„Ich will nicht mehr in die Arbeit! Rufst du an und meldest mich für den Rest meines Lebens krank?", flehte ich Emil, meinen besten Freund, an.
Ich hasste meinen Job! Und zwar so richtig! Außerdem war es die beschissenste Idee ever gewesen, mich bei dem Krankenhaus zu bewerben, nur weil „ER" dort Chefarzt war! Erstens: schlechte Erfolgschancen im Job. Zweitens: schlechte Erfolgschancen im Liebesleben, wenn man mit ansehen musste, dass der Herzallerliebste mit seinem Freund selbst im Krankenbett noch auf Wolke sieben schwebte.
Ja, ich war am Arsch! Aber sowas von! Bereits seit Monaten konnte ich an keinen Anderen mehr denken, als an ihn. Seit ich den legendären Dr. Johannes Burg, es war ein Seminar zum Thema plastische Chirurgie, getroffen hatte. Verfolgte ich das Ziel, ihm näher zu kommen. Hätte mir vielleicht zu Denken geben sollen, dass mich der Gute selbst beim grad genannten Seminar keines Blickes gewürdigt hatte? Aber da war ich scheinbar schon blind vor Liebe.
Als ich dann Monate später das Glück hatte, ihm bei einem Einsatz zu begegnen, hatte ich es gleich mal so richtig vermasselt. Johannes war gerade dabei einen jungen Mann zu reanimieren, der wohl lieber das Seepferdchen gemacht hätte, bevor er zum Schwimmen aufbrach. Gott allein wusste, was mich da geritten hatte, auf jeden Fall hatte ich den Meister höchstpersönlich bei der Arbeit gestört. Aber das war mir alles immer noch nicht genug, nein, auch nicht nach dem fetten Anschiss, den ich mir gleich nach dieser bekloppten Aktion hatte abholen dürfen. Auch das hielt mich also nicht davon ab, dennoch nur wenige Tage später den Vertrag für das St. Josef Krankenhaus zu unterschreiben.
„So schlimm ist es bestimmt gar nicht!" Ich war mir nicht sicher, ob das ein Versuch war mich aufzuheitern oder eher ruhig zu stellen. Denn es war in der Tat so schlimm! Wenn nicht noch viel schlimmer! Monatelang war ich ihm wie ein Vollidiot nach gedackelt und hatte ihn angehimmelt, bis zum Tag X. An dem urplötzlich sein Freund auf unserem OP-Tisch gelandet war. Okay, okay, auf seinem Tisch! Sein verdammt nochmal gutaussehender Freund, selbst noch nachdem ihn ein Auto erfasst hatte. Tja, eins führte zum Andren und dem supertollen Ärztekodex sei Dank, war ich keine zehn Minuten später dabei, für meinen Wunschfreund den Liebsten zusammen zuflicken. Spätestens ab hier ging es Berg ab. Aber so richtig!
Meine Arbeitskollegen, die ebenfalls weder blind noch taub waren und meine Schwärmerei monatelang mit ansehen mussten, schauten mich auf einmal mitleidig an. Mein einziges Glück in dieser ganzen verqueren Situation: Johannes schien von all dem nichts bemerkt zu haben. Und was André anging, den Hübschling, den ich für Johannes wieder zusammen getackert hatte, der war zu allem Überfluss auch noch nett! Zum Kotzen, oder?
„Jetzt komm schon, Michael!", riss mich Emil aus den Gedanken. Ich schloss die Augen und ließ meinen Schädel auf die Tischplatte knallen. Da war mir auch egal, dass uns nun sämtliche Leute im Umkreis anstarrten. Schließlich hatte ich das genauso seit einer Woche im Krankenhaus. Man gewöhnte sich an jeden Mist!
Unsere Geschichte schien sich nämlich wie ein Lauffeuer auszubreiten. Zuerst wusste es nur das OP-Team, dann die ganze Notaufnahme, die Station und jetzt das ganze Krankenhaus. Ich, der arme, unglücklich verliebte Vollpfosten. Wenn das so weiter ginge, sah ich bald nicht nur unglücklich, sondern auch fett aus, denn sämtliche Schwestern und Ärztinnen überhäuften mich mit Schokolade und Kuchen, um meinen Schmerz zu lindern.
„Tu dir nicht weh.", kommentierte Emil ungerührt und zupfte an einer meiner dunkelbraunen Strähnen, die mir fransig in die Augen fielen. „Tu mir einen Gefallen und heb dein hübsches Gesicht aus der hundert Euro teuren Soße!"
Ach ja, hatte ich schon erwähnt, dass mein bester Freund ein Schauspieler war? Der nur in die teuersten Läden zum Essen ging. So wie heute auch? Weil heute ja Silvester war! Etwas ganz besonders! Ja klar, immer diese Ausreden! Wir waren immer in solchen Restaurants! Also musste ich wieder mit ihm ausharren und ein 10 Gänge Menü überstehen, nach dem ich mir anschließend irgendwo einen Burger suchen konnte, weil hiervon kein Mensch satt wurde, sondern regelrecht beim Essen verhungerte.
„Die, die nach alter Socke schmeckt?", nuschelte ich, meinen Kopf immer noch auf dem Tisch ruhend ins Tischtuch. „Ist nicht schade drum ..."
„Michael ...", zischte mein Freund plötzlich aufgebracht. Wieso regte er sich denn immer so auf? Vorhin hatte er selbst noch darüber hergezogen.
„Na, ist doch wahr ...", murmelte ich lustlos weiter und badete regelrecht in Selbstmitleid. „Keine Ahnung, wo dein grandioser Koch ..."
„Ludwig!", fiel mir Emil diesmal schon knurrend ins Wort. Gelangweilt hob ich meinen Kopf, um ihn finster zu mustern. Wieso ließ er mich nicht einmal ausreden? Der brauchte sich auf seinen neusten Promistatus gar nichts einbilden. Ich war dabei, als er die Regenwürmer aus Omas Garten im Ganzen geschluckt hatte, nur um anschließend panisch und schreiend ums Haus zu rennen.
„... seine Ausbildung absol ..." Weiter kam ich nicht, denn da hatte ich hinter Emil eine schwarze Kochjacke entdeckt. Oh, Mist ... Knopf für Knopf, auf denen kleine Totenköpfe abgebildet waren, wanderte mein Blick höher. Flacher Bauch, eine breite, von Muskeln definierte Brust, die nicht einmal die Kochjacke kaschieren konnte. Hals, markantes Kinn, volle, dunkle Lippen, zu einer schmalen Linie verzogen, Grübchen. Ich schluckte schwer. Gerade Nase, dunkelblaue Augen. Mir stockte der Atem. Sein eiskalter Blick durchbohrte mich.
„Nur auf dem Culinary Institute of America." Ertönte eine tiefe, rauchige Stimme, die mir durch Mark und Bein ging. Ich wusste nicht, ob ich je einen schöneren Mann gesehen hatte. Seine pechschwarzen Haare fielen ihm ähnlich, wie mir selbst, in die ozeanblauen Augen. Das Blau einer tosenden, schäumenden See.
Prompt erhob sich Emil von seinem Stuhl und drehte sich zu dem offensichtlichen Koch um. Seit Wochen hatte ich mir ein Loch herbei gesehnt, indem ich verkriechen konnte. Aber nicht einmal heute, zur Feier des Tages sozusagen, wurde es mir gewährt.
„Arne!", dabei schritt er mit offenen Armen auf den Kerl, der seinen kalten Blick immer noch nicht von mir nahm, zu. „Schön, dich nach alle den Jahren mal wieder zu sehen!", und umarmte ihn.
„Hör nicht auf ihn!", flüsterte mein bester Freund theatralisch, so dass uns sämtliche Gäste an den umliegenden Tischen hören konnten, „Der hier hat Liebeskummer und verpönt gerade alles!"
Alles in mir drin schrie danach aufzuspringen und diesen piekfeinen Laden schleunigst zu verlassen. Vor allem, weil mich dieser Kerl immer noch nicht aus den Augen ließ und mir gerade verdammt heiß wurde.
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Mr. Unverbesserlich (Mr. 2)
RomanceWas passiert, wenn man aus Verliebtheit eine Stelle annimmt, nur um seinem Schwarm nahe zu sein? Ganz einfach, man zieht die goldene Arschkarte! Vor allem, wenn der vermeintliche Mr. Right, seinen eigenen Mr. Right bereits gefunden hat und man infol...