Draco sah auf die kurze Nachricht von Blaise. ‚Alles geregelt. Mach dir keine Sorgen. Blaise.' Draco legte schnaubend das Pergamentblatt zur Seite. Keine Sorgen machen? Er war verhört worden. Man hatte ihn verhaftet. Seine Wohnung und das Haus seiner Eltern waren durchsucht worden. Es war ein Wunder, dass man Blaise überhaupt als seinen Anwalt zugelassen hatte. Man hatte ihn beschuldigt der Kerl zu sein, der zweiundvierzig Leute auf den Gewissen hatte. Dreiundvierzig mit der Prostituierten. Sein Kiefer spannte sich an, während er sich in einen Sessel fallen ließ und den Flammen im Kamin dabei zusah, wie sie das Holz regelrecht mit ihren feurigen Zungen verschlangen. Er dachte nach. Jemand hatte ihn absichtlich in diese Scheiße reingeritten. Da war er sich sicher. Hatte Hermine recht und sie waren dem eigentlichen Mörder schon dicht auf den Fersen? Waren sie ihm näher als sie ahnten?
Selbst wenn, es spielte keine große Rolle. Umso näher sie ihm kamen umso gefährlicher wurde es für Hermine. Denn er war hinter Hermine her, da waren sie sich alle sicher. Nicht nur Draco, sondern auch die anderen. Sein Vater, Blaise, Potter... Er fuhr sich über die Stirn. Wem konnte er eigentlich noch trauen. Seine Finger fuhren über das Glas das auf seiner Lehne stand. Er musterte die braune Flüssigkeit darin. Er würde sie beschützen. Er würde nicht zulassen, dass ihm noch ein Mensch genommen wurde, der ihm wichtig war. Hermine war für ihn wichtig. Sie war eine gute Freundin. Eine Leidensgenossin. Er brauchte sie. Sie hatte dafür gesorgt, dass er sich nicht nach Astorias Tod todgesoffen hatte.
„Trinkst du wieder?", erklang Hermines Stimme und er hob seinen Kopf leicht an, um sie anzusehen. Sie war blass, das erkannte er sogar in dem wenigen Licht das vom Kamin ausging. Er atmete schwer aus und sah wieder auf sein Glas. „Noch nicht. Ich bin gerade am überlegen, ob ich mir die Kante geben soll." Sie griff nach dem Glas und er dachte sie würde es wegbringen. Doch sie setzte sich ihm gegenüber in den anderen Sessel und nahm einen großen Schluck. Sie senkte hustend das Glas und Draco beugte sich vor um es ihr wegzunehmen. „Was ist das für ein Zeug?", fragte sie schwer atmend. „Whiskey. Ich denke nicht, dass du anfangen sollst zu trinken. Unsere Therapeutin wäre damit nicht gerade zufrieden, wenn ich dich zum Saufen animiere. Wahrscheinlich würde das meine Therapie um mindestens ein Jahr verlängern."
Sie sagte nichts. Draco stellte das Glas zur Seite und musterte Granger aufmerksam. „Bist du fertig?" Sie sah ihn stumm an und er fügte hinzu. „Hast du das Wichtigste gepackt?" „Ich denke schon. Es würde leichter sein, wenn du mir sagst wohin du mit mir willst." Er schüttelte den Kopf „Ich werde es dir nicht sagen. Das siehst du noch früh genug." „Aber du musst doch jemanden sagen wo wir sind. Wie findet uns zum Beispiel Meyer?", fragte sie aufgebracht. „Wir werden mit ihr jedes Mal einen neuen Treffpunkt ausmachen. Also bist du fertig?", wollte er wissen. „Ja. Wann reisen wir ab?" „Jetzt", antwortete er knapp und als er sich aus seinem Sessel erhob ging sie ihm nach. „Was? Jetzt?" „Granger", seufzte er genervt. „Du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig."
„Du willst jetzt abreisen. JETZT?", wollte sie wissen, während er die Treppe nach oben stieg. „Ich hab dir doch gesagt wir müssen hier weg. Also gehen wir jetzt." „Aber... warum jetzt? Deine Eltern schlafen. Wir müssen auch Harry noch Bescheid geben." Er blieb stehen und drehte sich nach Hermine um, die daraufhin schwankte, weshalb er sie am Arm packte, damit sie nicht die Treppe runterstürzte. Draco blieb ruhig. Er fing nicht an zu schreien. Das würde nichts bringen. Es wäre sinnlos jetzt loszuschreien. Er atmete einmal tief durch, bevor er die braunhaarige Hexe erneut ansprach: „Hol deine Sachen und dann apparieren wir. Wir werden niemandem etwas sagen. Keinem. Wir werden uns mit niemanden Treffen. Das heißt keine Kontakte zu unseren Freunden oder Verwandten. Hast du das verstanden?" Sie sah aus als würde sie gleich weinen, weshalb er sanft sagte: „Hermine, er will dich und das dürfen wir nicht zulassen. Wir wissen nicht wer er ist. Mit wem er Kontakt hat. Ich werde kein Risiko eingehen. Hast du verstanden?"
Sie nickte stumm. Er ließ sie los und setzte seinen Weg nach oben fort. „Gut. Also hohl deine Sachen. Wir treffen uns unten." Als Draco sein Zimmer betrat, nahm er sich vor Hermine besser zu kontrollieren. Sie durfte nicht schon wieder verschwinden und sich damit in Gefahr bringen. Er packte seinen Rucksack und Mantel. Als er die Treppe wieder nach unten ging, sah er Granger wie sie auf einem kleinen Tisch einen Brief hinstellte. Sie sah ertappt auf: „Ich habe nur eine kurze Nachricht für deine Mutter dagelassen und ich habe mich bedankt." „Wir beide denken wohl schon gleich", erwiderte Draco und zog selbst einen Brief aus seiner Manteltasche. Hermine folgte ihm zögerlich nach draußen. Er nahm ihre Hand und sie sah zu ihm auf: „Es ist die beste Lösung." Sie presste ihre Lippen fest zusammen und er apparierte mit ihr.
Sie wachte keuchend und schweißgebadet auf, wie die letzten Tage so häufig. Erschöpft wischte sie sich ihre klebrigen Haare aus dem Gesicht und setzte sich in dem, ihr immer noch fremden, Zimmer auf. Hermine sah das es draußen bereits dämmerte. Sie griff nach ihrer langen Weste und zog sie über ihren Schlafanzug an. Es war kalt. Wahrscheinlich war der Ofen wieder ausgegangen. Hermine öffnete die Tür und trat auf den schmalen Flur, wobei der Holzboden unter jedem ihrer Schritte knarzte. Die Tür zu Dracos Zimmer stand einen Spaltbreit offen. Sie konnte beim vorbei gehen erkennen, dass er nicht da war. Das Bett war nicht gemacht. Suchend ging sie die enge Holztreppe nach unten. „Draco?" Es war still im Haus. Vollkommen still. Er war auch nicht im Erdgeschoss. Seufzend setzte sie auf die breite abgenutzte orange Couch - wobei man das Wort Orange bei der ausgeblichenen Farbe kaum noch verwenden konnte - welche sich in dem kleinen Wohnzimmer befand. Vielleicht war er wieder joggen oder spazieren. Vielleicht tat er auch etwas völlig anderes und sagte es Hermine nur nicht.
Seit ein paar Tagen war er seltsam drauf. Regelrecht zurückgezogen, aber konnte man es ihm verdenken? Wegen Hermine saßen sie hier auf einem anderen Kontinent fest. Sie wollte nicht schon wieder darüber nachdenken, doch sie tat es. Tat es ständig. Sie sah auf den kleinen Kamin und zückte ihren Zauberstab, den sie nie aus den Augen ließ. Er entzündete sich und die junge Hexe griff nach der Decke und zog sie fast bis zu ihrem Kinn. Es lag immer noch Schnee. Hätten sie nicht wenigstens wohin fliehen können, wo es immer warm war? Offensichtlich nicht. Sie überlegte gerade ob sie ihn suchen sollte, als ihr eine zerknüllte Zeitung auffiel die unter dem Couchtisch lag. Sie griff danach und erkannte, dass es der Prophet war: die heutige Ausgabe. Das hieß, er war wieder in England gewesen und hatte eine Zeitung organsiert, doch warum lag sie zerknüllt auf dem Boden?
Im Lokalteil fand sie warum. Es war ein Bericht über den Herzensbrecher. Seine Taten, seine Opfer und der Tatsache, dass er immer noch nicht gefasst wurde. Hermine schluckte hart, als sie den Anlass für den Artikel erfuhr. „Trauerfeier zum zweiten Todestag von Astoria Greengrass" laß Hermine leise. „Großer Auflauf von Bekannten, Freunden und Verwandten." Hermines braune Augen verweilten auf der früheren Aufnahme von Astoria. Sie war so hübsch gewesen. Ein Sonnenschein. Mit einem einzigen Lächeln konnte sie Leute dazu bringen, sich besser zu fühlen. Sie hatte Draco dazu gebracht sich besser zu fühlen, dass wusste Hermine. Sie überflog den Artikel und hielt weiter unten wieder inne. „...ihr ehemaliger Verlobter war auf der gestrigen ausgerichteten Trauerfeier nicht anwesend. Draco Malfoys Aufenthalt ist immer noch unbekannt. Man geht davon aus, dass er vom Ministerium in einem Schutzprogramm untergebracht worden sei, nachdem sich die Anschuldigen vor ein paar Monaten gegen ihn, als haltlos herausgestellt haben. (Mehr Info dazu auf Seite 23)."
Sie senkte die Zeitung. Kein Wort über Hermine. Kein einziges. Wahrscheinlich Harry zu verdanken. Sicher sogar Harry zu verdanken. Wie gern sie ihm jetzt schreiben würde. Oder ihn besuchen und mit ihm reden würde. Sie hasste es hier. Es war nicht die Umgebung, das Land oder das Wetter das sie so hasste, sondern diese Isolation brachte sie um. Sollte sie für immer hier bleiben und alt werden? Das war doch kein Leben! Sie legte die Zeitung zur Seite und rollte sich auf der Couch zusammen, als sie spürte, dass sie sich schon wieder in diese ganze Situation hineinsteigerte. Sie versuchte klar zu denken. Astoria war seit zwei Jahren Tod. Das hieß Mike war seit dreihunderteinundzwanzig Tagen tot. Ihre Finger klammerten sich an ihrem Körper fest. Wie konnte es so lange her sein und es sich trotzdem anfühlen, als hätte sie erst gestern alles verloren. Mike, ihr Ungeborenes, ihr Leben. Zum Teufel und wie konnte es sein, dass das Monster das für diese Schmerzen verantwortlich war, immer noch frei rumlief. War das Gerechtigkeit?
Sie setzte sich auf, als die Haustür zuknallte und Draco, der im Flur stand und sich die Mütze vom Kopf riss, bemerkte sie. „Du bist schon wach", stellte er nüchtern fest und Hermine nickte: „Ja, und du warst nicht da." „Ich musste meinen Kopf frei kriegen", erwiderte er knapp und pfefferte seinen Schal und Mantel auf die Garderobe. „Du hast nicht Bescheid gegeben." Er schüttelte fast genervt den Kopf. „Ich war nur draußen, in Ordnung, Granger? Ich muss dir doch nicht für jeden Schritt Rechenschaft ablegen, oder?" Es tat weh. Obwohl Hermine wusste, dass er nur so grob war, weil er verletzt war und trauerte. „Nein, musst du nicht", antwortete sie kleinlaut und fügte vorsichtig ein „Aber Dr. Meyer" hinzu. Er zog fragend seine Brauen nach oben: „Ernsthaft? Willst du mich jetzt mit dieser dummen Nuss nerven?" Er wandte sich ab und Hermine sprang auf und folgte ihm in die Küche. Er griff nach dem Teekessel und füllte ihn mit Wasser.
„Du hast letztens den Termin nicht eingehalten", versuchte es Hermine weiter und verschränkte die Hände, während sie sich an den Esstisch lehnte. „Sie hat letzte Woche nach dir gefragt." Sie trafen sich regelmäßig mit Meyer zu ihren Sitzungen. Jedes Mal wo anders und niemals in der Nähe ihres Versteckes. Letztens waren sie sogar nur deshalb in Frankreich gewesen. „Ist mir egal", knurrte er und stellte den Kessel auf den Herd. Sie sah ihm dabei zu, wie er nach dem Brot griff und sich eine Scheibe abschnitt. Als er Butter darauf verteilte räusperte sich Hermine: „Denkst du nicht, es wäre hilfreich für dich?" „Hilfreich? Wozu sollte die olle Seelenklempnerin denn hilfreich sein? Um mir Fragen zu stellen auf die ich keine Antworten weiß die ihr gefallen? Um mir anzuhören, was ich alles falsch mache? Nein Danke, darauf kann ich gut verzichten."
„Sie kann dir helfen, dein Leben in Ordnung zu bringen und die Bescheinigung..." Sie brach ab, als Draco das Messer auf die Ablage knallte. „Welches Leben den, Granger?! Welches beschissene Leben soll sie den noch in Ordnung bringen?", fragte er laut und Hermine zuckte zusammen. „Sieh dich doch um! Wir sind auf der Flucht. Wir verstecken uns vor einem verdammten Massenmörder, der immer noch auf freiem Fuß ist. Den niemand Einfangen kann! Nicht einmal der großartige Harry Potter. Denkst du ich brauche hier, in dieser beschissenen Einöde eine scheiß Bescheinigung, dass ich psychisch in der Lage bin, wieder als Auror zu arbeiten? Denkst du das wirklich? Ich brauche keine Ordnung in meinem Drecksleben, weil es nichts mehr für mich gibt. Gar nichts. Astoria ist tot. Mein Sohn ist tot. Beide sind tot! Die zwei waren meine Bestimmung, mein Leben und sie sie sind nicht mehr da oder kommen jemals wieder zurück. Denkst du also es bringt irgendetwas mein Leben zu ordnen? Wozu denn?"
Hermine war den Tränen war. Draco hatte mit ihr noch nie so geredet. Besser gesagt, er hatte sie noch nie angeschrien, seitdem sie Freunde waren. „Ich wollte doch nur...", fing sie schluckend an und Draco griff wieder nach dem Messer und widmete sich seinem Brot. „Ja, ich weiß, du wolltest nur wieder die Welt und alle anderen retten. Das liegt aber nicht in deiner Hand Granger, sieh es endlich ein." Sie atmete schwer aus und nickte leicht verstehend. Zittrig fuhr sie sich über die Augen, bevor sie Draco ansah. „Ich wollte nur sagen, dass es mir Leid tut, wegen Astoria, und das ich da bin, wenn du jemanden zum Reden brauchst." Sie sah nicht mehr, wie er ihr fast betroffen nachsah, als sie wieder nach oben ging und sich in ihrem Bett zu einer Kugel zusammenrollte. Sollte sie aufgeben? Denn Draco hatte es anscheinend getan. Aufgegeben wieder ein normales Leben zu haben? Zu hoffen, dass ihnen Gerechtigkeit wiederfahren würde? Aber was sollte sie sonst tun, wenn ihr Leben angeblich nichts mehr wert war, nach Mikes Tod? Sollte sie einfach aufhören? Aufhören zu kämpfen?

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Forced Pain
FanfictionFast sechs Jahre ist die Endschlacht her und jeder scheint sein Leben zu leben. Es könnte perfekt sein, wenn nicht seit Jahren ein Verrückter die englische Magische Welt in Atem hält. Oder vor allem junge Paare. (DMxHG)