100. Ablehnung

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Lev

„Sie sind da!", hörte ich es aus der Mensa. Verwundert sah ich von meinem Notizbuch auf. Auch Sanji legte sein Buch weg und sah zur Tür. „Sorin?", fragte er leise und schwang die Beine über die Kante der Behandlungsliege. „Ich geh schon. Sicher haben sie Verletzte.", sagte ich und erhob mich. „Nein, Lev. Das sind Wölfe. Die nehmen dich auseinander. Das sind keine Vampire.", sagte Sanji und versuchte nach meinem Arm zu greifen. „Alles gut. Vanja ist dort oben. Mir wird nichts passieren.", erwiderte ich und lächelte ihn beruhigend an. „Vanja.", lachte Sanji und zuckte neckend mit den Augenbrauen. „Kann man gratulieren?", fragte er grinsend. Sofort stieg mir die Farbe ins Gesicht. „Wie kommst du denn da drauf?", fragte ich nervös und legte mir eine Hand in den Nacken. „Ach komm. Man sieht sehr deutlich was für Blicke ihr austauscht.", erwiderte er. Ich schluckte leicht und murmelte: „Er ist sich nicht sicher und ich will ihn nicht drängen. Also bitte, sag dazu nichts. Es scheint ihn zu belasten." Sanji nickte mit eine besorgten Blick. Doch ich ging nicht weiter darauf ein, sondern machte mich jetzt auf den Weg.

Mit schnellen Schritten verließ ich den Bunker und trat auf die frei Fläche. Sofort drangen Stimmen an mein Ohr. Überall schlugen kleine Gruppen ihr Lager auf. War es nicht geplant, dass die Rudel ohne Unterkunft im Bunker blieben?

Verwundert sah ich mich weiter auf der Lichtung um bis mein Blick auf die kleine Gruppe am Waldrand fiel. Unsicher überquerte ich das Feld bis ich nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt war. Doch da sah ich wie Maro auf den Boden stürzte und anfing nach Luft zu ringen.

„Maro!", rief ich entsetzt und stürzte auf ihn zu. Doch bevor ich ihn erreichen konnte packte Vanja mich am Arm und zerrte mich zurück. „Nicht. Misch dich nicht ein.", zischte er und drängte mich hinter sich. „Was?", fragte ich verwirrt und sah über seine Schulter. Erst da erkannte ich, dass Maros Schmerzen nicht von ungefähr kamen.

„Du wirst dich nur verletzen.", hörte ich Vanja sagen doch ich sah nur schockiert auf die blutroten Augen des Rudelführers. Er war der Grund für Maros Schmerzen.

Im Augenwinkel sah ich wie der Junge, der bei einer weiteren Fremden stand sich langsam zurück zog. Es schien fast so als wüsste er ganz genau was Maro grade fühlte. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich die beiden sogar wieder. Sie hatten bei Valea gehockt.

Ich sah zurück zu Maro, der sichtbar gegen den Schmerz kämpfte. Erneut zuckte es durch meinen Körper. Ich musste ihm helfen. Doch Vanja griff nur nach meinem Arm und versperrte mir den Weg.

Im selben Moment schrie Maro auf und hob den Kopf. Sein Blick war auf die Augen seines Peinigers gerichtet. Langsam nahmen seine Glaskörper eine gräuliche Farbe an, sie wurde immer dunkler bis seine Augen gänzlich in Schwarz getaucht waren.

Zeitgleich beobachtete ich wie Dragans Gesichtszüge sich verhärteten. Das was ihm grade noch so einfach fiel schien ihm jetzt einiges abzuverlangen.

Langsam erhob sich Maro vom Boden. Ich sah deutlich, dass er noch Schmerzen hatte aber offensichtlich nicht annähernd so sehr wie noch kurz zuvor. Mit bedrohlichen Schritten ging er auf Dragan zu bis sie direkt vor einander standen.

„Ich hätte dich töten soll als du noch in unserem Keller hingst.", zischte Maro aus zusammen gekniffenen Zähnen. Aus Dragans Kehle kam nur ein dunkles Knurren. Bevor er angestrengt nach Luft schnappte als würde ein Gewicht stemmen.

Es gab kaum einen Größenunterschied zwischen den beiden. Dennoch schien es doch so als wäre Dragan unterlegen. Er hatte nicht die Muskelmasse, die Maro zu bieten hatte und das wusste auch Maro. Denn in dem Moment in dem ich das dachte packte Sanjis Bruder den schlanken Hals des Rudelführers und drängte ihn zurück. Dragan folgte dieser Bewegung um dem Druck auf seinem Hals auszuweichen. „Leg dich nicht mit mir an.", sagte er warnend und legte eine Hand auf den starken Unterarm. „Wieso? Weil ich gewinnen könnte?", erwiderte Maro und griff etwas fester zu. Die rote Farbe verschwand auf Dragans Augen bevor er anfing zu lächeln. „Nein, du könntest dich verletzten.", erwiderte er und schlug in dem Moment mit seiner Handkante auf Maros Kehlkopf. Husten stolperte er zurück. Doch er hatte keine Zeit sich von diesem Überraschungsangriff zu erholen. Dragan war ihm gefolgt und stieß ihn mit einem einfachen Tritt zu Boden. Ich konnte gar nicht so schnell schauen wie Dragan auf ihn stürzte. Sah nur wie beide die Zähne fletschten und nach der Kehle des jeweils anderen schnappten. Ängstlich griff ich nach Vanjas Oberarm und drückte mich an seinen Rücken. Wieso tat denn niemand etwas?

Ziemlich bald floss Blut und ich wusste schon jetzt, dass einer der beiden sicher eine Weile auf der Krankenstation verbringen musste. Kurz sah ich zu Atayo, doch auch wenn er zu begreifen schien, das sein Bruder sich da in etwas ganz dummes hineingebracht hatte, schien er ihm nicht helfen zu wollen.

„Vanja bitte.", hauchte ich leise doch sein Griff um meinen Arm wurde nur noch fester. Offensichtlich wollte er auf keinen Fall, dass ich mich dazwischen warf.

Also musste ich mit Entsetzen dabei zu sehen wie Maro die Überhand gewann und Dragan mit beiden Händen am Hals auf den Boden presste. Unruhig beobachtete ich wie sein Gesicht langsam anfing blau anzulaufen. Sein Brustkorb hob und senkte sich vergeblich. Ich sah wie die Panik in seine Augen kroch. Doch diese Panik musste ihm die letzte Kraft gegeben habe um erneut die rote Farbe in seine Augen wandern zu lassen. Mit einem markerschütternden Schmerzenslaut krümmte Maro sich zusammen ließ aber nicht von seinem Hals ab. Dennoch sah ich wie sein Gesicht wieder eine gesunde rötliche Farbe annahm bevor er Maro von sich runter bucksierte. Im selben Moment wechselte er seine Gestalt und so stand er mit zuckenden Lefzen über dem großen Vampir. Maro versuchte noch seine Hand zu heben etwas gegen die Unterwerfung zu tun. Doch sobald er sich rührte kam ein vibriendes Knurren aus dem Brustraum des großen Wolfes. Der Speichel tropfte über die langen entblösten Zähne hinab auf sein Gesicht. Doch Maro schloss nur ergeben die Augen.

Ein leises Schnauben entkam der Schnauze des Wolfes bevor er von dem Körper stieg und sich abwand. Erneut wechselte er seine Haut und würdigte Maro keines Blickes mehr.

Zeitgleich gingen die fremde Frau und Vanja auf die Knie. Verwirrt sah ich auf den Mann vor mir hinab. Was tat er?

„Du wirst also bleiben?", fragte Dragan. Sein Atem war schwer und ich hörte das leise Rasseln in seiner Stimme doch er überspielten seinen Schaden recht gut. „Wenn es erlaubt ist.", erwiderte Vanja und sah zu Dragan auf. „Gestattet.", sagte der Dunkelhaarige und wand sich dann zu Atayo. „Wo finde ich Cirah?", fragte er dunkel. Sofort deutete Atayo ihm zu folgen und die beiden verschwanden, samt der Frau mit dem Jungen. Nur das Mädchen blieb erneut zurück. „Junge Wölfin, ihr solltet eurem Vater folgen.", sagte Vanja und erhob sich wieder von dem staubigen Boden. Doch das junge Mädchen beachtete ihn nicht. Sie trat nur langsam auf Maro zu und kniete sich neben ihn in den Dreck. Sein Atem war tief und er regte sich nicht. Aber soweit ich es sehen konnte schien nur sein Frust ihn daran zu hindern aufzustehen.

„Du kennst meine Mutter?", hörte ich die sanfte Stimme des Mädchens sagen. Maro schlug die Augen auf und musterte das Gesicht der Kleinen. „Ja.", sagte er dunkel und richtete sich langsam auf. Stumm hockten sie eine Weile dort und sahen sich nur an. Doch dann erhob sich das Mädchen und verschwand in Richtung Bunker.

„Kann ich dir helfen?", fragte ich vorsichtig. „Nein, lasst mich einfach alleine.", knurrte Maro und stand auf um dann im Wald zu verschwinden.

„Wieso hast du mich zurück gehalten?", fragte ich sobald Maro zwischen den Bäumen verschwand. „Du hättest ihn untergraben. Du willst nicht, dass diese Rudel hier einen neuen Rudelführer bestimmen. Wir brauchen ihn.", erwiderte Vanja und drehte sich ebenfalls zum Gehen. „Vanja, warte.", rief ich ihm nach. „Du wolltest dich nicht unterwerfen.", stellte ich fest als ich bei ihm ankam. „Ich musste.", erwiderte er kühl. „Du musstest?", wiederholte ich und blieb verwirrt stehen. „Hätte ich es nicht getan hätte ich mich beweisen müssen. Dann hätte ich seine Stärke nicht anerkannt.", erwiderte er trocken ohne stehen zu bleiben. „Du bleibst nicht meinetwegen?", fragte ich vorsichtig und folgte ihm weiter. „Deinetwegen? Wie kommst du denn darauf?", knurrte er und drehte sich zu mir herum. „Ich dachte...", stammelte ich und musterte ängstlich sein Gesicht. „letzte Nacht...", fügte ich leise hinzu. „Sprich nicht darüber.", fuhr er mich zischend an, bevor er mir wieder den Rücken kehrte und zwischen den Hütten verschwand.

Ich hatte Recht gehabt. Es war ihm nicht angenehm gewesen. Es verunsicherte ihn. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt