34. Arne - zu Hause

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„So hab ich das doch gar ..."

„Schon ok, Liebling!", fiel ich ihm lachend ins Wort. „Ich zieh dich doch nur auf!" Zwinkerte ihm zu und bog von der Autobahn ab.

Nur noch ein paar Kilometer und wir wären zu Hause. Es war immer wieder aufs Neue ein komisches Gefühl, heimzukehren. Seit wir beiden damals, vor etlichen Jahren, ganz alleine vom Krankenhaus zurückgekehrt waren, in dem wir uns von unseren Eltern verabschieden durften, war es anders hierher zu kommen.

Irgendwie starb die Hoffnung nie, die Stufen hinaufzulaufen, die Tür aufzureißen, die Schuhe von den Füßen zu kicken, nach Ma und Dad zu rufen und tatsächlich eine Antwort zu bekommen. Sei es nur ein Genörgel darüber, dass man es doch wohl nie lernen würde, seine Schuhe richtig abzustellen, statt im ganzen Flur zu verteilen.

Wie ich sie vermisste.

„Was ist los? Du schaust so traurig!", riss mich seine sanfte Stimme aus dem nie endenden Albtraum. Klar lebte man mittlerweile seit Jahren damit und meistens tat der Gedanke nicht mehr ganz so weh, wie am Anfang, aber irgendwo tief im Herzen saß da dieser Stachel und würde wohl bis zum eigenen Lebensende ab und an diese Wunde tief in einem aufreißen.

Vorsichtig legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel und drückte leicht zu, als würde er meine Gedanken lesen können.

„Ich musste an meine Eltern denken ...", sagte ich mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. „Sie hätten dich sicherlich gemocht!"

Das war die Wahrheit. Meine Ma hätte den armen Michael sicherlich mit Haut und Haaren gefressen, so niedlich wie er war, und Dad hatte so viele Freunde unter Ärzten, da wäre ihnen gewiss nie der Gesprächsstoff ausgegangen.

„Du vermisst sie ..." Es war keine Frage, die einer Antwort bedarf. Er stellte es einfach nur fest und ich dankte ihm innerlich dafür, dass er nicht Sachen sagte, wie ‚es wird besser' oder ‚es vergeht'. Denn das würde es nicht. Nur die Tage an denen es eben ganz schlimm war und man nicht wusste, wie man so weiterleben konnte, wurden seltener.

„Da schau mal!", deutete ich ablenkend aus dem Fenster, von wo aus man in der Ferne, auf einem kleinen grünen Hügel unser Zuhause sah.

Es war ein typisches Bostenhaus, mit einer großen, weißen, überdachten Terrasse und der Traum meiner Ma. Mit der geschotterten Auffahrt und den zwei großen Trauerweiden, schon von weiten ein Hingucker. Selbst jetzt im Frühjahr, wenn sie nackt waren, thronten die beiden Bäume majestätisch neben dem Haus und schienen es zu beschützen.

„Das ist euer Haus?", bewundernd drückte er sich fast die Nase platt. „Es ist wunderschön!"

Das war es in der Tat. Langsam bog ich in den Schotterweg und fuhr den geschlungenen Weg den Hügel hinauf.

Nur noch ein paar Meter und wir würden ankommen. Gänsehaut überzog meine Arme und ich atmete tief durch, bevor ich das Auto vor unserer überdachten Veranda parkte.

Die Haustür öffnete sich und eine ältere Frau trat auf die Stufen. Sofort hielt Michael in seiner Bewegung inne.

„Schon gut! Das ist Ilsa unsere frühere Haushälterin. Sie schaut immer noch nach dem Haus und heizt ein, wenn wir uns anmelden und zu Besuch kommen.", beruhigt ich meinen Freund und öffnete ebenfalls die Tür. Eigentlich hatte ich gedacht, wir wären alleine, wenn wir ankommen würden, aber so konnte man sich täuschen.

„Guten Morgen, Sonnenschein!", begrüßte sie mich donnernd und stemmte ihre Hände in ihre wohlgeformte Masse. Mit ihren knapp siebzig Jahren konnte sie immer noch sehr einschüchternd wirken.

„Morgen, Ilsa! Schön dich zu sehen!", grüßte ich minimal mürrisch zurück und lief die wenigen Stufen hinauf, um sie in die Arme zu schließen. Fest drückte sie mich an ihren weichen Leib und ein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase.

Mr. Unverbesserlich (Mr. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt