3. Michael - Johannes

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Ich kann ihn für dich raus werfen lassen! Das wäre gar kein Problem!", versicherte ich André, der gerade völlig entnervt in seinem Bett saß und schnaubte. Sein werter Göttergatte nahm ihn ganz schön ran. Nur nicht im positiven Sinne, außer man stand vielleicht auf Schmerzen. Mein Patient sah gerade nur nicht danach aus.

Den Physiotherapeuten für diese Übungen zu hassen war das eine, den eigenen Freund, etwas ganz anderes.

„Das hab ich gehört! Haben Sie nichts Besseres zu tun, als hier herumzulungern und Sprüche zu klopfen, Ludwig?", beantwortete wie immer reizend Johannes, statt André, meine Frage. Der Andere war aber auch noch weiterhin mit Keuchen und Fluchen beschäftigt.

„Ganz zufälligerweise ist das hier mein Job, Burg!", erwiderte ich im gleichen Tonfall, seit dem ich wusste, dass ich keinerlei Chancen hatte, war ich zu dem Prinzip, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, übergegangen. Gleichzeitig fragte ich mich zum tausendsten Mal, wieso zum Henker ich genau nochmal so scharf auf ihn war und mich leider Gottes irgendwie immer noch nach ihm sehnte? Vielleicht sollte ich mir bei Gelegenheit mal Gedanken darüber machen, mein Gehirn scannen zu lassen. Um einen Tumor, der auf die Bereiche Zurechnungsfähigkeit und Urteilsvermögen drückte, ganz sicher auszuschließen zu können.

„Hört auf ...", japste André. „Alle beide!" Dann rückte er ein Stück von Johannes ab und wollte sich gerade in seinem Bett zurücklehnen.

„Wir müssen noch ...", hielt ihn sein Freund sofort auf und wollte ihm gleich wieder in die Höhe helfen, um ihn weiter zu malträtieren.

„Okay! Schmeiß ihn raus! Bitte!!!", flehte mich André an und ich konnte mir mein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.

„Du hast es gehört, Burg! Raus mit dir!", befahl ich meinem indirekten Vorgesetzten und freute mich tierisch. Das war aber auch ein verdammt tolles Gefühl! Nur ihm direkt in den Arsch zutreten, wäre schöner gewesen.

Fassungslos und sichtlich sprachlos starrte Johannes von seinem Freund zu mir und wieder zurück. Bis vor ein paar Tagen noch hätte ich auf die Frage, ob man Dr. Johannes Burg mundtot bekommen könnte, mit niemals geantwortet. André hatte mich aber sehr schnell eines Besseren belehrt. Ab und zu reichte ein Blick und Johannes verstummte. So wie jetzt auch. Ruckartig erhob er sich von seinem Stuhl, so dass dieser knarrend über den Boden rutschte, und marschierte erhobenen Hauptes aus dem Zimmer.

„Da ist aber jemand sauer!", stellte ich unnötigerweise fest.

„Halb so wild!", stöhnte mein Gegenüber, während er sich endlich in die Federn sinken ließ. Er war wirklich erschöpft und auch wenn es Johannes sicherlich nur gut gemeint hatte, war es sichtlich zu viel für den immer noch angeschlagenen André gewesen. „Er kriegt sich wieder ein, aber ich brauch jetzt ernsthaft eine Pause von ihm! Sonst besteht die Gefahr, dass ich Sachen nach ihm werfe. Sehr schwere Sachen!" Kurz schloss er die Augen und atmete tief durch.

„Nicht leicht mit ihm, was?", murmelte ich und schüttelte den Kopf. „Das kann ich dich genauso fragen, stimmt's?", seufzend zwinkerte er mir zu und musste dennoch selig lächeln.

Ich zuckte mit den Schultern und trat ans Bett. Auch wenn Johannes mit Sicherheit alle Untersuchungen fachgerecht durchgeführt hatte, sah ich mir trotzdem die OP Narbe und die Blutergüsse selbst noch einmal an. Denn ich war genauso Arzt mit Leib und Seele und André nun mal mein Patient.

„Tut das noch weh?", fragte ich, während ich vorsichtig seine Rippen abtastete.

„Ich will ja wirklich nicht jammern, aber es tut alles weh. Die ganze Zeit!", stöhnte er auf, als ich vorsichtig den Druck erhöhte.

„Das wird besser, ein paar Wochen noch und du bist wieder wie neu!", versuchte ich ihn aufzumuntern, weil er nun, wo sein Lächeln in sich zusammen gefallen war, nur noch fertig aussah.

„Du magst ihn ... stimmt's?", wollte er plötzlich ganz leise wissen.

Meine Hand gefror und ich hob den Blick, um André direkt in die Augen zu sehen. So eine verfluchte Scheiße! Reichte das Krankenhauspersonal nicht? Musste sein Freund sich jetzt auch noch dazu gesellen?

„Schon okay!", flüsterte André fast schon mitfühlend und tätschelte meine Hand. „Hier wird tatsächlich ziemlich viel gemunkelt, aber ich selbst hatte den Verdacht schon ein bisschen länger."

Ich entzog ihm meine Finger, um mir das Stethoskop um den Nacken zu hängen. Man musste ihm zugutehalten, dass er mich nicht auslachte, oder sogar dumm anmachte. Immerhin ging es ja schließlich um seine große Liebe.

„Weiß er es?", fragte ich das Erste, was mir in den Sinn kam. Immerhin meine größte Angst! Er nahm mich jetzt schon nicht ernst. Wenn er zudem erfuhr, dass ich nur hier arbeitete, um ihm wie ein Dackel hechelnd hinterherzurennen, dann würde ich wohl das Letzte bisschen an Respekt auch noch verlieren.

„Njein ...", erwiderte André und es schwang ein bisschen das schlechte Gewissen mit. Das Herz blieb mir stehen und ich schien wohl ziemlich erschrocken dreinzuschauen. „Also, ich hatte das mal vor ein paar Wochen in der Raum gestellt, aber Johannes hat das gleich rigoros abgetan."

„Okay ...", presste ich hervor und ließ mich, nicht wirklich beruhigt, schwerfällig auf dem Stuhl nieder.

„Jetzt mach dir mal keinen Kopf!" Was für eine absurde Situation. Jetzt lag da der Freund, des Kerls, auf den ich stand da und sprach mir Mut zu. André war einfach zu gut für diese Welt und vor allem zu gut für Johannes!

„Der glaubt nur das, was er glauben will! Und das du in ihn verliebt bist, das kann er sich ganz und gar nicht vorstellen!"

„Macht es dir denn nichts aus?" Wollte ich die zweite Sache klarstellen, die mir auf dem Herzen lag. Ich mochte André und wollte nicht, dass es nun komisch zwischen uns wurde. Zumal ich nicht vorhatte, mich irgendwie zwischen die beiden zu drängen. Ich wusste, wann ich verloren hatte und bei Johannes hatte ich noch nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt.

„Hmm ...", schien er zu überlegen, „Eigentlich nicht! Ich hab dich die letzten Tage beobachtet, du wirkst jetzt nicht so, als wolltest du unsere Beziehung sabotieren."

„Gott, du bist ganz eindeutig zu gut für diese Welt! Was findest du nur an ihm?", teilte ich ihm meine Feststellung voller Erleichterung mit. Ich fühlte mich so, als wäre mir endlich ein Stein vom Herzen gefallen. Dass die beiden es rausfinden, hatte mich die ganze Zeit über verfolgt, auch wenn ich versucht hatte, es zu verdrängen.

„Das könnte ich dich genauso fragen!" In seiner Stimme schwang kein Hohn mit, er schmunzelte lediglich vor sich hin.

„Touché!"

Hinter mir wurde die Tür aufgerissen und ich fuhr auf meinem Stuhl zusammen.

„Jetzt bist du immer noch hier ... Nun aber los an die Arbeit. Gerade wurde unser Promi eingeliefert! Lauf runter und flick ihn zusammen, bevor eine Horde Teenies dich jagen und köpfen will, weil du ihren Lieblingsautor hast krepieren lassen!", verkündete Johannes, kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war.

„Was?" Ungläubig erhob ich mich von meinem Stuhl. Wenn das ein Witz sein sollte, dann kein allzu Guter.

„Was genau hast du nicht verstanden?" Einen Schritt näher tretend, blinzelte er mich fragend an. „Finn ist Autor und ab und an übertreibt er es und landet in der Notaufnahme. Alkohol, Tabletten und eine Rasierklinge sind nun mal keine guten Freunde! Ich durfte ihn schon das ein oder andere Mal zusammenflicken. Du bist doch so scharf auf meine Arbeit, also bist du jetzt mal dran!"

Fassungslos konnte ich ihn nur anstarren und fragte mich immer noch, ob er mich gerade auf den Arm nahm, doch da ging auch schon mein Pieper. Einen Blick darauf verriet mir, dass ich tatsächlich in der Notaufnahme gebraucht wurde. Also erhob ich mich von meinem Stuhl und eilte los.

„Viel Spaß mit seinem Bruder!", flötete Johannes mir fröhlich hinterher.

„Was hatte es nur mit diesen Brüdern auf sich, dass Johannes so scharf drauf war, sie an mich abzudrücken?", schoss es mir durch den Kopf. Aber das war erst einmal zweitrangig.

Mr. Unverbesserlich (Mr. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt