Kapitel 21

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Sie hatte noch keinen inneren Frieden gefunden, noch nicht. Sie wusste auch nicht, ob dieses Gefühl von vollkommenem Frieden jemals in ihr aufblühen würde, aber sie hoffte, dass es mit der Zeit noch kommen würde. Nur eins konnte sie mit Sicherheit sagen: Sie fühlte sich wesentlich besser als die Wochen zuvor. Es war vorbei. Endgültig vorbei. Das ganze Ministerium schien darauf gewartet zu haben, dass dieser Albtraum aufhörte. Sie hatte ihn sehen müssen, obwohl Harry das nicht wollte. Doch Hermine hatte sich durchgesetzt. Sie musste ihn sehen. Musste sehen ob er wirklich tot war, um sich selbst die Sicherheit zu geben, dass er ihr nichts mehr tun konnte. Es hatte ihr weniger ausgemacht, als sie gedacht hatte. Und so beunruhigend wie sie es fand, dass der Tod dieses Menschen ein warmes Gefühl in ihr ausbreitete, so wenig tat es ihr auch Leid. Dieser Mann hatte ihr alles genommen was ihr wichtig war. Er hatte es verdient.

Johann Klee... Sie hatte es nicht geglaubt. Sie wollte es zuerst nicht glauben, aber Harry hatte Recht, die Beweise sprachen für sich. Es gab genug Beweise um Klee fast für jeden Mord in Verbindung zu bringen. Nie hätte sie gedacht, dass dieser unscheinbare junge Mann ein eiskalter und grausamer Massenmörder war. Ein Psychopath. Doch er war es gewesen. Der Schrecken war vorbei, endlich. Sie hatte bei Harry und Ginny die letzten beiden Wochen verbracht, um von der Presse ihre Ruhe zu haben und sich von dem Stress der letzten Monate zu erholen.

Nach einer Woche konnte sie endlich wieder in Ruhe schlafen ohne Angst zu haben wieder plötzlich untertauchen zu müssen. Ohne Angst haben zu müssen umgebracht zu werden. Er war tot. Er würde nicht mehr verurteilt werden, aber er war tot und vielleicht war das genügend Gerechtigkeit. Hermine wäre nicht zufrieden gewesen, wenn er nur nach Askaban gekommen wäre. Er hatte hunderte Leben zerstört. Eltern ihre Kinder entrissen. Geschwister ihre Schwestern oder Brüder. Freundschaften waren erloschen und zukünftige Generationen die durch viele Beziehungen entstanden wären verhindert. Mit Wehmut dachte sie daran, dass sie vielleicht mit Mike nicht nur ein Kind gehabt hätte. Vielleicht eine ganze Rasselbande. Kinder die sie aufgezogen hätten, die nach Hogwarts gekommen wären und dort Freunde kennengelernt hätten. Die sich vielleicht sogar mit Dracos Sohn angefreundet hätte. Kinder die erwachsen geworden wären und selbst irgendwann Familien gegründet hätten. Das alles würde jedoch niemals passieren. Diese verschiedenen Leben würden nie existieren.

Sie schob den Gedanken zur Seite. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Nicht jetzt. Sie hatte sich heute viel vorgenommen. Sie würde vormittags zu einem erneuten Termin mit Frau Meyer gehen und anschließend mit Ginny in ihr altes Haus zurückkehren. Sie würde anfangen es auszuräumen und eine Maklerin beauftragen es zu verkaufen. Vermutlich an Muggel die nichts von dem Mord wussten, damit es kein Verlustgeschäft wurde. Sie blickte vom Gästebett, auf dem sie saß, auf, als es klopfte und Harry seinen Kopf hereinsteckte. „Du bist schon wach?" „Ja." Er trat ein. „Ich geh jetzt ins Ministerium. Willst du mit?" Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Vielleicht morgen. Ich will das Haus ausräumen." Er wirkte nachdenklich und musterte Hermine ein klein wenig zu besorgt, für ihren Geschmack. „Das ist also dein Ernst." Hermine senkte den Blick. „Ich kann dort nicht mehr wohnen. Und Mikes Eltern... ich hab ihnen gesagt, dass ich ihnen die Hälfte des Kaufpreises überlasse. Aber sie wollen es nicht. Sie haben gesagt, dass Mike das nicht gewollt hätte."

Sie seufzte. „Ich werde das Haus verkaufen und mit dem Geld eine neue Wohnung kaufen." „Du kannst solange bleiben wie du willst, dass weißt du, nicht?" „Ja. Danke, Harry." Er nickte ihr zu und wollte gehen, als er plötzlich innehielt „Hast du was von Draco gehört?" Sie blickte ihn verwundert an: „Nein, wieso? Ist etwas mit ihm? Narzissa hat gestern nichts erzählt, als ich sie besucht habe." „Es ist nichts." Erneut war der Zauberer dabei aus dem Zimmer zu treten, als Hermine aufstand um ihn daran zu hindern. „Harry, du konntest noch nie gut lügen. Was ist los?" Er zögerte. „Draco ist vor ein paar Tagen im Ministerium ausgerastet." „Was?" sagte Hermine kaum hörbar. „Was? Was meinst du damit?" „Er sagt, dass Klee nicht der Mörder ist. Das wir uns irreführen lassen... es fielen ziemlich schlimme Beschimpfungen. Er hat was von Kündigung gesprochen."

„Und hast du seitdem nochmal mit ihm gesprochen?", fragte sie besorgt. Harry schüttelte den Kopf: „Ich erreiche ihn nicht. Er ist auch nicht in seiner Wohnung." Hermine dachte darüber nach. „Ich glaub ich weiß wo er ist." In Harrys Augen regte sich etwas. „Wirklich?" „Ja." „Wo? Dann geh ich zu ihm und rede mit ihm. Vielleicht-". Sie schüttelte bestimmt den Kopf: „Nein. Nein Harry, ich muss das machen. Dir wird er nicht zuhören. Ich kenn ihn. Ich kenn ihn viel zu gut." „Bist du sicher Hermine? Soll ich nicht mitgehen?" „Er würde dir nicht zuhören. Er würde mir nicht zuhören, wenn du dabei bist. Ich rede mit ihm." „Was ist mit deinen Terminen?", wollte er wissen. „Die sind jetzt nicht wichtig", erklärte sie. Draco war wichtiger.

Hermine hätte nicht gedacht das sie jemals wieder diesen Saftladen betreten würde. Er sah noch heruntergekommener aus als zuvor, wenn das überhaupt möglich war. Der dicke Mann hatte immer noch übergelte Haare. Er blickte auf als Hermine näher trat und seufzte gleich genervt: „Ich hab gewusst das sie hier auftauchen würden, Lady. Ich wusste es. War nur eine Frage der Zeit." „Soll das jetzt eine Begrüßung sein oder eine Beleidigung?" „Er ist im selben Zimmer. Zimmer 19 im ersten Stock." Hermine war verblüfft: „Was ist mit ihrer ‚Diskretion'?" „Würden sie gehen wenn ich sie erneut darauf hinweisen würde?" „Vermutlich nicht." Sie wandte sich ab und ging den bekannten Weg entlang und der Mann an der Rezeption rief ihr nach: „Wir haben neue Teppiche verlegt. Falls ihnen das aufgefallen ist." Das machte das Hotel nicht gerade besser. Sie würde den Laden schließen, wenn es in ihrer Macht liegen würde.

Sie blieb vor einer Tür stehen, die mit ihrer abgeblätterter Farbe und einer schiefen Zimmertürnummer, nur darauf hoffen ließ, dass der Zustand des Zimmers dahinter besser war. Sie klopfte. Keine Antwort. Sie klopfte erneut. „Draco?" Sie fühlte sich einem Déjà-vu ausgesetzt. Sie drehte den Türknauf und stellte sofort fest, dass sie nicht verschlossen war. „Meine Güte..." murmelte sie, als sie ins Zimmer trat. Das Zimmer an sich schien sich nicht viel verändert zu haben. Es standen wieder zahllose Flaschen herum, die wahrscheinlich Draco geleert hatte. Mehr Sorgen machten ihr die tausend verschiedenen Blätter, die an den Wänden hangen oder am Boden verstreut lagen. Beschriebene Pergamente, Zeitungsartikel... Sie trat näher an einen Artikel und sah, dass es um einen Mord ging. Einer der ersten Morde die Klee begannen hatte. „Draco?", sagte sie laut und konnte sich nur schwer von dem Artikel lösen. Sie ging zum Bad und befürchtete schon dort Draco halb tot vorzufinden. Doch er war nicht im Bad.

„Wo zum Kuckuck steckt er bloß?", murmelte sie zu sich selbst und ging wieder durchs Zimmer. Sie besah sich das Chaos aus Artikeln, Hinweisen und vermutlich Aussagen, die alle mit den Morden zu tun hatten, genauer an. War er verrückt geworden? „Was machst du schon wieder hier?", ertönte eine bekannte Stimme und sie wandte sich um. „Draco." Sie sprach seinen Namen erleichtert aus und er schloss die Tür hinter sich. Er stellte Einkaufstaschen auf ein abgenutztes Sideboard. Hermine erkannte Flaschen. „Du solltest nicht hier sein", murrte er und ging an ihr vorbei. „Bist du betrunken?", fragte sie ihn direkt und er grinste schwach. „Was wird das, Granger?" Das wusste sie auch nicht. „Harry hat mir erzählt, dass du im Ministerium ausgeflippt bist und kündigen wolltest." „Nicht wollte. Ich hab's gemacht. Potter nimmt sie nur nicht an." „Du kannst doch nicht einfach kündigen."

„Wird es dir nicht langsam zu blöd andauernd zu versuchen mich und die gesamte Welt zu retten?", höhnte er und griff nach einer Bierflasche. Er nippte daran und Hermine verschränkte die Hände vor der Brust. „Du solltest nicht trinken. Das ist nicht gut für dich." „Und wen interessiert das, Granger? Wen juckt es schon?", fragte er und setzte sich auf den Rand des Bettes. „Deinen Eltern ist es wichtig. Deinen Freunden, Draco. Und mir." Er schnaubte leise und nippte erneut an seinem Bier. Hermine atmete schwer ein und aus. „Was machst du hier?" Er schien aufmerksam zu werden. „Das ist eine interessante und die richtige Frage, Granger." Machte er sich tatsächlich über sie Lustig? „Wie viel hast du schon getrunken?" Er ging gar nicht darauf ein. „Klee kann nicht der Mörder sein." „Draco..." „Hör zu. Ich weiß, die im Ministerium glauben mir nicht", sagte er und stand auf. „Aber weißt du was, ich hab Klees verdammte Krankenakte." Triumphal wedelte er mit einer Akte aus dem Ministerium umher und Hermine runzelte die Stirn: „Woher hast du die?"

„Mitgehen lassen", meinte er knapp und Hermine fing sie auf, als er ihr die Mappe zuwarf. „Hast du sie noch alle? Du kannst doch nicht eine Akte klauen. Dafür können sie dich unter Arrest stellen?" Er lachte hohl: „Oh ja, Granger, das ist wirklich das wovor ich mich fürchte." „Hör auf so zu reden, verdammt nochmal!", fuhr sie ihn ärgerlich an. Sie wich nicht zurück als er ihr mit bedrohlichem Blick näher kam. „Klee kann es nicht gewesen sein." Sie sah ihn verständnislos an. „Als wir angegriffen wurden, war Klee krankgeschrieben wegen einem Haarriss in der Hand." Er meinte wohl den Angriff auf Astoria und ihm. „Verstehst du nicht? Er konnte es nicht gewesen sein. Niemals." Sie schüttelte den Kopf: „Draco..." „Hör zu ich, weiß es einfach", unterbrach er sie. „Wenn sein Arm verletzt gewesen wäre, hätte er mich niemals niederringen können. Überhaupt ist es doch seltsam das dieser Kerl so viele Männer niedergestreckt hat. Er trainierte nicht einmal."

Sie schüttelte wieder den Kopf. „Draco... hör zu, ich..." „Nein, hör du mir zu. Als dieser Dround und seine Verlobte umgebracht wurden war Klee nicht einmal im Land. Sondern auf einer Fortbildung." „Er könnte appariert sein und..." „Er war zu der Zeit in der Hotelbar. Ich hab gefragt und..." „HÖR AUF!", schrie sie laut und er brach ab. „Siehst du nicht, dass das total verrückt ist?" Er riss ihr die Akte aus den Händen. „Ich hab Recht! Ich hab Recht, Hermine." „Es wurden genügend Beweise bei ihm gefunden. Er war es Draco. Er...." „Weißt du was ich glaube?", warf er ein. „Ich glaube Klee hat wirklich für dich geschwärmt. Ja echt." Sie ballte ihre Fäuste, sie wollte darüber nicht nachdenken. „Aber er war nicht so verrückt, dass er zahllose Menschen deshalb umgebracht hätte. Ich glaube jemand hat ihn nur als Sündenbock hergenommen. Das glaube ich. Arme Sau." „Du bist widerlich." „Oh klar, ein Kerl ist tot, während der eigentliche Mörder immer noch rumläuft, aber ich bin widerlich. Ganz toll Granger. Wirklich."

„Du kommst mir vor, als würdest du einfach nicht hören wollen, dass es vorbei ist." „Weil es nicht vorbei ist", antwortete er trocken und nahm erneut einen Schluck aus seiner Flasche. „Du bist so besessen von der Vorstellung dich an ihm zu rächen, dass du nicht aufhören willst, obwohl er tot ist. Er ist tot, Draco. Er kommt nicht zurück." „Er ist es nicht!" „Das willst du nur glauben, weil du ihn nicht selbst umbringen konntest!", schrie sie ihn an und er schüttelte den Kopf. „Halt die Klappe, Granger. Du musst mir nicht glauben. Verschwinde einfach und warte es ab, bis wieder zu dir kommt." Obwohl er tot war, traf es Hermine, dass Draco ihr praktisch wünschte, dass sie nochmal angegriffen wurde. Sie griff nach einer der Flaschen aus den Taschen und warf sie ihm nach. Sie flog knapp an Dracos Kopf vorbei und zersprang an der Wand. Er wandte sich zu ihr um. „Hast du sie noch alle!?" „Du kannst so widerlich sein wenn du betrunken bist!" „Und du bist eine nervende Furie!", beschimpfte er sie und sie packte eine weitere Flasche. Draco duckte sich, bevor diese ebenfalls an der Wand hinter ihm zersprang. „Spinnst du?! Lass meinen Alkohol in Ruhe!"

„Der ist also wichtig, ja? Aber das du seit zwei Wochen wie vom Erdboden verschwunden bist, dass nicht?", giftete sie und griff nach der dritten Flasche. Er drohte mit einem Finger: „Granger, stell die Flasche weg." Sie krachte gegen die andere Wand. Sie protestierte kaum eine Sekunde später, als Draco ihr eine weitere Flasche wegnahm und sie gegen die Wand drängte. „Hör auf!" „Lass mich los!" „Granger, bei Merlin, ich schwöre dir, wenn du nicht aufhörst, dann..." „Dann was?", fragte sie erhitzt gegen. „Willst du mich schlagen?" „Ich bin fast so weit, ja." Er sank stöhnend auf die Knie, als sie ihn tatsächlich in seine Weichteile trat. „Granger... du dumme... du bist irre." Ja, vielleicht war sie das. Sie zog ihren Stab und richtete ihn direkt auf ihn. „Tut mir leid, aber das musste sein. Anders lässt du dir ja nicht helfen." Er sah sie an und noch bevor er eingreifen konnte, kippte er bewusstlos auf die Seite und Hermine atmete selbst schwer aus. Sie hatte wohl eine neue, alte Aufgabe zurück.


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