Kapitel 8

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Sie war da. Sie war tatsächlich wieder da. Einfach so. Ohne großen Trupp zu ihrer Bewachung. Eigentlich konnte er es an ihren ersten Arbeitstag schon nicht glauben. Aber jetzt ging das schon gute drei Wochen so. Die erste Woche hatte er sie kaum zu Gesicht bekommen. Unter Vorwänden erkundigte er sich über ihren Zustand oder stattete ihr Besuche ab. Aber zu oft konnte er das auch nicht tun. Sonst würde es auffallen und auffallen wäre das letzte was er wollte. Nicht jetzt. Er war schon zu knapp an einer Überführung vorbeigeschrammt. Dieser verdammte Manschettenknopf. Er hätte besser aufpassen müssen. Er hätte nicht so sehr die Kontrolle verlieren dürfen. Aber in dieser Nacht war er wütend gewesen. Wütend darüber, dass sie sich einfach so verlobte und niemanden etwas sagte. Ihm nichts sagte. Ausgerechnet sie. Ihr war eindeutig nicht klar gewesen, dass sie für dieses ganze Chaos verantwortlich war.

Durchatmen. Ruhig durchatmen. Es war vorbei. Dieser Nulleinhundertsechzig Anwalt war Geschichte. Seine Leiche verfaulte auf dem Friedhof wie andere schon zuvor. War er nicht gnädig? Ihr Leben war in seiner Hand gelegen. Er hätte sie töten können. Es wäre nur ein Zauber mehr gewesen. Aber der Tod war eine Erlösung. Wieso sie davon befreien? Sie sollte genau den gleichen Schmerz spüren, den er die letzten Jahre durchlitten hatte. Sie sollte leiden. Sie sollte dafür büßen. Vielleicht würde sie dann irgendwann verstehen, was sie getan hatte. Gestern hatte er sie sogar alleine im Ministerium rumlaufen sehen. Ohne Potter oder Malfoy der wohl zu ihrem Schatten mutiert war. Malfoy. Er war der kleine Fehler auf seinem bisherigen sonst perfekten Plan. Er hatte gedacht er wäre tot. Erst am nächsten Tag erfuhr er von seinem fatalen Versagen. Aber was scherte ihn Draco Malfoy. Es ging nie um die Personen. Nie.

Es ging immer nur um sie und es wurde Zeit, dass sie daran erinnert werden sollte, wie gnädig er ihr gegenüber war. Es war ein Risiko. Ein Risiko das ihn reizte. Es wäre wesentlich leichter, wenn er bei ihr Zuhause etwas organisieren könnte, doch sie war bisher nicht mehr dort aufgetaucht. Er wusste das. Er war fast täglich in diesem Haus. Wanderte durch die Zimmer, berührte Gegenstände die noch da waren. Versuchte ihren Duft wahrzunehmen. Es war Segen und Folter zu gleich für ihn. Er hatte keine Ahnung wo sie steckte. Sie nutze keine der Wohnungen die das Ministerium zur Verfügung stellte. Er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ob sie vielleicht bei Potter war. Aber dafür hatte er jetzt keine Zeit. Es musste auch so gehen. Es würde auch so gehen. Niemand war um diese Zeit im Ministerium. Keiner würde ihn sehen. Er wäre wie ein Schatten. Lautlos. Spurenlos.







Draco Malfoy gähnte vor Langeweile. Vielleicht könnte er Granger heute dazu überreden, dass sie früher Schluss machten. Es wäre zumindest ein Versuch wert. Was würden sie schon verpassen, außer ein paar staubigen Akten und langweiligen Berichten? Aber ob sie sich dazu hinreißen ließ? Er war sich nicht sicher. Wahrscheinlich würde sie ihm einen Vortrag darüber halten, dass sie schon neunzig Minuten zu spät angefangen hatten zu arbeiten. Eine Idee von ihm heute Morgen. Sein Blick glitt auf seine Armbanduhr. Es war bereits fünf Minuten nach halb zehn. Also hatten sie genau fünfundneunzig Minuten zu spät angefangen. Granger würde bereits im Büro wütend auf und ab rennen. Bei dem Gedanken musste er leicht grinsen und lehnte sich dabei leicht an die Wand des Aufzuges. Das war immerhin besser als deprimiert in einer Ecke zu hocken. Sie bekam den Alltag immer besser hin und das war gut. Sehr gut sogar.

Er wollte gerade aus dem menschenleeren Aufzug treten, als er zurückstolperte, weil ihm jemand hineinrannte. Er nahm in dem Moment in dem er Granger sah, alles wieder zurück. Automatisch hielt er sie an ihren Armen fest und musste sie mit lauter Stimme ansprechen, als sie versuchte sich zu befreien. „Granger! Verdammt nochmal was ist los?!" Ihre Augen zeigten Panik, als sie zu ihm aufsah. Ihr Atem ging schnell. „Er ist da. Er ist da Draco," sprudelte es aus ihr heraus und Draco runzelte die Stirn. Ihre Finger krallten sich in seine Arme, ihre Stimme war brüchig. „Er war in unserem Büro. Er war da Draco. Er war wirklich da." Er zuckte zusammen und konnte sich die ersten Sekunden nicht bewegen, als sie schluchzend ihren Kopf an seiner Brust vergrub. Zögerlich legte er ihr beschützend seine Arme um und redete beruhigend auf sie ein. „Schon gut. Ich werde nicht zulassen, dass er dich bekommt."

Er hatte es ihr doch versprochen. Er würde auf sie aufpassen. Er würde sie beschützen. Er würde nicht zulassen, dass dieser Kerl sein Werk vollendete. Es brauchte die Betätigung des Notfallknopfes und das feste Einreden von zwanzig Minuten, bis sie sich bereit erklärte mit Draco wieder ins Büro zu gehen. Sie setzte sich auf seinen Platz, während Draco das Geschenk begutachtete. An sich war es nichts Ungewöhnliches. Ein normaler Blumenstrauß. Hübsch anzusehen. Draco ließ die schlichte Karte mit seinem Zauberstab aufklappen und las die feine, saubere und schwungvolle Schrift. „Ich hoffe, dir geht es besser und du weißt mein Geschenk zu schätzen, dass ich dich am Leben gelassen habe." Draco musste sich zusammenreißen, um die Karte nicht in Flammen aufgehen zu lassen. Wie dreist konnte man eigentlich sein?

Er holte Potter und der Johann und Rosalie, die die Blumen und die Karte sofort auf Spuren untersuchen sollten. „Ich kann es nicht fassen," murmelte Potter müde und Draco senkte die Stimme, während er Hermine den Rücken zudrehte: „Glaubst du es jetzt? Dieser Kerl arbeitet hier. Hundertprozentig." „Draco dafür gibt es keine Beweise." Dracos Stimme bebte und funkelte seinen Vorgesetzten ärgerlich an: „Wie viele Beweise willst du eigentlich noch? Soll Granger erst aufgeschnitten in deinem Büro liegen?" „Was soll ich deiner Meinung nach tun?" fragte Potter und wirkte dabei wirklich verzweifelt. „Jeden überprüfen. Vom Praktikanten bis hoch zu den hohen Tieren. Jeden, Potter." „Das dauert Wochen. Monate." „Besser als nichts zu tun."

Draco sah über seine Schulter und musterte die in sich zusammengesunkene Hermine. „Einen dümmeren Zeitpunkt hätte es wohl nicht geben können. Es ging ihr endlich mal wieder besser." „Was hast du jetzt vor?" Draco schüttelte leicht den Kopf: „Sie erst einmal nach Hause bringen. Ruhe gönnen und dann... mal sehen." Er sah Potter wieder an: „Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, sie wieder in die Arbeit zu schicken, solange der Kerl auf freiem Fuß ist." „Denkst du bei dir zuhause ist sie sicher?" wollte Potter wissen. „Ja ist sie. Ich pass auf sie auf. Willst du sie lieber in Schutzhaft stecken? Was wenn der Kerl dort arbeitet?" Draco fuhr sich über die Stirn. „Vielleicht sollte ich mit ihr für ein paar Wochen das Land verlassen. Warten wir ab, ob er Spuren hinterlassen hat."

Granger zog sich Zuhause sofort zurück und Malfoy ließ ihr den Freiraum. Allerdings nur bis zum Nachmittag als Potter auftauchte. Sein Blick sagte schon alles. „Nichts?" Potter seufzte schwer: „Nein. Nichts." „Wunderbar," erwiderte Draco düster. „Holst du Hermine? Damit wir besprechen können wie es weitergehen soll." Er nickte und ging schweren Herzens nach oben. Das waren keine guten Nachrichten. Sie würden den Kerl nicht schnell überführen können. Er klopfte an die Gästezimmertür und bekam keine Antwort. „Granger? Kommst du runter? Potter ist da." Er klopfte erneut und wartete. Doch es kam nichts. „Granger?" fragte er erneut und öffnete zögerlich die Tür. Die Vorhänge waren zugezogen und Hermine lag auf dem Bett. Sie bewegte sich nicht, als er erneut ihren Namen aussprach.

Für einen Moment wurde er panisch, aber nur solange bis er sah, dass sie ruhig atmete. Er atmete erleichtert aus und setzte sich zu ihr ans Bett. „Hey, Hermine," sprach er sie vorsichtig an und berührte sie sacht am Arm. Sie blinzelte erschöpft und fuhr sich über ihre Augen: „Was ist los? Ist es schon Mittag?" „Es ist sogar schon Nachmittag." Sie setzte sich schlagartig auf: „Wirklich?" Er nickte: „Ja. Kommst du runter? Harry ist da. Er will mit uns sprechen." Er erkannte sofort die Angst in ihren Augen: „Sie haben nichts gefunden oder?" „Nein haben sie nicht," antwortete er ihr. Wieso sollte er in diesem Punkt lügen? Sie legte ihre Hände aufs Gesicht. „Die werden ihn nie kriegen. Nie." „Doch werden sie. Wir werden diesen Kerl kriegen und solange werde ich auf dich aufpassen. Er wird dir nicht tun." Sie schien sich zu entspannen und nickte leicht: „Ich weiß Draco. Ich weiß."

Sie kam zehn Minuten später runter und setzte sich im Wohnzimmer Harry gegenüber. Potter sprach über das Labor und deren Ergebnisse. Dass es wieder keine Spuren gab. Dass er jetzt auf Dracos Rat hörte und sie mit einem kleinen Team begannen, jeden im Ministerium zu durchleuchten. Auffällige Personen beobachten würden. Das finden des Täters, hatte höchste Priorität. Für Draco war es wie immer nur viel Gelabber. Er hatte zu Beginn auch geglaubt, dass sie ihn schnell schnappen würden. Er war davon überzeugt, den Kerl zu kriegen. Aber schnell würde es bestimmt nicht gehen. Er kannte die beruhigenden Worte. Die Gespräche die Hoffnung machen sollten. Vielleicht weil er früher bei Angehörigen von Opfern dieselben Worte benutzt hatte. Granger würde wohl diese Erkenntnis auch noch haben. Bestimmt noch nicht jetzt. Aber in ein paar Monaten.

„Und... und was sollen wir jetzt tun Harry?" fragte sie unsicher. Potter sah Draco hilfesuchend an: „Wir... haben uns überlegt, dass es besser ist, wenn du erst mal nicht mehr in die Arbeit kommst." „Aber ich kann doch auch nicht die ganze Zeit hier sitzen und nichts tun," warf Hermine ein und Draco sah sie fest an: „Es ist zu gefährlich Hermine. Er hat sich bei dir gemeldet. Er scheint sich nicht damit zufrieden zu geben und solange wir nicht wissen, was dieser Bastard von dir will und wer er ist, solltest du kein Risiko eingehen." „Er hat Recht Hermine," bestätigte Potter und Draco merkte wie mutlos sie wurde. „Aber was wenn wir ihn nie finden? Ich kann mich doch nicht mein ganzes Leben lang verstecken." „Das verlangt doch auch keiner. Aber vorerst ist es die beste Idee." „Und was wenn ich Draco damit in Gefahr bringe?"

Draco lehnte sich schnaubend zurück: „Tust du nicht. Der soll ruhig kommen der Kerl, dann mach ich ihn platt." „Malfoy," murrte Potter. „Was? Das ist mein ernst. Ich werde ihn umbringen, wenn er hier auftauchen sollte." Harry schien das Thema nicht weiter vertiefen zu wollen: „Auf jeden Fall hat Draco vorgeschlagen, ob es nicht ratsam wäre für ein paar Tage oder Wochen das Land zu verlassen." „Wie bitte?" hakte Hermine ungläubig nach. „Es war nur so eine Idee," mischte Draco sich ein und Hermine sah ihn leicht ärgerlich an: „Was soll denn das bringen?" „Damit du erstens ein wenig abschalten kannst und aus der Schusslinie dieses Irren kommst. Vertrau mir einfach Hermine, das ist eine gute Idee." „Und wohin sollen wir gehen?"

„Das lass mal meine Sorge sein." Er sah Potter kurz an. „Niemand wird davon erfahren wo wir hingehen. Potter und die Psycho-Tante werden die einzigen ein." Sie sah unsicher zwischen ihm und Harry hin und her: „Aber... auf Dauer geht das doch nicht. Ich meine... Harry ich muss arbeiten. Ich brauch meinen Lohn. Von was soll ich denn Leben ohne Geld? Von Luft und Liebe?" „Bei Merlins Barte, Granger. Wir kriegen das schon hin. Denkst du Potter oder ich lassen dich verhungern oder auf der Straße sitzen. Dein Leben ist jetzt wichtiger, als das blödes Geld." „Draco hat Recht. Außerdem ist das ein Sonderfall. Denkst du wir lassen unsere Mitarbeiter hängen? Wir kriegen das schon irgendwie geregelt. Glaub mir Hermine. Deine Sicherheit geht jetzt vor."

Forced PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt