Kapitel 13

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Als Hermine aufwachte, war das Zimmer, in dem sie lag, von Tageslicht durchflutet. Einen Moment war sie kurz darüber verwundert, dass Draco nicht da war. Was für ein unsinniger Gedanke. Er würde hier ja wohl nicht die ganze Nacht sitzen bleiben. Sie setzte sich auf und fuhr sich durch ihre wirren Haare. Sie dachte darüber nach, warum sie eigentlich hier war und ihr fielen die Gesprächsfetzen von Draco und Harrys Streit ein. Wahrscheinlich hatten die beiden beschlossen, dass es hier momentan sicherer für sie war. Harry würde wohl Dracos Wohnung dreifach absichern lassen. Obwohl sie bezweifelte, dass das helfen würde. Dieser Kerl war bis jetzt in jede Wohnung gekommen. Egal ob das Gebäude gesichert war oder nicht.

Sie stand vorsichtig auf und ging verdutzt zu einem Sessel, auf dem ihre Reisetasche lag. Sie griff nach einem Zettel, der sich darauf befand, und entfaltete das Stückchen Papier. „Hermine, ich habe dir ein paar Sachen aus der Wohnung geholt. Bin bei Potter im Ministerium. Verlasse das Grundstück nicht." las sie die kurze Nachricht von Draco und legte den Zettel zur Seite. Sie öffnete die Tasche und griff nach ihren Kosmetikartikeln. Sie ging ins angrenzende Bad und stellte sich unter die Dusche. Das heiße Wasser prasselte auf sie herab und Hermine versuchte ihre aufgeschobenen Gedanken von gestern Nacht zu ordnen. Zu versuchen sich darüber klar zu werden, was eigentlich hier gerade passierte.

Dieser Mörder. Dieser Kerl, hatte zahllose Menschen auf dem Gewissen und wie es aussah war sie der Grund dafür. Aber wieso? Hatte sie irgendjemanden verärgert? Beleidigt? Sein Leben zerstört? Selbst wenn, rechtfertigte das so eine Bluttat? So ein Massaker? Und wieso verdammt brachte der Kerl nicht einfach nur sie um? Wieso diese vielen Morde? Sie war sich sicher, dass das alles wegen ihr geschah. Diese Ähnlichkeit mit dieser jungen Frau war bestimmt kein Zufall. Solche Zufälle gab es einfach nicht. Doch wie sollte Hermine überhaupt begreifen, dass sie der Grund für diese Morde war? Und vor allem warum? Es war ein Teufelskreis. Jede neue aufgeworfene Frage zog eine andere hinter sich her.

Draco... Er hatte seine neue Familie verloren. Seine Verlobte, seinen ungeborenen Sohn. Sein Leben lag in Trümmern. Er selbst war nur knapp dem Tod entgangen. Hatte um sein Überleben gekämpft, um das zu bekommen was auch Hermine wollte. Rache. Doch wie sollte sie weiter mit ihm umgehen, wenn sie wusste, dass es ihre Schuld war. Allein ihre Schuld. Wie sollte sie mit dieser Gewissheit leben? Wie konnte sich Draco überhaupt noch um sie kümmern? Sie wusste es nicht. Sie lehnte ihren Kopf schwerfällig an die gläserne Wand der Dusche und versuchte sich auf das prasseln des heißen Wassers zu konzentrieren, um ruhig zu werden. Es funktionierte.

Zögerlich wagte sie sich frisch geduscht und angezogen ins Erdgeschoss. Das Manor hatte sich nach dem Krieg verändert und trotzdem verspürte sie immer noch eine Gänsehaut, wenn sie das Haus betrat, weshalb sie es eigentlich mied hier zu sein. Sie war froh gewesen, als Draco damals mit Astoria in eine Wohnung gezogen war. Doch wenn Harry und Draco meinten, dass sie hierbleiben sollte, dann tat sie das. Sie sah sich unsicher in der Eingangshalle um und zuckte kurz zusammen, als Narzissa aus dem Salon trat: „Hermine." Sie wurde umarmt und Hermine strich sich nervös ihre Haare nach hinten.

Narzissa fuhr mütterlich ihre Arme rauf und runter: „Blass siehst du aus. Hast du Hunger? Ich wollte dich nicht wecken, aber der Frühstückstisch ist reichlich gedeckt." Sie nahm Hermine an der Hand und führte sie in einen Wintergarten. Der Tisch dort war wirklich reichlich gedeckt. „Setz dich," sagte sie und drückte Hermine auf einen Stuhl, bevor sie sich ihr gegenüber setzte. „Tee? Kaffee? Saft?" Hermine blinzelte ein paarmal um die Informationen zu verarbeiten. „Ich denke Kaffee." Narzissa schenkte ihr eine Tasse ein und griff vorsichtig nach der Tasse. Sie starte Sekunden auf ihre Tasse und Narzissa fragte besorgt: „Hermine?"

„Ist Draco schon lange weg?" wollte sie wissen. Narzissa atmete angestrengt aus: „Ja. Er ist heute sehr früh aufgestanden, hat ein paar Sachen von dir aus seiner Wohnung geholt und ist dann ins Ministerium zu Potter gegangen." „Vielleicht sollte ich auch ins Ministerium?" murmelte sie leise und Narzissa lächelte sie milde an: „Ich denke das ist keine gute Idee Hermine." Hermine sah unsicher zu ihr auf: „Aber ich kann doch nicht hier einfach bleiben. Ich kann nicht die ganze Zeit... Draco hat schon so viel für mich getan und... ich bin doch Schuld daran." Narzissa griff nach ihrer Hand: „Was redest du denn da? Hermine es ist nicht deine Schuld. Was dieser Mann tut... egal aus welchen Gründen, ist nicht deine Schuld."

Hermine strich sich die ersten aufkommenden Tränen weg und Narzissa sah sie besorgt an: „Geht's?" Sie nickte stumm. „Du solltest etwas Frühstücken. Sonst bekommen wir mit Draco ärger." Hermine musste leicht schmunzeln und als sie zögerlich nach einem Brötchen griff, schenkte sich Narzissa selbst Tee in ihre Tasse ein. Sie frühstückten in aller Ruhe und Hermine war sich ganz sicher, dass Draco seine Mutter auf Hermine angesetzt hatte, um sich um sie zu kümmern. Hermine durchschaute das sofort, besonders als Narzissa fragte, was Hermine heute vorhabe. Sie zuckte unwissend die Schultern. Sie sollte ja nach Dracos Anweisung das Grundstück nicht verlassen. „Ich weiß nicht. Was machen Sie den heute?"

„Bitte Du. Das ist schon lange überfällig. Du hast Draco so geholfen," warf sie ein und Hermine nickte erneut: „In Ordnung." „Ich will einige Sachen umräumen und aussortieren." „Was für Sachen?" fragte Hermine nach. Narzissa schien zu zögern, bevor sie doch antwortete: „Einige Dinge die Astoria und Draco damals für das Baby besorgt haben." „Oh." „Ich hab sie damals hierher gebracht. Draco will sie nicht mehr sehen und sollte er jemals wieder mit jemanden zusammenkommen und wohlmöglich doch noch Kinder kriegen, wird er diese Dinge ganz gewiss nicht hernehmen." Natürlich würde er das nicht. Sie erinnerten ihn an das, was er hatte und nie wieder bekommen würde.

„Die Dinge sind nagelneu. Es wäre eine Verschwendung sie hier verstauben zu lassen. Einige Kinder von alten Freunden, bekommen jetzt selbst Nachwuchs. Ich werde sie ihnen schenken," erklärte Narzissa weiter. „Das ist wirklich sehr nett. Kann ich helfen?" „Oh... nun wenn du willst und denkst, dass dir das nichts ausmacht?" „Das macht mir nichts. Wirklich nicht," versicherte ihr Hermine und Narzissa nickte: „Na schön. Dann fangen wir doch am besten gleich nach dem Frühstück damit an." Hermine nickte ihr zu. Etwas zu tun und nicht nur rumzusitzen und nachzudenken würde ihr gut tun. Allerdings stellte sie schon nach einigen Minuten fest, dass es ihr wesentlich unangenehmer war, als zuvor gedacht.

Die paar Sachen stellten sich als ein gigantisches Zimmer heraus, dass von oben bis unten vollgestopft war. Nicht nur mit Babymöbel und Kleidung, sondern auch mit Möbeln, die Hermine aus Dracos altem Zuhause kannte. Gegenstände die eindeutig Astoria gehörten, sowie Kisten voller Kleidung von ihr. Das schlimmste waren jedoch die Babysachen. Wäre es nie zu diesem Überfall gekommen, würde Hermine jetzt einen gigantischen Bauch vor sich her tragen. Sie würde wissen ob sie einen kleinen Sohn oder eine kleine Tochter in wenigen Wochen in den Armen halten würde. Sie hätten das Kinderzimmer in der passenden Farbe gestrichen. Möbel und Spielsachen besorgt und ebenso winzige Strampler, wie sie Hermine gerade in den Händen hielt, bereits in den Schränken verstaut.

Wahrscheinlich hätte Mike seinen Arbeitskollegen jede Kleinigkeit von der Schwangerschaft erzählt, sowie Draco ihr damals alles erzählt hatte. Seine Laune damals war erschreckend für einen Draco Malfoy gewesen, aber Hermine hatte es gemocht. Sie hatte es geliebt wenn Draco morgens schon da war und ihr ein neues Ultraschallbild unter die Nase gehalten hatte. Er wäre ein grandioser Vater geworden, da war sich Hermine damals schon sicher gewesen. Sie drückte einen kleinen Stoffbären an sich und versuchte die Erinnerung festzuhalten, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war. Es war eine schöne Erinnerung, auch wenn sie Hermine jedes Mal von neuem traurig machte.

Sie griff nach einer neuen Kiste um sie durchzusehen und hielt inne, als sie eine schwarze Schachtel fast frech angrinste. Zögerlich griffen ihre Finger danach und öffneten die kleine Box, um nur wenige Sekunden später eine Hellblauen Flakon in den Händen zu halten. PRAESTRICTUS AQUA stand kunstvoll auf dem Fläschchen. Hermines Hals fühlte sich enger an. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde für einen Marathon schlagen. Fast wie von selbst öffnete sie das Fläschchen und roch daran. Es war wie ein Blitzschlag. Plötzlich war alles wieder da. Sie fühlte sich in der Zeit zurückversetzt. Hatte das ungute Gefühl, wieder am Küchenboden ihres Hauses zu liegen und gegen die Schmerzen anzukämpfen.

„Das habe ich ja völlig vergessen," drang die Stimme von Narzissa amüsiert an Hermines Ohr und sie blinzelte fast wie in Trance zu der Älteren hoch: „Wie?" Narzissa zog ihr das Fläschchen aus der Hand. „Das habe ich Draco zu seinem vierzehnten Geburtstag geschenkt." „Geschenkt?" Narzissa lächelte: „Ja. Ich dachte er könnte so was brauchen. Er hat es nie hergenommen. Er hat es gehasst. Aber er hat es aufgehoben. Wohl um mich nicht zu kränken." Hermine atmete fast erleichtert aus: „Also benutzt er es nicht." Narzissa schüttelte den Kopf: „Nein. Er hasste es. Er kann diesen Duft nicht ausstehen. Heute noch weniger als damals als Teenager."

Sie reichte das Parfüm wieder Hermine und griff nach einem Stapel von Babybodys: „So viele ungenutzte Kleidung." Hermine achtete gar nicht mehr auf Dracos Mutter, sondern fuhr vorsichtig mit den Fingern über die Flasche, bevor sie sie wieder in die Schachtel steckte und die Schachtel in ihrer Westentasche verschwinden ließ. Sie wusste nicht wirklich warum sie das tat. Aber sie hatte dieses blöde Gefühl, dass diese Flasche nicht einfach hier rumliegen sollte. Sie wusste generell nicht, was sie davon halten sollte. Ihr kamen es wie Stunden vor, als sie in dem Gästezimmer saß und die Flasche wieder in der Hand hielt.

Von Draco kannte sie diesen Duft nicht. Da war sie sich sicher. Draco hatte noch nie nach diesem Herrenduft gerochen. Er hatte etwas... Natürlicheres. Unaufdringliches. Wo hatte sie diesen Duft schon mal gerochen? „Was machst du gerade?" ertönte Dracos Stimme und sie wandte den Kopf zur Tür. Sie schüttelte stumm den Kopf und Draco schloss leise die Tür, bevor er sich ihr gegenüber aufs Bett setzte. „Was ist los?" Hermine hielt ihm das Fläschchen hin und Draco kniff kurz die Augen zusammen: „Woher hast du das?" „Ich hab deiner Mutter heute geholfen beim Aussortieren einiger Sachen," erklärte sie leise.

Ihm schien ein Licht aufzugehen: „Das hab ich zum Geburtstag bekommen." Er griff nach der Flasche. „Das habe ich fast schon vergessen." Hermine schluckte: „Draco... das ist dieser Duft." Er sah sie stumm fragend an. „Der Duft, den der Täter in der Nacht an sich getragen hat." Sein Gehirn schien zu arbeiten: „Du glaubst doch nicht, dass ich dich überfallen habe?" Sie hob sofort ihre Hände entschuldigend an: „Nein. Nein, das glaube ich nicht. Ich weiß, dass du es nicht warst. Du könntest so was nicht. Niemals." Er musterte die Flasche: „Es ist genau dieser Duft?" „Ja." „Das ist nicht gut oder?" Hermine dachte darüber nach. „Wir sollten es vernichten." „Aber ich hab nichts gemacht," erwiderte er energisch.

Hermine stand auf und ging ins angrenzende Bad. Draco folgte ihr: „Was machst du da?" Sie schraubte den Flakon auf und lehrte den Inhalt ins Waschbecken. Sie stellte das Wasser an und ließ es laufen, damit dieser verfluchte Duft verschwand. „Wir zerstören es. Dann müssen wir uns darüber nie mehr Gedanken machen. Nie mehr," sagte sie während sie versuchte das Zittern zu unterdrücken. „Hermine..." Sie schob Draco energisch zur Seite, immer noch die leere Flasche in der Hand und zog aus ihrem Koffer einen Seidenschal. „Was tust du da?" wollte Draco wissen, als sie die Flasche darin einwickelte. Hermine griff nach einem dicken Wälzer, während sie das eingewickelte Fläschchen auf das Sideboard legte „Nach was sieht's den aus?" fragte sie gegen und schlug mit voller Wucht das Buch auf die leere Parfümflasche. Das filigrane Glas zersprang sofort.

„Aus den Augen, aus den Sinn," presste sie schwer hervor, entzündete den Kamin und schmiss den Schal mit den Scherben darin in die Flammen. Sie sah dabei einige Sekunden zu und merkte jetzt erst wie schnell sie atmete und das ihr Gesicht nass von Tränen war. Sie ließ sich auf den kleinen Zweisitzer fallen und fuhr sich fahrig über die Stirn, während sie schluchzte. Sie zuckte nicht zusammen, als Draco erst vorsichtig über ihr Haar und ihren Rücken strich und sich dann neben sie setzte und sie behutsam in seine Arme zog. „Schon gut. Lass es raus." „Es soll endlich aufhören. Mach das es aufhört Draco." Sie merkte wie er den Kopf schüttelte: „Das kann ich nicht Granger. Das kann ich nicht."


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