Kapitel 28

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Die Sonne ging langsam auf und warf Strahlen durch die Baumkronen. Brachte den Tau zum Glitzern und tauchte das Zimmer in warmes goldenes Licht. Hermine mochte die Sonnenaufgänge. Sie liebte sie. Vor allem beruhigte es sie. Sie war schon seit gut zwei Stunden hellwach. Was sie aufgeweckt hatte wusste sie nicht wirklich. Ob es an dem Albtraum lag oder an den Bewegungen des Kindes, konnte sie nicht sagen. Vielleicht war es auch gar nicht wichtig. Mit Bedacht senkte sie den Blick und ihre Hände fuhren sanft über ihren gewölbten Bauch. Es schien das Baby zu beruhigen, denn die Bewegungen wurden feiner. In knapp sieben Wochen würde sie ihr Kind im Arm halten und seltsamerweise machte ihr das keine Angst mehr wie zu Beginn der Schwangerschaft. Zu Beginn, als sie Angst gehabt hatte auf die Reaktion der Leute, ihrer Freunde und vor allem vor Dracos Reaktion. Als sie Angst gehabt hatte, dass er das hier verteufeln würde. Ihr Vorwürfe machen würde. Sie verjagen würde aus seinem Leben. Doch das hatte er nicht getan. Er wollte das Baby und er wollte sie in seinem Leben.

Sie atmete tief ein und aus und blickte wieder nach Draußen. Es machte ihm immer noch Angst und sie verstand diese Angst. Verspürte sie manchmal selbst noch viel zu real. Angst dass wieder etwas passieren konnte. Angst dass diesem Baby etwas zustoßen könnte. Angst aufzuwachen und sich selbst wieder Vorwürfe zu machen, dass sie dieses Glück nicht genießen durfte. Nicht genießen sollte, wegen Mike und seinem Andenken. Aber Meyer hatte Recht. Sie alle hatten Recht. Harry, Narzissa, Lucius und Mikes Eltern. Sie könnte Stundenlang eine Liste mit Namen aufzählen. Das hier war der Beginn von etwas Neuem. Etwas Gutem. Weder Astoria noch Mike würden etwas dagegen haben. Sicher nicht. Sie waren gute Menschen. Sehr gute sogar. Obwohl Hermine wusste, dass das mit Mike einzigartig war und nie jemand ersetzen konnte, half dieses Neue doch irgendwie die alten Wunden zu verschließen. Es schien nicht nur ihr so zu gehen, sondern auch Draco.

Draco war nicht Mike und das würde er nie sein. Aber das war auch gut so. Vielleicht hat es so kommen müssen. Zwei kaputte Seelen, gekennzeichnet von diesen schrecklichen Untaten, die sich finden mussten, um wieder gesund zu werden. Bei Draco schien es sehr gut zu klappen. Er zählte neu. Er zählte nicht mehr wie lange Astorias Tod zurücklag. Wie lange der Tag zurücklag als sein Leben erschüttert wurde. Er zählte nun die Tage bis zur Geburt des Babys. Und auch wenn er Tage dabei hatte, an denen er unsicher war, Angst hatte was falsch zu machen, schien er sich trotzdem jeden Tag darüber zu freuen. Hermine wusste das er das Baby lieben würde. Es war nicht sein Sohn den er verloren hatte und seinen ungeborenen Sohn konnte auch niemand ersetzen. Auch dieses Kind nicht. Aber es wäre trotzdem neues Leben. Ein wunderbares Leben. Sie lächelte milde. Sie wussten immer noch nicht was es wurde und sie beide trieben damit die Menschen in ihrer Umgebung in den Wahnsinn. Aber sie wollten es nicht wissen. Sie würden sich überraschen lassen. Zumindest sah so der Plan aus. Einen der wenigen Pläne den sie hatten. Oder zumindest den sie gemeinsam hatten.

Ihre Finger fuhren zu der Kette mit dem zierlichen silbernen Ring. Draco hatte Pläne. Konkrete Pläne. Er war dabei sein Leben wieder zu strukturieren und neue Mittelpunkte zu suchen. Er nahm Rücksicht auf sie, auch wenn Hermine wusste, dass sie ihn damit leicht in die Quere flog. Aber er wusste dass sie noch nicht so weit war. Er wollte heiraten. Wollte tatsächlich sie heiraten. Als er gefragt hatte, hatte er sie eiskalt erwischt. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Antrag. Einen Antrag der sie in Panik versetzt hatte. Er wollte sie ehelichen. Weil er es für richtig hielt. Für eine ganz normale Schlussfolgerung und weil er sie in seinem Leben haben wollte und nicht mehr riskieren wollte sie zu verlieren. Er hatte ihr all seine Entscheidungen ruhig erklärt, um sie zu beruhigen und sie hatte es wirklich schön und ehrlich gefunden. Aber sie brauchte Zeit. Sie konnte ihn nicht heiraten. Nicht jetzt. Noch nicht.

Er hatte es hingenommen. Akzeptiert. Ließ ihr die Zeit und den Raum. Den Ring hatte er ihr trotzdem gegeben. Es war eine schöne Geste gewesen den Ring an einer Kette ihr zu geben, als Versprechen, dass es ihm nichts ausmachte zu warten. Er hatte das wesentlich ruhiger aufgenommen, als den Wunsch in Manor zu bleiben. Sie schmunzelte bei dem Gedanken. An diesem Tag hatten sie sich alle gefetzt. Narzissa, Lucius, Draco und sie. Eigentlich war es eher so, dass alle mit Draco gestritten hatten und umgekehrt. Aber hier fühlte sie sich sicher und wohl. Sie verstand sich ausgezeichnet mit Dracos Eltern. Unnatürlich gut. Sie hätte nie geglaubt so ein enges Verhältnis mit Dracos Mutter zu haben. Aber das hatte sie. Narzissa war praktisch die letzten Monate so etwas wie Hermines Mutterersatz geworden. Draco hatte knurrend eingelenkt und zu Beginn eher unliebsam geholfen das Kinderzimmer herzurichten. Von Blaise hatte sie vor zwei Wochen erfahren, dass er jetzt erst seine alte Wohnung zum Verkauf freigegeben hatte. Aber immerhin. Er behielt sie nicht im Hintergrund.

Sie schloss kurz die Augen und umklammerte ihren Bauch etwas fester. Sie brauchte keine Angst mehr zu haben. Sie war in Sicherheit. Alles würde gut werden. Alles konnte nur noch besser werden. Der Mann der ihr Leben zerstört hat, dass Leben von ihr und Draco, war tot. Er konnte ihr nicht mehr wehtun. Sie nicht mehr verletzten. Ihr nicht mehr das nehmen, was ihr jetzt wichtig war. Und sie war in Manor. Eines der sichersten Gebäude, neben dem Ministerium, in ganz England. Trotzdem hatte sie hin und wieder noch dieses beengte Gefühl. Dieses Gefühl von Unsicherheit und Angst. Aber sie war nicht die Einzige. Sie wusste dass es Draco auch so ging. Sie sprachen viel darüber. Sehr oft wenn sie nebeneinander im Bett lagen. Oft wenn Draco behutsam ihren Bauch liebkoste und er seine Ängste mit ihr teilte. Die Psychologin sagte es war normal. Es waren tiefe Schicksalsschläge und so etwas dauerte, ging vielleicht sogar nie richtig weg.

Damit würde Hermine fertig werden. Genauso wie sie mit Ron fertig geworden war. Sie wusste nicht ob sie sich noch ärgern darüber sollte oder lachen. Ronald hatte sich wirklich wie ein verdammter Idiot aufgeführt und das war noch die Untertreibung des Jahres. Wie von Harry vorgeschlagen, hatte sie versucht ihm ruhig und vernünftig zu erklären, dass sie ein Kind bekam und zwar von Draco. Er war ausgerastet. Er hatte über Hermine geschimpft. Über Draco. War über beide hergezogen und hatte vor anderen schlecht über sie gesprochen. Eigentlich hatte Hermine gedacht, dass Draco ihn schlagen würde, doch Ginny war Draco zuvor gekommen. Sie hatte ihren Bruder regelrecht niedergebrüllt und das im Ministerium. Die ganze Abteilung hatte es mitbekommen und seitdem ignorierte Ron Hermine. Zumindest Privat. Was Draco nicht sonderlich störte. Ron und er konnten noch nie gut miteinander und das würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern. Nicht alle Freundschaften hielten auf Dauer gut. Manche lösten sich auch mit der Zeit. Vielleicht war es auch Naiv zu denken, mit Ron wieder die Freundschaft zu haben die sie damals in Hogwarts hatte, nachdem sie sich getrennt hatten. Vielleicht war ein endgültiger Schlussstrich besser. Besser für sie beide.

Sie schloss die Augen, als sich zwei Hände auf ihre legten und somit auf ihren Bauch. Als sie die bekannte Wärme spürte und den vertrauten Duft einatmete. Als Draco sie behutsam an sich ran zog und ihren Nacken küsste, bevor er seinen Kopf an ihrer Schulter ablegte. „Hat dich das Baby wieder geweckt?" fragte er leise und sie nickte stumm. Er sollte sich keine Sorgen mehr machen müssen. Sollte nicht wissen, dass sie wieder schlecht geträumt hatte. „Willst du dich nochmal hinlegen? Ein wenig schlafen?" hakte er nach und sie löste sich lächelnd von ihm. Er machte sich immer Sorgen um sie. Viel zu viele. „Nein. Mir geht es gut. Außerdem muss ich später ohnehin zum Heiler und du zu Meyer." Er schnaubte „Es ist unnötig, dass ich ständig noch zu ihr muss." „Du Armer." spielte sie Mitleid vor.

„Ich will lieber heute mitgehen." Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Deine Mutter begleitet mich. Du gehst zu deinem Termin. Außerdem hast du es ohnehin bald geschafft" Zumindest laut der Psychologin. „Ich schwänze trotzdem nächste Woche." drohte er, als Hermine ins Bad ging. „Wieso?" fragte sie verwirrt und Draco lehnte sich lässig in den Türrahmen. „Weil meine Eltern nicht da sind und wir sturmfrei haben. Darum." erwiderte er mit einem zweideutigen Grinsen. Er war manchmal ein wenig verrückt. Aber das mochte sie an ihm. Das war der Draco den sie kannte und liebte, auch wenn sie ihm das noch nie so gesagt hatte. Aber das würde sie bald. Ganz sicher.

Forced PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt