Eric
Seufzend legte ich die nächste Akte beiseite. Ich wusste, dass es spät war. Aber ich wusste auch, dass es meist noch dazu kam, dass es Notfälle gab. Deswegen versuchte ich gar nicht schlafen zu gehen. Sanji hatte den Vorschlag gemacht, dass wir die Krankenzimmer mehrfach belegten, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, uns alle Notfälle mitzuteilen.
Meine Labor-Tür wurde geöffnet und Sanji trat ein. Hinter ihm Lev. Wir hatten zwar beschlossen, ihn nicht bei den Befreiungen teil haben zu lassen, den beim letzten Mal wäre er dabei beinahe umgekommen, aber heute war es offensichtlich nötig, sonst hätte Sanji ihn nicht geholt.
„Ich habe sie schon nach Alter und Geschlecht getrennt. Macht ihr das morgen?", fragte ich in die angestrengte Stille. Sanji nickte nur und ließ sich dann auf meine Behandlungsliege sinken. „Wo ist Nael?", fragte ich und schob mir die noch unsortierten Akten zusammen. Lev zuckte mit den Schultern und sah zu dem Omega. Sanji legte sich auf die Seite und erwiderte: „Ich habe ihn mit einem der Patienten weggehen sehen. Keine Ahnung wohin." Ich seufzte leise und erhob mich von meinem Stuhl. „Ihm wird schon nichts passieren. Es sind Kinder und Jugendliche.", sagte Sanji und drehte sich wieder auf den Rücken. „Und er ist ein Omega.", fügte Lev hinzu. Zustimmend deutete ich auf ihn und verließ dann den Raum.
Ich glaubte nicht, dass Nael in ernsthafter Gefahr war. Jedoch schien etwas nicht zustimmen und es konnte immer etwas schieflaufen. Die Befreiten konnten schwere, psychische Probleme haben und auf uns losgehen. Was auch immer es war, ich würde nach ihm sehen. Jedoch war das gar nicht so einfach. Meine Wahrnehmung für Pheromone war schon schlecht und Nael hatte angefangen seine immer runterzuregeln. Deswegen blieb mir nichts anderes übrig, als in jedes der zwanzig Krankenzimmer zu sehen.
Er ersparte es mir allerdings, denn ich fand ihn in dem elften.
Der junge Omega lag halb auf der Seite auf dem Bett. Seine Arme lagen offen und auf seiner Brust war ein Kinderkopf gebettet. Mir stieg der Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase. Es überdeckte fast alles. Leise trat ich an das Bett und sah in das junge Gesicht. Neben Naels Haut sah er grade zu rosig aus. Auch wenn ich es als normal erachtete, legte ich eine Hand sanft an seine Stirn und wanderte weiter zu seiner Schläfe und in den Nacken. Warm.
Das Kind fing an, im Schlaf zu zucken und zu wimmern. Sofort öffneten sich Naels Augen. Seine Hand legte sich an den Hinterkopf des Kleinen und ich nahm wahr, wie er seine Pheromone wahrnehmbarer machte, um meine zu überdecken. Dann sagte er leise: „Er hat schreckliche Angst. Du solltest nicht hier sein." „Ich habe mich gesorgt um dich.", erwiderte ich. „Mir geht es gut. Es scheint ihm nur besser zu gehen, wenn er sich in Sicherheit weiß.", sagte Nael und strich durch das dunkle Haar. Es erstaunte mich immer wieder, wie gut er es schaffte, mit den Kindern Vertrauen zu knüpfen. Aber seine Fähigkeit half ihm sicher dabei. „Er ist warm. Ich weiß nicht, ob es wegen der Entzündung ist.", sagte er leise und zog die dünne Decke von dem schmalen Körper.
Schon auf seiner kleinen Hand, die unter der Decke hervorgeragt hatte, hatte ich zwei Bisse sehen können. Er war nicht heiß oder schwitzig gewesen. Einfach nur warm. Die meisten Bisse, die ich jetzt sehen konnte, waren Narben. Darüber jedoch lagen frische. Sie sollten verschwinden, sobald er Nahrung bekam.
Mein Blick ging zu den Konserven hinter dem Glas. Voll. „Er wollte nicht.", sagte Nael als er meinen Blick sah. „Er hat sich grade zu dagegen gewehrt.", fügte er hinzu und rutschte unter dem Kinderkörper etwas nach oben. „Hat er dir erklärt, weshalb?", fragte ich und ließ meinen Blick weiter über seine dünnen Gliedmaßen gleiten. Nael hatte die Bisse desinfiziert und einige offensichtlich auch verbunden. Es war nicht nur Kindergebisse, was mir Angst machte.
„Nein, er spricht nicht. Selbst seinen Namen kenne ich nicht.", erwiderte Nael. Ich nickte verstehend und sah hinauf zu dem schlanken Hals. Auch hier gab es Bisse. Hauptsächlich Narben. Aber etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Sanft griff ich nach er metallenen Kette und zog sie unter seinem dunkelgrauen Shirt hervor. Eine Erkennungsmarke. Vorsichtig trennte ich die beiden Metallplatten und sah auf die eingeprägten Buchstaben. „Ezra.", hörte ich Nael sagen. Ich nickte leicht und drehte das silberne Metall um. Jedoch kam ich nicht dazu, weitere Informationen darauf zu lesen. Eine kleine Hand schlug sie mir aus den Fingern.
Ezra stopfte die Kette hektisch zurück in seinen Kragen und presste sich dann fester an Nael. „Hey, Kleiner. Alles gut. Dir passiert nichts.", versuchte er ihn zu beruhigen. Jedoch war das Gegenteil der Fall. Er fing an nach Luft zu ringen und ich sah, wie seine Hand panisch nach der Decke tastete. Also gab ich sie ihm.
Sobald er sich wieder unter der Decke begraben hatte, wurde er ruhiger, nur der schwere Atem blieb. Nael strich sanft über den, jetzt mit der Decke bedeckten Kopf und sah zu mir auf. „Habe ich was falsch gemacht?", fragte er unsicher. Doch ich schüttelte nur den Kopf. Er hatte erkannt, dass dieser Junge nicht glücklich damit war, wenn ich hier aufgetauchte, ohne dass er einen sicheren Anker in der Situation hatte. Jetzt hatte er die Möglichkeit, Schutz bei Nael zu suchen. Vorher hätten wir ihn sicher nicht beruhigen können.
„Ezra.", sagte ich leise und beobachtete, wie sein Atem kurz aussetze. Dann atmete er flacher weiter und zog die Decke bis zu seinen Augen von seinem Kopf. „Ich bin Eric. Ich werde nichts tun, was du mir nicht erlaubst. Also brauchst du keine Angst zu haben. Ich versuche, dir zu helfen. Aber wenn dir irgendetwas davon unangenehm ist, dann werde ich es nicht tun.", versuchte ich ihn zu beruhigen. Allerdings griff er nur fester in die Decke und tastete mit der anderen freien Hand über Naels Brustkorb, bis er genug von dem Stoff seines Shirts zu packen bekam.
Im Augenwinkel sah ich, wie Nael sich ein Lächeln verkniff. Gleichzeitig jedoch die Luft anhielt und den Jungen beobachtete.
„Kannst du damit leben, heute Nacht hier zu bleiben?", fragte ich den Omega. Nael nickte sofort und erwiderte: „Damit habe ich schon gerechnet."
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Vamp Zone 《4》
Fantasy《Abgeschlossen》 Die letzten Jahre haben die Vampire sich in der Unterstadt verschanzt. Die Bedrohung wird immer größer und an Freiheit ist nicht zu denken. Nicht nur dadurch hat Nael zu kämpfen. Der ständige Kontakt zu Moe macht ihm zu schaffen. Un...