu einen quietsch gelben Regenmantel mit dazugehöriger Kapuze und in olivgrünen Gummistiefeln steckte.
,, Entschuldigung. Ich wollte Sie keinesfalls auslachen Mr. Eigentlich wollte ich Ihnen nur diesen Regenschirm vorbeibringen."
,,Wieso ?", fragte Dave schon fast flüsternd und überlegte ob er diese Blondine schon einmal gesehen hatte, aber je länger er sie ansah, desto mehr meinte er zu wissen, ihr noch nie begegnet zu sein. Leicht verstohlen sah die junge Frau leicht nach oben und verschränkte gar niedlich ihre Hände hinter dem Rücken. 
,,Nun ja man muss doch als Hochzeitsmanager gut aussehen und nicht wie ein nasser Kater durch die Gegend schlürfen. Ich bewundere Ihre Arbeit wirklich sehr…Hochzeiten auszurichten ist sicherlich sehr anstrengend und birgt viel Verantwortung, aber die baldigen Seelen vereint zu sehen, zu wissen, das es womöglich ihr schönster Tag wird, an dem sie sich immer wieder zurück sehnen. Das ist doch das Schönste Lob von Allen !"
,,Aber wie…"
Daves Worte versanken im Einklang mit den Regentropfen, während die Fremde jedoch nur behaarlich weiter lächelte. 
,,Ich hab Sie des öfteren mit  2 weiteren Männern vor der weißen Lagerhalle gesehen, die auch solche Anzüge trugen. Es schien eine sehr lockere Atmosphäre gewesen zu sein und…nun ja dann stand ich eines Tages auf dem Feld um Kohl zu ernten und zufällig hab ich auch gehört, wie Sie von einer Hochzeit gesprochen haben, die Sie zu Dritt vorbereiten. Ich wohne im Übrigen im 2. Haus, gegenüber dieser Metrostation. Den Schirm und die anderen bunten Schirme, können Sie mir ja zurückgeben, wenn der Regen aufgehört hat. Ich hoffe, das Paar wird Ihre Mühe zu schätzen wissen. Ich drücke Ihnen die Daumen.", meinte die Dame, drückte den roten Schirm in Daves linke Hand und wollte sich schon umdrehen, als Dave sie noch einmal mit seiner linken Hand ihre Schulter berührte. 
,,Wie heißen Sie denn ?"
Die junge Dame drehte sich nicht um und zuckte nur unwirsch mit diesen. 
,,Ist das nicht eigentlich unwichtig? Wichtig ist doch, dass dieses Paar glücklich wird. Also, Sorgen Sie einfach dafür. Denn Liebe in diese Welt zu bringen ist so wichtig und aus Regen wird sich wieder Sonnenschein. ", fügte sie hinzu und ging. 
Indessen blieb Dave ganz verdattert und nachdenklich an Ort und Stelle stehen. 
Sicher, er war der jungen Blondine dankbar für den Schirm, aber diese Hilfsbereitschaft fand er ungewöhnlich. Noch nie in seinen bis dato 5 Jahren, die er in dieser Branche verbracht hatte, war ihm jemals so ein Mensch unter gekommen. Es war fast wie ein kleines Wunder. Und dann ganz plötzlich riss er die Augen auf, während der Regen immer weiter auf den roten Schirm tropfte. Die Blumen !!! Wie konnte er gestern Abend nur die Blumenlieferung um 18 Uhr vergessen ?! So schnell er konnte, rannte er nun zur Lagerhalle, bis er keuchend an der großen dunkelbraunen Tür stehen blieb und verwundert nach unten sah. Es waren nicht seine nassen Socken, die ihn durch die schwarzen Lackschuhe störten, ebenso auch nicht seine triefenden dunkelblauen und schlanken Hosenbeine. 
Der Grund lag vor seinem Körper am Boden. Es waren lauter kleine und große Regenschirme, die in allen Farben des Sommers schimmerten und auf  denen sich kleine Wassertropfen sammelten und schlussendlich gar perlten. Vorsichtig, als könnte Dave etwas zerbrechen, nahm er seine freie rechte Hand und hob einen kleinen hellgrünen Schirm an. Dave hätte am liebsten vor Verblüffung geschmunzelt. Unter dem Regenschirm kamen die gelieferten Blumen zum Vorschein. Weiße Lilien, rote Rosen und blauer Lavendel, die in braunen Kübeln geliefert wurden. Ein schwerer Stein fiel Dave von seinem Herzen, während sein Blick zum zweiten Mal an diesem Morgen zum dunkelgrauen Himmel schweifte. Hätte er diese junge und hilfsbereite Dame nicht gehabt, wären die Blumen von gestern wohl längst hinüber gewesen. Im Stillen nahm er sich fest vor, sich bei ihr persönlich zu bedanken. Dann legte er den Schirm zurück, fischte umständlich aus seiner Tasche einen Schlüssel hervor und schloss die Tür auf. Knarchzent öffnete sie sich und nachdem er kurz darauf eingetreten war und den Lichtschalter betätigt hatte, erschien sogleich das ganze Panorama an Flair im Stil eines Landhauses. Die Decke bestand komplett aus Eichenholz und war mit Holzbalken verziert. An dessen Mitte hingen zehn große, aber verchromte Kronleuchter aus schlichtem  Kristallglas, während der Boden aus einem hellen Belag in Form einer Buchen Holzmaserung gesäumt war. Worauf immer 5 hellgraue Rattan Sessel mit schneeweißen Polsterungen um jeweils mit einem gläsernen Tisch umrahmt standen. Insgesamt 55 Stühle und 11 Tische, waren es, die den Weg rechts und links bis zur vordersten Ebene, der Tribüne säumten. Auf dieser stand ein schwarz glänzendes Rednerpult  und dahinter waren bereits einige Haken versehen , an denen die Blumen nun bald auch ihren Platz erhalten sollten. Ebenso wie die Wimpel und die Luftschlangen, die  schwarzen Blumensäulen, welche  bereits Rechts und  Links vor der Bühne standen  und sich bis zum hintersten Ende der Halle durchzog. Was fehlte waren die Lilien, der Lavendel und die Rosen selbst, die diese Säulen den letzten Touch gaben. Die Wände hingegen waren von oben bis unten mit weißer Tapete verziert, die sogar mit einer hellbraunen Musterung einer französischen Lillie herausstach. Recht elegant, musste Dave zugeben und war froh, dass er damit sicherlich Lillias Geschmack getroffen hatte. Dabei war er so in Gedanken versunken, dass ihn eine Stimme beinahe aufschreckte. 
,,Wie ich sehe, hast du hier ja komplett den glasklaren Durchblick."
Bei dieser scherzhaft gemeinten Stimme, die an sein Ohr dröhnte, musste Dave kurz darauf leicht Schmunzeln. Er wusste genau, wer da gerade zur Tür herein getreten war. Doch zugleich überkam ihm auch die Angst. Wie sollte er nur Mikels Unfall erklären? Er wollte seinen Freund nicht in einer Art Schockstarre versetzen. 
Aber im Grunde wusste er es selbst…Er konnte es ihm nicht verheimlichen. Immerhin waren sie nicht nur Freunde, sondern auch Partner. 
Dennoch herrschte in Dave nur noch einen Gedanken…es ihm schonend bei zu bringen. 
,,Ehm…Dave ?", fragte der Mann ihn vorsichtig, als er von der Seite schließlich den verbissenen Gesichtsausdruck seines Freundes sah. 
Doch alles was Dave tat war mit dem Kopf zu schütteln und schließlich gab er ihn eine Antwort. 
,,Hallo Sam,  ich habe gestern versehentlich nicht mehr an die Blumenlieferung gedacht. Bin auch erst gerade zur Tür rein. Wir haben es einer jungen Dame zu verdanken, das unsere gekaufte Ware nicht sprichwörtlich ins Wasser gefallen ist.", klärte Dave ihn auf, ohne ihn jedoch anzusehen. 
Abergläubisch sah Sam, der vom Erscheinungsbild beinahe dem Protagonisten der Fernsehserie MacGyver ähnlich sah, an. 
,,Wieso deine Aufgabe? In dem Brief, den du mir gestern geschickt hast, stand doch eindeutig, dass Mikel für die Blumen verantwortlich sein würde. Was ist denn nur Geschehen Dave ?!"
Sams Stimme zitterte hörbar und schien genauso verzweifelt zu sein, wie er sich fühlte. Ein stummloser Seufzer entfuhr seinen Lippen. Er musste es ihm sagen ! 
Langsam hob er seinen Kopf, wobei sich langsam seine Augen auch mit Tränen füllten. Sam hingegen schluckte ebenso tonlos auf und versuchte sich derweil seine Angespanntheit nicht anmerken zu lassen, aber seine Hände zitterten merklich. Mikel war sein bester Freund, der erste und vorerst einzigen, den er auf der Schule kennengelernt hatte. Er wusste nicht einmal mehr, wie oft Mikel ihm damals in den Schuljahren den Hintern gerettet hatte, bei dem Blödsinn, den er damals verzapfte, und Sam schwor sich immer es ihm eines Tages zurückgeben zu können, aber bis dato gab es das nie. War nun etwa heute der Tag aller Tage auf etwa grausige Art ? Selbst für Daves ruhige Art, war dies eindeutig zu ruhig und sein Gesicht, drückte die reinste Besorgnis aus. So niedergeschlagen hatte er den Lockenkopf nicht mehr gesehen, seitdem Jennifer ihn einfach verlassen hatte. Und das war eindeutig kein gutes Zeichen !
,,Dave !", herrschte Sam ihn nun an und begann seine Hände an seine Schultern zu legen. 
Ein weiterer Seufzer überkam den Schwarzhaarigen, ehe er weiter um Fassung rann und schließlich die ganze Geschichte erzählte. 
Im ersten Augenblick wusste Sam nicht was er über eine Dame namens Karlotta Belling denken sollte. Eine rotblonde Dame, die ihm einfach so durch Zufall in dem Wohnkomplex begegnet und mit einem Schlag Schockverliebt und zudem auch noch eine enge Freundin ihrer Auftraggeberin war ! Im Nachhinein freute er sich sogar innerlich für ihn, doch als plötzlich die Eskalation im Hause Well und Redford los rollte und Karlotta bei diesem heftigen Missverständnis das Weite suchte, da verfärbte sich Sams Gesicht. Und als Mikel dann mit Dave los fuhr um sie zu suchen…da wurde es ihm gänzlich anders. Es war, als wären die Zeiger stecken geblieben. Der blonde  Mac Gyver Schönling sah sich um diese Uhrzeit auf seinem cremefarbenen Stoffsofa und zippte durch die Sender. Blieb bei einem Sherlock Holmes Krimi noch in Schwarz Weiß  stecken und nun…nun wusste er das zu dieser Zeit die beiden in ärgster Gefahr geraten waren und zum ersten Mal überhaupt, hätte er sich ein Handy an seine Seite gewünscht, um Ihnen in genau dieser Stunde beizustehen. Wie erbärmlich sein Leben ohne Handy und Internet doch war ! 
Doch Dave redete weiter, sprach über sein Gedächtnisverlust, darüber wie Karlotta ihn wieder aufgebaut hatte und über Mikels Zustand. Von dem er nur wusste, das er kritisch war. 
Sam kam sich vor, als hätte man ihn mit dem Kopf gegen eine schwere Holztür gerammt. Die Schmerzen setzten abrupt ein und er hatte das Gefühl, nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein. Alles verschwamm vor ihm und erst sich etwas heißes aus seinen Augen löste, begann er endlich zu begreifen, das er weinte. 
Ja Männer weinen nicht…denn sie weinen heimlich. Auch das wusste Dave selber sehr gut. Tonlos und ohne ein weiteres Wort, umarmte er Sam und hielt ihn fest. Und Sam weinte stumm, aber mit bebenden Körper weiter in der Halle, während draußen unaufhörlich der Regen weiter prasselte. Ob nach dem Regen auch wirklich wieder Sonnenschein kam ? Das fragte sich Dave bei Mikels körperlicher Verfassung wirklich. Er konnte es nur hoffen…

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