67. Gefallener Engel

21 6 0
                                    

Favio

Stumm beobachtete ich Kenneth bei der Ernte. Drehte verträumt eine der Beeren in meinen Fingern und musterte seine Schönheit. Noch drei Tage... Drei Tage mit ihm. Ich konnte ihn nicht verraten. Nicht den Mann, der für mich da war und mich liebevoll umsorgte. Nicht Kenneth.

Neben mir strich ich mir über die Nase. Erst etwas später bemerkte ich meinen blutverschmierten Finger. Sofort zog ich ein Tuch aus meiner Tasche und wischte dieses fort. Nebenwirkungen. Etwas das Belial nicht wusste. Ich jedoch schon. Ich hatte die Dinge erfunden und es war geradezu passig, dass ich jetzt an ihnen zugrunde ging. Dabei war es egal ob er meinen Kopf hochjagte oder nicht.

Denn sie strahlten. Alphastrahlung. Gelagert waren sie ungefährlich da ihre Strahlung nicht durch die menschliche Haut drang. Im Körper jedoch richteten sie erheblichen Schaden an. Das Nasenbluten war nur der Anfang. Allerdings wollte ich mir nicht ausmalen an welchem der anderen Symptome ich sterben würde. Aber eins war klar. Ich würde zum Sterben in den Wald gehen. Niemand sollte es mitbekommen. Erstrecht Kenneth nicht.

Mit Blick glitt wieder zu ihm. Wie konzentriert und geschickt er die Früchte erntete. Geradezu liebevoll löste er sie von den Pflanzen. Mit dem selben Blick den er hatte, wenn er zärtlich mit mir war.

„Vio? Alles okay? Du weinst.", hörte ich ihn sagen. Verwundert hob ich eine Hand an meine Wange und stieß auf die nassen Spuren. „Alles gut, ich bin nur glücklich.", erwiderte ich leise und ließ mich gegen die Mauer sinken. „Lüg mich nicht an. Ist es wegen deinem Ex? Hast du Angst?", fragte er und kam zu mir herüber. „Bel kann uns nichts tun. Er hat seine Chance vertan.", murmelte ich und beobachtete wie Kenneth über meinen Oberschenkel strich. „Was bedrückt dich dann?", fragte er leise und lehnte seinen Kopf gegen die Mauer um mich von der Seite anzusehen. Schon im Augenwinkel sah ich wie heiß das aussah. „Das ich fast geworden wäre wie sie.", log ich und sah ihn jetzt ebenfalls an. Kenneth lächelte sanft und erwiderte: „Wärst du nicht. Du warst von Anfang an in deinem Herzen ein guter Mensch."

War ich das? Konnte ich ein guter Mensch sein, auch mit den Taten in meiner Vergangenheit?

Ein gellender Schrei unterbrach meine Gedanken. Hallend schalte er über die Lichtung. „Jon.", keuchte Kenneth und sprang auf. Woher er auch immer er wusste, dass es sein bester Freund war. Umständlich erhob ich mich ebenfalls und eilte Kenneth nach.

Kurz vor den letzten Ruinen holte ich ihn ein. „Wölfe?", kam es ungläubig über meine Lippen als ich Kenneths besten Freund entdeckte. Auf ein Knie gesunken verteidigte er sich so gut er konnte. Jedoch sah man von hier wie seine Kraft mehr und mehr nach gab. „Werwölfe. Es gibt hier keine Wölfe", verbesserte Kenneth und verließ meine Seite. Hecktisch wollte ich ihn aufhalten. Aber seine Hand entglitt meiner. Was dachte er sich nur dabei? Er war nicht unverwundbar.

Doch wenig später beantwortete sich diese Frage.

Riesige schwarze Schwingen brachen aus seinem Rücken und warfen einen mächtigen Schatten auf die Szene. Mit einem Flügelschlag ließ er die Wölfe verwehen als wären sie alte Zeitungen im Wind. Sofort richtete Jon sich auf und humpelte zu Ken, schlang seine Arme um dessen Taille und suchte Schutz im Schatten seines Freundes. Einen weiteren Angriff ließ er an seinem Flügel abprallen als wäre er eine Betonwand.

Was war er? Ungläubig stolperte ich zurück, hatte nur die ängstlich aufgerissenen Augen auf ihn gerichtet. Die riesigen schwarzen Schwingen, welche er drohend hob. Gefallener Engel? So wie er da stand. Das Licht des Sonnenunterganges glühend auf den schwarzen Federn. Dämon? Teufel? Hatte er nicht gesagt er wäre ein Mensch? „Ich bin kein Vampir.", hallte es in meinem Kopf. Wir waren nicht gleich. Er war übergelaufen, weil er ebenso eine solche Kreatur war. Doch ich... ich hatte erst angefangen über Verrat nachzudenken als ich ihn kennenlernte. Vorher wollte ich mich nur von dieser Gewalt distanzieren. Es war seine Schuld. Wer wusste welche Fähigkeiten er hatte... Vielleicht war er an allem Schuld.

Ängstlich wich ich weiter zurück bis ich mich in einem sicheren Abstand befand und dann herum wirbelte um die Flucht anzutreten.

Yama

„Ranga, was tust du hier?", fragte ich verwirrt als ich den schwarzhaarigen vor meiner Tür auf dem Gang fand. „Sanji hat mich rausgeworfen.", murmelte er mit schwerer Zunge und strich sich durch die dunklen Haare. Mitleidig legte ich den Kopf schief. Eigentlich wollte ich ja zu Cirah. Aber ich konnte ihn jetzt nicht einfach hier sitzen lassen. Also ging ich zu ihm und legte seinen Arm über meine Schultern. Sofort schlug mir seine Fahne ins Gesicht. Ich wusste nicht ob er schon früher Probleme mit Alkohol hatte aber ich konnte mir gut vorstellen, dass seine Trennung von Sanji damit etwas zutun hatte.

Vorsichtig ließ ich ihn auf mein Bett sinken und brachte ihn in die waagerechte. Er sollte vielleicht erst seinen Rausch ausschlafen bevor er sonst irgendetwas tat. Alleine, dass er in dem Zustand bei Sanji war.

Ich hatte nie viel Kontakt zu den beiden gehabt. Sanji kam für mich immer irgendwie etwas hochnäsig rüber, vielleicht aber auch nur weil ich ihn als intelligent einschätzte und Ranga hatte sich nie außerhalb der Arbeit mit dem Technikteam beschäftigt. Dennoch mochte ich ihn. Er passte gut ins Team, nicht nur mit seinen Fähigkeiten. Erlich gesagt genoss ich es nicht nur alleine mit Chaz zu sein. Wenn ich nicht schon so lange mit ihm Kontakt hätte könnte ich der Meinung sein er wäre stumm. Kaum eine Situation brachte ihn zum sprechen. Weswegen ich mich immer sehr langweilte. Mit Ran war es anders.

„Bin ich so schrecklich?", winselte er und griff ins Laken. „Keine Ahnung man. Ich habe noch keine Beziehung mit dir geführt oder mit dir geschlafen.", erwiderte ich und holte einen Lappen und eine Schüssel. Fürsorglich fing ich an seine Haut zu benetzen. In der Hoffnung sein Kater wäre dann nicht allzu schlimm. „Wir schlafen nicht mit einander.", murrte er und entriss mir seine Hand. „Oh Junge, dann würde ich auch mit dir Schluss machen.", erwiderte ich und zog seinen Arm zurück zu mir. Im Augenwinkel sah ich wie stumm eine Träne über seine Wange floss. „Seit wann.", fragte ich also etwas einfühlsamer und nahm seinen anderen Arm. „Seit wir zusammen sind. Seit wir hier sind.", hauchte er mit belegter Stimme. „Oh man.", murmelte ich und legte den Lappen an seinen Nacken. Doch sofort fuhr er zusammen und wich mir aus. Erst da erkannte ich das Mahl. Es war so unglaublich unscheinbar. Dabei hatte ich es früher schon ausgeprägter gesehen. Auch konnte ich den Omega nicht mehr an ihm wahrnehmen. Ob Sanji wirklich menschlich wurde? Es gab Gerede darüber aber mich selber hatte ich noch nicht überzeugen können. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt