15. Finn - Desaster

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„Nein ...", stöhnte ich entsetzt in den Hörer. „Das kannst du mir nicht antun! Nicht jetzt! Ich kann das nicht alleine!"

Ich wusste gerade echt nicht, ob ich hysterisch lachen oder hysterisch heulen sollte, wobei ich eher zum Letzteren tendierte. Wieso zum Henker passierte sowas ausgerechnet mir? Grundsätzlich immer mir! Ich war doch brav, lieb und anständig! Okay, okay, ich war weder brav noch anständig, aber immerhin meistens lieb. Wieso musste das Universum darum ausgerechnet mich so bestrafen?

„Okay ...", seufze ich widerwillig und legte auf. Das da jede weitere Diskussion für den Arsch war, war sogar selbst mir klar.

„Ahhhhhrrrgg!", schrie ich mir deshalb die Seele aus dem Leib, kaum, dass ich mein Handy ins nächste Eck gepfeffert hatte. „Fuck, fuck, fuck!!!!" Wie sollte ich bitteschön nun mit dieser beschissenen Situation umgehen? Außer Ausflippen fiel mir gerade in der Tat nichts Besseres ein.

Wie von der Tarantel gestochen lief ich also haareraufend in meinem Zimmer auf und ab und verfluchte Gott und die Welt. Schließlich hing meine ganze Existenz am seidenem Faden.

„Hey, was ist los?", erschien Arne besorgt fragend in meiner Tür.

„Verdammte Kotzkacke!", donnerte meine Stimme wütend von den Wänden wieder, dass ich selbst zusammen zuckte. „Wahhhhhh ...", flippte ich endgültig aus, um endlich den inneren Druck, der mich zu zerreißen schien, loszuwerden. Ich musste etwas zerstören. Panisch blickte ich mich im Zimmer um. Nur was? Mein wohl etwas verrückter Blick, blieb an meinem Buchregal hängen. Da hatte ich mein Ziel gefunden. Die hatten es tatsächlich verdient.

Immer noch rasend vor Wut überquerte ich die wenigen Schritte zu meinem Regal und griff nach dem ersten meiner Bücher und klatschte es mit voller Kraft an die Wand. Huch! Das tat gut. Also griff ich nach dem nächsten Buch und donnerte auch dieses, voller Wucht, hinterher.

„Was ist denn hier los?", ließ mich Michaels entsetzte Stimme in meinem nächsten Wurf innehalten. Wo kam er auf einmal her? Augenblicklich war er bei mir und musterte mich besorgt. Ich brauchte kein Mitleid, ich wollte lediglich, das alles wieder so wurde, wie noch vor zehn Minuten. Die Welt sollte wieder rosig, mit Regenbogen und Einhörnern sein und nicht Blitz, Donner und Hagel!

„Hey ...", flüsterte er liebevoll und griff nach meiner Hand, in der ich mein aktuelles Opfer fest umklammert hielt. „Jetzt atme mal tief durch und dann erzähl mir, was passiert ist." Seine Finger rutschten meinen Unterarm runter und nahmen mir sanft das Buch aus der Hand. Niedergeschlagen ließ ich den Arm sinken. Die Wut in mir drin war verpufft und ich fiel schluchzend um Michaels Hals.

„Sie ...", würgte ich immer noch fassungslos hervor. „Sie verlässt mich!"

„Psch ...", erklang tröstend seine Stimme an meinem Ohr, während er mich fester in den Arm schloss „Wer verlässt dich?"

„Ich ... ich ... ich dachte, sie hätte einfach nur zugelegt ..." Dicke, fette Tränen kullerten meine Wangen hinab. Dank seines Trostes konnte ich mich gar nicht mehr zurückhalten. „Wer hätte denn ahnen können, das sie ein Baby bekommt? Und mich jetzt einfach verlässt."

Artig tätschelte der Doc meinen Rücken und versuchte, mich zu beruhigen, doch stattdessen heulte ich nur noch mehr. Wieso war die Welt so ungerecht? Hätte sie nicht einfach nur fett werden können? Aber nein, sie platzte lieber gleich! Und hörte auf zu arbeiten. Für ganze drei Jahre! Gott, wusste sie nicht, wie lange drei Jahre sein konnten? Was sollte ich jetzt nur machen? Wie um alles in der Welt könnte ich jetzt noch meine Bücher zu Ende bringen?

Vom ersten Werk an, war sie an meiner Seite. Sie beherrschte diese Zuckerbrot und Peitschen Sache wie eine Weltmeisterin und war die Einzige, die mir gehörig in den Allerwertesten trat, wenn ich Mist schrieb, oder meine Termine verpasste.

„Lass uns erst einmal hinsetzen, dann kannst du mir in Ruhe erzählen, was genau passiert ist!" Dabei löste er meine Arme von seinem Nacken und zog mich mit zu meinem Bett. Widerwillig folgte ich ihm und ließ mich schlussendlich neben ihm nieder.

„So und jetzt nochmal von Anfang an. Wer bekommt ein Baby? Und warum wirst du dann verlassen?!" Michael schien tatsächlich ratlos zu sein, denn ein fettes Fragezeichen prangerte in seinem Gesicht.

„Meine Lektorin ...", seufze ich, wischte mit dem Handrücken über meine feuchten Augen und zog recht unschön den Rotz hoch. Aber ich hatte gerade andere Probleme, als zu gefallen. „Sie bekommt morgen ihren Kaiserschnitt und dann fällt sie für mindestens drei Jahre aus."

„Und das wusstest du nicht?", wollte er entsetzt wissen.

Verneinend schüttelte ich den Kopf.

„Und dir ist nicht aufgefallen, dass sie mittlerweile scheinbar hochschwanger ist?"

Wieder konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Na ja, wenn ich so darüber nach dachte, gab es da schon Anzeichen. Und vielleicht hatte sie ja auch das ein oder andere Mal sowas in der Art erwähnt. Aber ich dachte, sie nahm mich auf den Arm. Wollte mich einfach nur ärgern. Wer dachte schon dran, dass die zweitwichtigste Person seines Lebens, einen einfach so verließe? Für Windeln wechseln und schlaflose Nächte!

„Aber du bekommst doch sicherlich Ersatz!", stellte der kluge Onkel Doc fest. Ja, natürlich bekam ich Ersatz. Und da lag auch das nächste Problem. Ich kannte diesen Kerl nicht. Er war jung und neu! Der hatte doch bestimmt keine Ahnung und dann bekam ausgerechnet ich ihn an die Backe gedrückt. Wie sollte der mich im Griff haben und das Beste aus mir rausholen? Der war doch bestimmt noch ganz grün hinter den Ohren!

„Ja ...", stöhnte ich und hätte erneut in Tränen ausbrechen können. Ade schöner Arztroman, du wirst wohl jetzt nie fertig werden! Oh Gott, ich würde nie wieder eine Geschichte zu Ende bringen ... Den Schluchzer aus der Tiefe meiner Seele konnte ich einfach nicht aufhalten.

„No, No ...", tröstend nahm er mich erneut in die Arme. Wäre ich nicht total fertig, hätte mir die Situation, ich in den Armen des sexy Doktor, total gefallen. Aber da konnte man mal sehen, wie von der Rolle ich war. Nicht einmal diese Tatsache konnte mich trösten.

„Er macht bestimmt alles kaputt! Ich werde nie wieder ein Buch schreiben können!", heulte ich wieder los und sah die Welt tatsächlich nur noch in Schwarz. Das Leben war aber auch ungerecht zu mir.

„Na, jetzt hör aber mal auf!", wurde ich sogleich von Michael gerügt. „Hat denn deine Lektorin die Bücher geschrieben, oder du selbst?"

„Ich ... aber!" „Kein aber!", fiel er mir ins Wort. „Dann wirst du auch weiterhin Bücher schreiben und sie auch zu Ende bringen!" Irgendwie schien es mir, dass der Doktor nicht gerne Widerrede hörte. Also rückte ich beleidigt von ihm ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Willst du jetzt schmollen?", wollte er, wenig beeindruckt von meinem Auftritt wissen. Demonstrativ sah ich weg und betrachtete die schöne weiße Wand hinter meinem Bett.

„Finn! Du bist doch der Psychologe, jetzt atme tief durch und denk nach. Kann es nicht sein, dass du gerade in deiner bipolaren affektiven Störung einen Schub hast und deswegen alles so ausweglos erscheint? Du bist ein toller Schriftsteller und wirst deinen Weg auch vorerst ohne diese Lektorin gehen! Wenn du demjenigen eine Chance gibst, der für sie einspringt, dann kann er dir bestimmt beweisen, dass er auch einen guten Job macht!"

Natürlich wusste ich, dass ich es übertrieb, aber ich konnte nun mal nicht aus meiner Haut. Störung hin oder her, es war einfach nur Scheiße, mich jetzt auf jemand völlig Neuen einzustellen. Vor allem jemanden, den ich noch nie zu vor gesehen hatte.

„Na, komm schon! Deine Lektorin bekommt ein Baby, ist das nicht eigentlich ein Grund zur Freude?!", setzte der gute Doktor noch an und appellierte ganz deutlich an mein schlechtes Gewissen. Und verdammt es wirkte! Natürlich hatte er recht, und ich hatte Julia total gerne, also sollte ich mich auch wirklich für sie freuen.

„Okay!", gab ich nach, stand von meinem Platz auf und holte mir erst einmal ein Taschentuch. „Dann fahren wir jetzt einkaufen!", fügte ich an, nachdem ich kräftig geschnäuzt hatte.

„Einkaufen?"

„Klar!" Grinste ich nun zuversichtlich. „Wir brauchen doch ein Geschenk für das Baby! Ich lass mir doch nicht nachsagen, dass ich an sowas nicht gedacht habe!"

Mr. Unverbesserlich (Mr. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt