Diana Meyer irrte sich und zwar gewaltig. Sie hatte Hermine gelobt. Ihr Mut zugesprochen. Mit ihr darüber geredet, dass Hermine versuchte die Dinge hinter sich zu lassen, die sie sowieso nicht ändern konnte. Doch nichts davon war wahr. Nichts davon entsprach der Wahrheit. Sie ließ nichts hinter sich, sie war nur schon immer eine begabte Schauspielerin gewesen. Sie hatte genau den gleichen Rachedurst den Draco hatte, auch wenn sie im Gegensatz zu ihm versuchte ihr Leben unter Kontrolle zu behalten. Wenn sie versuchte ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Irgendwie. Aber sie merkte immer wieder wie schwach und kaputt sie eigentlich wirklich war.
Sie hatte sich mutig gefühlt alleine loszuziehen und diesem Hinweis nachzugehen. Euphorisch war ihr Tatendrang. Sie hatte sich nützlich gefühlt und keine Sekunde daran gedacht welche Konsequenzen das alles haben könnte. Erst als Draco es ihr an den Kopf geworfen hatte, verstand sie langsam, welcher Gefahr sie sich ausgesetzt hatte. Sie war zu Beginn wütend gewesen. Aufgebracht darüber, dass sogar er, Draco, sie wie ein kleines Kind behandelte. Ein Mädchen, welchem man ja nicht zu viel zutrauen durfte, weil es sonst kaputt gehen könnte. Erst nach und nach kamen die Angst, die Trauer, die Einsamkeit und die Hilflosigkeit wieder.
Sie hatte Dracos Nähe gesucht und fand ihn schlafend auf dem Sofa. Er machte sich so viele Gedanken. Gedanken über den Serienkiller. Gedanken über die Opfer. Gedanken um sie. Und wie dankte sie es ihm? Indem sie ihn Stundenlang warten ließ ohne ihm Bescheid zu sagen. Es war töricht. Sie hätte nicht alleine gehen sollen. Sie hätte Draco Bescheid sagen müssen. Sie hatte sich vorgenommen sich morgen bei ihm zu entschuldigen, während sie Draco zugedeckt hatte und sich selbst in seinem Zimmer verkrochen hatte. Sie hatte geweint und sich dabei an ein Kissen geklammert. - Dann war sie irgendwann eingeschlafen.
Wie üblich war sie morgens früh aufgestanden, hatte Frühstück gemacht und war gerade oben, als die Psychologin, pünktlich wie immer, an der Haustür klingelte. Sie hatte das Gespräch mit der Seelendoktorin gut über die Bühne gebracht und wollte dann, nachdem Diana verschwunden war, eigentlich mit Draco reden. Sich bei ihm entschuldigen und mit ihm die ganze Sache nochmal durchgehen. Doch Draco hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Einen Strich den er nicht freiwillig machen wollte. Hermine begriff es immer noch nicht. Sie fühlte sich taub an. Als wäre sie in einem grausamen Albtraum gefangen der einfach nicht enden wollte. Sie hörte Harry nicht zu, der mit Draco über die junge Frau sprach die man tot aufgefunden hatte.
„Ich will sie sehen," warf sie mitten in dem Gespräch zwischen Draco und Harry ein. Die Beiden jungen Männer sahen sich kurz unsicher an, weshalb Hermine ihre Forderung wiederholte: „Harry, ich will sie sehen." „Hermine ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist." Hermine verschränkte aufgebracht die Hände vor der Brust: „Ich will sie sehen Harry. Verdammt nochmal!" Harry schien zu zögern, bevor er nickte: „Na schön. Kommt mit." Draco und Hermine folgten ihm und sie war froh darüber, dass es bereits abends und somit fast keiner mehr im Ministerium anwesend war. „Bist du dir sicher?" hörte sie Draco flüstern, als sie in den Aufzug stiegen und weiter nach unten fuhren - in die Rechtsmedizin und Laborabteilung.
Hermine nickte stumm. Schon als Draco ihr heute Morgen von dieser Frau erzählt hatte, war für Hermine klar gewesen, dass sie sie sehen musste. Hier unten war es kühl. Hermine sah, dass noch Licht brannte und war nicht besonders überrascht den Rechtsmediziner Dr. Carlos Rieder zu sehen, welcher wiederum verwundert von seinem Schreibtisch aufsah, als sie zu dritt die Abteilung betraten. „Carlos wir würden gerne das Opfer sehen," erklärte Harry. Der etwas dickere Mann mit der grauen Halbglatze nickte stockend: „Natürlich. Ich schreib gerade den Bericht." Hermine ging den drei Männern langsamer hinterher, als sie den Untersuchungsraum betraten und sie erkannte sofort, dass noch jemand auf dem Untersuchungstisch lag. Zugedeckt mit einem Laken.
Hermine verschränkte fest ihre Arme und grub ihre Fingerspitzen dabei in ihre Oberarme, um sich selbst Mut zuzusprechen. Sie bekam kaum mit, wie Harry Dr. Rieder leicht zunickte und Rieder das Leichentuch wegnahm. Hermine rührte sich nicht. Draco hatte Recht. Sie könnten Schwestern sein. Ihr Gesicht war bleich. Die Augen geschlossen. Hermine erkannte Blutergüsse und Schrammen im Gesicht und an den Armen. Ihr Haar wirkte matt und glanzlos in dem seltsamen grellen Licht. Hermine merkte wie ihr Herz unregelmäßig schlug. „War kein angenehmer Tod," erklärte Rieder und griff nach einem Klemmbrett. „Zahlreiche Prellungen und Quetschungen. Gebrochenes Sternum. Linke Fibula ebenfalls gebrochen, sowie ihr rechter Arm. Fast alle Brustwirbel waren angebrochen."
Rieder seufzte: „Ihre rechte Schulter war ausgerenkt und anscheinend hat sie von ihrem Angreifer einen heftigen Schlag auf ihr Scheitelbein bekommen?" „Ist sie daran gestorben?" fragte Draco und der ältere Mann schüttelte den Kopf: „Nein. Sie wurde erwürgt. Zumindest deuten die Male an ihrem Hals darauf hin. Aber der Täter ist brutal dabei vorgegangen. Er hat ihren Hals regelrecht zerdrückt und hat sie dann einfach in den Fluss geworfen. Armes Ding, hat sich wohl sehr gewehrt." „Hast du brauchbare Spuren, Carlos?" hakte Draco weiter nach. „Nein. Wir haben zwar Stoffrückstände und andere Materialen gefunden. Aber keine Haut, keine Haare..." „Also keine DNA," vervollständigte Draco seinen Satz.
„Wie war ihr Name nochmal?" wollte Hermine wissen und konnte sich nicht von dieser jungen Frau lösen. „Delia Forststetter," antwortete Rieder und räusperte sich unsicher. „Ich muss sagen, als ich sie auf dem Tisch hatte, dachte ich beim ersten Hinsehen sie seien es Miss Granger." Hermine hörte ihm gar nicht richtig zu. In ihrem Kopf wiederholte sich immer wieder dieser eine Name. Delia Forststetter. Delia Forststetter. Sie fuhr sich fahrig über die Stirn, während Harry fragte, ob das Labor schon etwas Brauchbares hatte. In ihren Ohren rauschte es und sie zuckte zusammen, als Harry besorgt fragte: „Hermine, ist alles in Ordnung?" Sie schluckte und schüttelte dann den Kopf: „Mir ist schlecht. Ich muss hier raus."
Sie eilte aus dem Raum und stürzte nur zwei Türen weiter in die Toiletten. Sie übergab sich und atmete stockend. Ihr machte der Anblick toter Menschen nie so zu schaffen. Natürlich war es immer schrecklich Leichen zu sehen. Aber das hier war was völlig anderes. Was ganz anderes. Erst nach fünf Minuten raffte sich Hermine von dem gefliesten Boden auf und taumelte leicht zu den Waschbecken. Sie spülte ihren Mund aus und spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Das hier war eindeutig zu viel für sie. Viel zu viel. Sie schluchzte und klammerte sich an dem cremefarbenen Waschbecken fest. Als die Tür aufging sah sie auf und senkte sofort wieder den Blick.
Draco atmete schwer aus und schloss die Tür hinter sich. „Hermine..." Sie hob leicht die Hand damit er still war. Sie wollte das jetzt nicht hören. Er schwieg und Hermine versuchte sich zu beruhigen. „Es ist meine Schuld," wisperte sie nach einiger Zeit und Draco schüttelte den Kopf: „Nein." Sie sah ihn an: „Doch ist es. Dieser Kerl... sieh sie dir doch an Draco. Das ist doch kein Zufall. Blaise hat recht mit seiner Theorie. Er ist hinter mir her. Nur hinter mir." Sie raufte sich die Haare: „Die ganzen Leute... Astoria... das ist alles meine Schuld." „Hör auf damit," verlangte Draco und noch mehr Tränen bahnten sich den Weg frei: „ABER ES IST WAHR! Er war anscheinend die ganze Zeit hinter mir her. Die anderen waren nur unnötige Opfer. Keiner von ihnen hätte sterben müssen..."
Sie verstummte, als Draco sie fest an den Schultern packte und leicht schüttelte: „Du sollst damit aufhören! Das ist nicht wahr Hermine. Hörst du? Du hast nichts damit zu tun." Sie ließ kraftlos und schluchzend ihren Kopf sinken und Draco nahm sie vorsichtig in den Arm. „Es ist nicht deine Schuld Hermine. Dieser Kerl ist ein Irrer. Du hast nichts mit seinen Taten zu tun. Was er gemacht hat geht auf seine Kappe, nicht auf deine." Sie wollte ihm so gern glauben. So gerne. Doch sie konnte nicht. Sie war Schuld. Dieses Monster wollte sie und hatte dafür dreiundvierzig Menschen ausgelöscht. „Ich kann das nicht mehr. Ich schaff das nicht..." schluckte sie schwer und weinte weiter. Sie bekam kaum noch mit, dass Draco sich zu Harry wandte, als dieser die Toilette betrat und ihm zu murmelte: „Hol einen Heiler."
Hermine fühlte sich wie in Trance. Als würde sie gar nicht anwesend sein, als Draco sie zurück ins Büro von Harry brachte und kurze Zeit später ein Heiler auftauchte und ihr irgendetwas verabreichte - zur Beruhigung vermutlich. Sie hörte nicht einmal richtig dem Streit zu den Draco und Harry führte, während sie auf der breiten Ledercouch lag. Sie stritten über ihren weiteren Aufenthalt. Nur Wortfetzen hörend ging es wohl darum, dass Dracos Wohnung erst gesichert werden sollte. Doch Hermine verschwendete keinen Gedanken daran, ob Dracos Wohnung sicher genug wäre oder nicht. Sie beschäftigte nur ein Gedanke: Wieso brachte dieses Monster so viele unschuldige Menschen um, wenn es um sie ging?
Sie verstand es nicht? Sie fand die Lösung nicht. Die Logik die doch eigentlich hinter so was stecken musste. Sie war Schuld. Sie war der Grund weshalb dreiundvierzig Menschen aus ihrem Leben gerissen wurden. Umsonst. Ohne Zweck. Sie war schon wieder dafür verantwortlich, dass Menschen starben. So wie bei ihren Eltern. Ihr Herz schnürte sich fast schmerzlich zusammen und wahrscheinlich hätte sie einen nächsten Panikanfall bekommen, wenn das Beruhigungsmittel nicht schon gewirkt hätte. Ihre Eltern waren auch nur wegen ihr ermordet worden. Ein Gedanke der sie jetzt zu erdrücken schien. Sie schloss ihre schweren Lieder und schluchzte leise vor sich hin.
Sie wusste nicht wie lange Harry und Draco miteinander sprachen. Das Gespräch war aber schon zu Ende, als sie aufwachte und leicht schlaftrunken feststellte, dass sie jemand trug. „Entspann dich. Wir sind gleich zuhause," hörte sie Dracos Stimme auf sie einreden. Wäre sie fitter gewesen hätte sie von ihm verlangt sie runter zu lassen. Doch so schloss sie ihre Augen und lehnte ihren Kopf erschöpft an seiner Brust ab. Sie hörte seinen Herzschlag deutlich. Draco hatte knapp überlebt. Aber sein Leben war ein Trümmerhaufen. Nutzlos hatte er es einmal genannt, in seiner schweren Phase. Wieso kümmerte er sich noch um sie? Sie war doch an diesem Albtraum schuld.
Sie waren anscheinend nicht auf den Weg in Dracos Wohnung. Hermine hörte Kies knirschen, während Draco ging und bemerkte nach einigen Minuten, dass Harry auch dabei war. „Du erklärst das meiner Mutter," verlangte Draco leise und Hermine hörte ihn murren. Obwohl sie die Augen geschlossen hielt, merkte sie wie plötzlich helles Licht auf sie fiel und sie war sich sicher, dass irgendjemand, irgendwo eine Tür öffnete. Eine angenehme Stimme ertönte: „Wo wart ihr solange? Eure Nachricht habe ich schon vor fünfzehn Minuten bekommen." Hermine versuchte die Stimme zuzuordnen. Sie kannte sie irgendwo her.
Als Draco antwortete: „Tut mir leid Mutter, wir wurden aufgehalten," wusste Hermine, dass die Stimme zu Narzissa Malfoy gehörte. Waren sie am Malfoy Manor? „Was ist jetzt passiert?" fragte die Ältere ängstlich und Hermine nahm war, dass Draco mit ihr anscheinend eine Treppe nach oben stieg. Sie wollte etwas sagen. Irgendetwas. Aber sie hatte das Gefühl keine Kraft über ihren Körper zu haben. „Harry erklärt dir alles. Ich bring Hermine nach oben." „Tu das. Das Gästezimmer neben deinem Zimmer hat Egolina schon hergerichtet." Hermine kannte Egolina. Sie war eine Hauselfe. Ohne ihre Hilfe hätte sie damals, nach Astorias Tod, Draco nicht gefunden.
Sie blinzelte ermattet, als Draco sie vorsichtig auf ein Bett ablegte. Sie wandte leicht den Kopf und fand sich in einem hübsch eingerichteten Zimmer, mit pastellfarbenen Seidentapeten, wieder. Sie wollte sich mehr aufsetzen und ihre Schuhe ausziehen, doch Draco drückte sie mit sanfter Gewalt zurück in die Kissen. „Schon gut. Ich mach das." „Ich will dir nicht zu Last fallen," nuschelte sie und Draco zog ihr vorsichtig ihre Schuhe von den Füßen: „Red keinen Stuss Granger. Du bist keine Last." Sie wollte ihm wiedersprechen, ließ es dann aber doch bleiben. Sie legte ihre Hände über die Zudecke, die Draco sachte über sie warf und griff fast panisch nach seiner Hand, als er aufstehen wollte.
Er sah sie verwundert an. Sie schluckte schwer. Sie wollte ihm sagen, dass es ihr Leid tat. Dass es ihr Leid tat, dass Astoria wegen ihr getötet wurde. Dass es ihr Leid tat, dass sie so lange weggewesen war und dabei nicht daran gedacht hatte, dass er fast umkam vor Sorge. Sie wollte ihm so viel sagen und konnte einfach nicht. „Soll ich hierbleiben bis du eingeschlafen bist?" fragte er stattdessen gegen, als sie nichts sagte und Hermine nickte leicht. Ja das sollte er. Sie wolle jetzt nicht alleine sein. „Okay. Ich bleibe," sagte er knapp und Hermine merkte wie er vorsichtig ihre Hand in seine nahm, während er bei ihr am Bett saß. Sie wurde ruhiger, als sie merkte wie er fast beruhigend mit seinem Daumen über ihren Handrücken strich. „Hermine wir kriegen ihn. Ich versprech's," hörte sie ihn flüstern, bevor sie wieder ins Reich der Träume hinab fiel.
DU LIEST GERADE
Forced Pain
FanfictionFast sechs Jahre ist die Endschlacht her und jeder scheint sein Leben zu leben. Es könnte perfekt sein, wenn nicht seit Jahren ein Verrückter die englische Magische Welt in Atem hält. Oder vor allem junge Paare. (DMxHG)