23. neue Eindrücke

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Nicoleen

Meine Augen waren mit der Zeit sehr gut in der Dunkelheit geworden, weshalb ich die Umrisse der Bäume und den Weg ziemlich gut sah. Ich genoss die frische Luft, auf die ich die letzten sieben Jahre hatte verzichten müssen. Chrissy hatte mich nur einmal in den Hinterhof gelassen als ich krank war und mein Kopf so sehr geschmerzt hatte. Ich glaube, ich hatte noch nie einen solchen Schmerz erfahren. Außer den Tod meiner Eltern. Mein Blick ging zu Eric, welcher schräg vor mir ging. Er war immer noch sehr viel größer als ich, was ich mochte. Ich mochte es schon damals. Auch wenn ich ihm jetzt nicht mehr nur zum Ellenbogen reichte.

Er hatte mich vor diesem Schmerz beschützt und mich wieder hineingestoßen. Mich glauben lassen, ich hätte ihn verloren.

Unsicher griff ich nach seiner Hand und holte ein Stück auf. Er erwiderte den Druck und sah zu mir hinunter. „Danke, dass du mich geholt hast.", sagte ich leise und schmiegte mich im Gehen an seine Seite. „Ich wusste du würdest nicht mehr sicher sein.", erwiderte er und strich über meinen Handrücken. „Bleib' ich jetzt bei dir?", fragte ich leise und sah wieder vor uns auf den Weg. „Ja.", erwiderte er leise. Dann war es wieder still.

So still wie damals als wir zu zweit durch den Wald gewandert sind. Bevor wir Chrissy kennenlernten. Als es nur uns gab. Als er keine Chance hatte, mich irgendwo abzuladen und zu gehen.

Seine Worte vorhin an Chrissy schwirrten in meinem Kopf. Weshalb hatte er ihr sagen können, dass sie attraktiv war? Aber meiner Frage wich er aus. Tat es ab. Als wäre ich immer noch das kleine Mädchen, dass grade ihre Periode bekam.

Seufzend lief ich weiter an seiner Seite und versuchte zu vergessen.

Allerdings dauerte es noch eine Weile, bevor wir an den Ruinen ankamen, die Eric einmal kurz auf dem Weg erwähnt hatte. Er führte uns durch ein Tor hin zu einem Block aus aufgemauerten, alten Steinen. Dort schob er eine Metallplatte beiseite und half Chrissy in das Loch. Ich folgte ohne Hilfe. Über sich selbst schloss er die Luke wieder und ich hörte, wie er in der Dunkelheit über die Wand tastete. Kurz darauf flammte eine Notbeleuchtung an. Stumm folgten wir ihm durch den langen Tunnel, bis wir vor einer Tür ankamen, die nicht mehr nach Bunker hätte aussehen können. Wie schön. Ein neues Gefängnis. Eric legte seinen Finger auf einen Kopf in der Tür. Es dauerte einen Moment, bevor die Tür ein Klacken von sich gab und dann nach außen aufschwang. „Willkommen zurück.", sagte ein großgewachsener Vampir mit schwarzem Haar und honigbraunen Augen. „Danke, Yama.", erwiderte Eric und winkte uns hindurch. „Menschen?", fragte Yama als Chrissy an ihm vorbeiging. „Sie ist wie Victor.", erwiderte Eric und zog sie an sich, als müsse er sie schützen. „Mir solls egal sein. Klär das mit Kenneth.", erwiderte Yama und schloss die Tür hinter mir. Von der Seite hatte seine in riesiges Rad, welches massive Stäbe in die Verankerung drehte und einen Durchbruch wahrscheinlich unmöglich machte. Bye, bye Freiheit.

„Komm.", hörte ich Chrissy sagen und wenig später zog sie mich weiter in diesen Untergrund. Eric hinterher. Es war nur noch ein kleiner Tunnel, den wir durchquerten, bevor wir in einer großen Halle ankamen. Ich hörte Kinder lachen, Gespräche, Gläser. Roch Blut und etwas, das ich nicht zuordnen konnte neben dem Geruch, den ich auch schon bei Eric wahrgenommen hatte.

Chrissy nahm meinen Unterarm und zog mich hinter Eric hinterher durch die Personen in diesem Raum, hin zu einem Durchgang. Dort erwartete uns ein weiterer Gang. Erst nach sehr vielen Türen öffnete er eine davon und schob Chrissy hindurch. Ich folgte. Es war ein Raum mit Regalen bis an die Decke. Voll mit Akten. In der Mitte stand ein Tisch und links von mir stand eine Behandlungsliege mit einem Schrank, in welchem, offensichtlich, Verbandszeug und ähnliches waren. Erst dann fiel mein Blick auf die Personen im Raum. Auf der Liege saß ein junger Mann. Seine zweifarbigen Haare hatte er in einem hohen Knoten zusammengebunden. Ein zweiter Mann stand neben ihm und betrachtete eine klaffende Wunde an seinem Hals. Während ein dritter an den Regalen auf und abging. Die beiden letzteren hatten beide gläserne Haare und schneeweiße Haut. Und dieser Geruch.

Der Mann, welcher an der Liege stand, wand seinen Blick zu uns und erschrocken wich ich zurück. Blass rote Augen starrten mich an. Ich wich noch einen Schritt zurück und stieß dabei an Erics Brust. Schnell drehte ich mich herum und klammerte mich an seinen Brustkorb. „Sicher, dass sie nicht deine Tochter ist?", fragte der Mann und sah zu Eric auf. „Ich sagte dir bereits, dass ich keine Kinder habe.", erwiderte Eric. „Erklär mir lieber das.", fügte er hinzu und deutete auf den jungen Mann. Auch er hob den Blick und zeigte mir so seine stahlblauen Augen. Sie waren eine perfekte Harmonie mit den hellen, weißen Strähnen, die aus seinem Knoten gefallen waren. Aber ein viel schönerer Kontrast zu seinen dunklen Haaren. Ob sie gefärbt waren? Hatte man für so etwas Zeit? „Moe hat ihn gebunden.", hörte ich jetzt den dritten Mann sagen. Sein Körper war filigran wie der des jungen Mannes auf der Liege und so klang auch seine Stimme. „Es war eine dumme Idee, sie zusammen zusperren.", fügte er hinzu und lehnte sich an das Regal. Dabei rutschten seine langen Haare hinter seine Schulter und entblößten ein Biss Mahl an seinem Hals. Meine Mutter hatte ebenfalls so ein Mahl gehabt. Es war der Grund gewesen, weshalb sie bei meinem Vater geblieben war. Sie konnte sich nicht von ihm entfernen. Also, wer hatte ihm das angetan? Musste die Person hier im Raum sein?

„Moe? Wo ist er?", fragte Eric. „Im Kerker.", knurrte der Mann bei der Liege. „Nein, ich habe ihn in sein Zimmer zurückgelassen. Ihn trifft keine Schuld. Nael hier, ist nur einfach etwas zu impulsiv und manipulativ.", erwiderte der schlanke Mann und deutete auf den Jungen auf der Liege. Dieser verdrehte die hübschen Augen und zischte auf, als der Dritte anfing, den Riss zunähen. „Kann man euch denn nicht alleine lassen ...", murrte Eric und löste mich von sich, um sich zu dem Tisch zu begeben und sich an die Platte zu lehnen. „Nico, Chrissy, das ist im übrigen Sanji. Mein Schwanger aus zwei Gründen. Er ist Partner meines Bruders und Bruder der Partnerin meines jüngsten Bruders.", erklärte er und deutete auf den Mann mit den gläsernen Haaren und dem Biss am Hals. Er lächelte sanft und deutete eine kleine Verbeugung an. Erics Bruder hatte ihm also dieses Mahl verpasst. „Das auf der Liege ist Nael. Sanjis Halbbruder und somit auch irgendwie mein Schwager. Das Massaker da an seinem Hals ist offensichtlich von dem ältesten meiner Brüder.", führte er weiter und deutete, dann auf die letzte Gestalt. „Und Shota. Beziehungsweise Shinji. Er ist der Vater der beiden und ehemaliger bester Freund meines Vaters.", schilderte er und erntete damit ein kleines Schnauben. „Shota reicht.", hörte ich den letztgenannten sagen.

„Also eine Familienzusammenkunft.", stellte Chrissy fest. Sanji schmunzelte leicht und zuckte mit den Schultern, bevor er sagte: „Ich denke, hier kommen viele Familien zusammen. Unsere ist nur besonders groß, weil wir eine der letzten sind, die Vampirtratitionen aufrechterhielten und uns nicht in alle Himmelsrichtungen verteilt haben. Ausnahme von ihm." Dabei deutete er auf Shota. Dieser senkte geschlagen den Kopf und seufzte leise, bevor er sich wieder der Wunder widmete.

In dem Moment wurde die Tür geöffnet und eine weitere Person betrat den Raum. Kurz schien er verdutzt über die Fülle. Schüttelte dann aber den Kopf und sah zu Eric. „Ich hab gehört, du seist wieder da. Ich muss mit dir reden.", sagte er und schloss die Tür hinter sich. Dann strich er sich die rotblonden Haare nach hinten und ich sah wie sein Blick zu Sanji glitt. „Ich wurde beauftragt auf einen kleinen Jungen zu achten.", setzte er an und ließ seine Augen kurz zu mir und Chrissy gleiten, aber offensichtlich störte unsere Anwesenheit nicht. „Ezra.", sagte Sanji und verschränkte die Arme. „Ezra.", wiederholte der Neuankömmling und räusperte sich dann. „Er hält sich für einen Menschen.", sagte er und sah letztendlich wieder zu Eric. „Er ist vampirfeindlich und hat offensichtlich Meinungen der Jäger übernommen.", führte er aus. Sanji runzelte die Stirn und erwiderte: „Ezra ist ein Kind. Ein Vampirkind. Wie kommst du auf vampirfeindlich?" „Jon, interpretiert nicht zu viel.", mahnte Eric und verschränkte die Arme. „Er hat mich eine Zecke genannt und weigert sich, Blut zutrinken. Er isst jedoch Kenneths Essen. Da ist nicht viel Raum für Interpretation.", knurrte Jon und ich sah wie sich seine Nasenflügel hoben und senkten.

„Ich schau' mir das später an.", versprach Eric und schüttelte leicht den Kopf. Offensichtlich ein viel gefragte Mann, wenn man ihn schon so schnell nach seiner Ankunft belagerte.

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt