Was hatte ich nur getan? Oder besser gesagt, was zum Teufel hat mich da nur geritten? Wie konnte ich nur? Fragen über Fragen stürmten regelrecht auf mich ein, während ich die Treppe hinuntereilte. So schnell, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Ich musste weg von hier. Weg von ihm. Nur warum? Ich kannte das ‚Warum', es war eigentlich total einfach zu beantworten und doch verbot ich mir, auch nur daran zu denken.
Gott, ich konnte ihn immer noch auf meinen Lippen schmecken, fühlte seine starken Finger, die sanft über meine Haut streichelten. Ich strauchelte. Hielt mich fester am Geländer, um nicht zu fallen. Fühlte im vollen Ausmaß, was es mit mir gemacht hatte.
Warum lief ich davon, wenn ich eigentlich nur bei ihm sein wollte? Uns diese gottverdammte Chance geben wollte? Die wir tatsächlich beide zu wollen schienen.
Aber ich durfte es nicht zu lassen, dass er nur meinetwegen blieb. Was, wenn es mit uns nicht klappen würde? Dann wäre ich schuld, dass er sich diese Möglichkeit hatte entgehen lassen. Dann hätte ich sein Leben zerstört und er würde mich irgendwann dafür hassen. Verdammt, wen belog ich hier eigentlich? Das mit seinem Umzug nach Frankreich hatte ich bis vor kurzem gar nicht gewusst. Und da war ich schon mit dem Plan zu ihm gegangen, ihn nie wieder zu treffen. Ihn nie wieder zu sehen. Endlich mit ihm abzuschließen.
Ich hielt inne. Blieb wie eingefroren auf dieser Stufe stehen. Ich wollte nicht gehen, konnte im Gegenzug aber auch nicht bleiben. Was sollte ich nur tun? Wenn er ging, würde ich es nicht ertragen, trotzdem wollte ich nicht, dass er nur meinetwegen blieb.
Statt, dass es mir nach diesem Besuch besser ging, ging es mir beschissener denn je. Es fühlte sich regelrecht an, als würde sich eine eisige Hand um meine Kehle legen und schnürte mir die Luft, die ich so dringend zum Atmen brauchte, ab. Fieberhaft überlegte ich hin und her. Gehen, bleiben, gehen, bleiben, gehen ... Mein rechter Fuß schwebte in der Luft, bereit, die nächste Stufe nach unten zu nehmen. Gleich würde meine Fußspitze das kühle Marmor berühren. Doch im nächsten Augenblick riss ich meinen Fuß zurück, drehte mich um und stürzte die Treppe hinauf.
Keuchend kam ich oben zum Stehen und läutete Sturm. Keine Zeit verlieren. Nicht, dass ich es mir doch noch anders überlegen würde. Das hier war richtig, egal wie es enden würde, es war richtig! Redete ich mir Mut zu, als Finn die Tür aufriss.
„Für dich!", schrie er in Richtung Küche, während er mich demonstrativ ignorierte. Oh Finn ... Es tat mir so leid, ihn in dieses Chaos der Gefühle hineingezogen zu haben. Aber das musste warten, wenn ich alles mit Arne geklärt hatte, dann konnte ich mich in Ruhe um ihn kümmern.
„Ich geh ganz bestimmt nicht nochmal barfuß Eis essen, nur damit ihr Vollidioten euch seelisch weiter zerfleischen könnt! Und da sagt einer, ich brauch einen Therapeuten.", fuhr er mich ziemlich wütend an, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand hinter seiner Zimmertür, die er krachend zu fallen ließ.
„Micha ..." Arnes Stimme klang nicht überrascht, sondern resigniert und das tat noch mehr weh, als wenn er mich mit Ablehnung empfangen hätte.
„Wie hast du dir das vorgestellt?", fuhr ich ihn härter an, als ich eigentlich wollte. „Ich bin eine Katastrophe und du bist auch nicht gerade ein Kind der Traurigkeit und jetzt steht auch noch Frankreich zwischen uns. Wie sollen wir das nur auf die Reihe bekommen?"
Fix und fertig, im wahrsten Sinne vom Leben gefickt, fuhr ich mir niedergeschlagen durch das Haar. „Ich will dich, aber ich habe Angst.", dabei wurde meine Stimme immer leiser und anschauen konnte ich ihn auch nicht mehr. „Ich habe Angst davor, dass du nur mit mir spielst und sobald was Besseres kommt, mich einfach fallen lässt und mich wieder vergisst." Ließ meine Schultern hängen und hatte das Gefühl, die Last der Welt auf ihnen zu tragen. Aber die Last meines Geständnisses wog in diesem Augenblick mindestens genau so schwer. „Ich will mich nicht schon wieder in den Falschen verlieben. Jemanden hinterher rennen, dem ich rein gar nichts bedeute."
„Aber du bedeutest mir was ...", fiel er mir ins Wort, griff an mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. „Und du bist kein Spielzeug! Hast du mich verstanden?" Sein Griff wurde fester und sein Blick duldete keine Widerworte.
Ich hatte keine andere Wahl, als ihm direkt in seine dunkelblauen Augen zu sehen. Sie strahlten mich an, ließen mich keine Sekunde unbeobachtet und gaben ein Versprechen, was er nicht in Worte fasste, was dadurch nur umso mehr an Bedeutung zunahm.
„Komm erst mal rein." Es war keine Bitte. Er trat lediglich zur Seite und gab den Weg frei. Nervös machte ich einen Schritt nach dem anderen. Es gab noch so viele Fragen, auf die ich keinerlei Antwort hatte. Und so recht überzeugt war ich auch noch nicht. Es sprach so fiel gegen uns. Eigentlich sprach alles gegen uns.
Statt zum Sofa ging er in die Küche und ich folgte ihm. Ohne zu fragen, begann er Kochutensilien und Nahrungsmittel zusammen zu suchen. Diese Situation war so vertraut und befremdlich zu gleich. Da ich nicht so recht wusste wohin mit mir, trat ich zu ihm und setzte mich an den Tresen.
„Und ich habe Angst davor, dass du mir nicht verzeihen kannst und deswegen alles in Frage stellst!", fing er an, während er nach einer Zwiebel griff. „Fang!", rief er, während er sie mir auch schon zuwarf. „Dann hab ich Angst, dass du mir nicht mehr vertraust, das du Angst vor mir hast und mich deswegen von dir stößt."
Ich nahm das Messer, dass er mir in die Hand gedrückt hatte, und fing an, die Zwiebel zu schälen. Froh darum, etwas zu haben, womit ich meine Finger beschäftigen konnte.
„Ich habe keine Angst vor dir ...", erwiderte ich nach langer Überlegung. „Hatte ich auch nicht in jenem Augenblick. Schlimmer war, was du gesagt, als das, was du getan hast. Und der Grund!"
Diese scheiß Zwiebel brannte in meinen Augen und ließ sie tränen. „Dass du mir weh tun wolltest und mir all das zugetraut hast, das hat mich verletzt! Du bist einfach davon ausgegangen, dass ich zu all dem, was du mir vorgeworfen hast, fähig war." Mein angefügtes ‚Warum' glich einem Hauchen und ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. Mist auch. Ich hätte diese doofe Zwiebel nie schälen und schneiden sollen.
Verkrampft hielt ich das Messer, konzentrierte mich nur noch auf das Schneiden, um mir ja nicht die Finger abzusäbeln. War mir grade nicht so sicher, ob mich Johannes nach meinem Auftritt von vorhin wieder zusammenflicken würde. Eher riss er mir zusätzlich noch den Kopf ab.
Da kam seine Hand in mein Sichtfeld, umklammerte meine Finger und sorgte dafür, das ich innehielt. Mit seiner freien, zweiten Hand nahm er mir das Messer, während er unsere Finger miteinander verflocht.
„Weil du es dann nicht Wert gewesen wärst ...", gestand er rau und schluckte schwer. Überrascht und verwirrt zu gleich sah ich hoch, in das Blau seiner wunderschönen Augen. Sie wirkten traurig und ich hatte das dringende Bedürfnis, etwas dagegen tun zu müssen. Er sollte nie wieder so aussehen müssen, nicht meinetwegen.
„Was Wert gewesen?", flüsterte ich ehrfürchtig. Mein Herz setzte aus, nur um anschließend panisch davon zu galoppieren. Das hier war echt. Ich fühlte es mit all meinen Sinnen. Konnte es sehen, in seinen blauen Augen, konnte ich es sogar schon sehen, bevor er es laut aussprach. Noch nie hat mich jemand so intensiv, so ehrlich angesehen. Mit all den Gefühlen, die er nur für mich empfand.
„Dich zu lieben ..." Er blinzelte nicht einmal, als er es aussprach. Sah mich einfach nur weiter an. Ließ mich dadurch tief in seine Seele blicken. Nackt, verletzlich, schwach und unheimlich stark zu gleich. Ich hatte es kommen sehen, und trotzdem schlug sein Geständnis ein wie eine Bombe.
Fahrig streichelte er ein letztes Mal über meine Finger, bevor er seine Hand langsam zurückzog. Das wollte ich nicht, brauchte den Körperkontakt, wollte ihn spüren.
„Bin ich es denn?", stellte ich die Frage, die nun zwischen uns schwebte, während meine Hand nach seinen Fingern schnappte. Nun war ich derjenige, der sanft über seine Finger streichelte.
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Mr. Unverbesserlich (Mr. 2)
RomanceWas passiert, wenn man aus Verliebtheit eine Stelle annimmt, nur um seinem Schwarm nahe zu sein? Ganz einfach, man zieht die goldene Arschkarte! Vor allem, wenn der vermeintliche Mr. Right, seinen eigenen Mr. Right bereits gefunden hat und man infol...