8. Moe

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Nael

Stumm ließ ich das kühle Wasser auf meinen Körper prasseln. Meine langen Haare klebten flach auf meiner Brust und langsam konnte ich die hellen Strähnen wieder erkennen. Fragt mich nicht, wie ich es geschafft hatte, über und über mit Blut bedeckt zu sein. Ich wusste nur, dass ich jetzt hier stand und auf die dunkelrote Pfütze zu meinen Füßen starrte, während mir das blutige Wasser vom Hinterkopf ins Gesicht und über meinen Rumpf lief.

Aber was viel schlimmer war ... ich hatte das erste Mal heute Zeit nachzudenken.

Seufzend schloss ich die Augen und wischte mir das Wasser aus dem Gesicht, nur damit es wieder nachfloss. Vor meinem inneren Auge sah ich Moe vor mir stehen. Meine Krallen an seiner Kehle. Dieser schmerzerfüllte Blick. Ich wusste, dass er es ernst meinte. Ich wusste, dass es so gekommen wäre. Er hätte mich für sich beansprucht. Mich markiert. Und er hatte auch damit recht gehabt, dass ich das nicht gewollt hätte. Ich wusste nicht, ob ich mich nur ausprobieren musste. Wusste nicht, ob mein Interesse an Männern nur daran lag, dass Atayo mein erster Alpha Kontakt war. Ich wusste nichts. Selbst jetzt nicht. Ich hatte keine Zeit gehabt, mir jemanden zu suchen. Es hatte sich nichts ergeben und wenn ich ganz ehrlich war, dann lag das an Moe. Nicht, dass ich ihm so lange hinterher getrauert hätte. Aber die Ablehnung hatte mich getroffen.

Auch Sanji hatte das bemerkt. Zumindest erklärte ich mir damit seine Fürsorge.

Wieder entfloh mir ein leises Seufzen und ich legte meine Hand an die geflieste Wand vor mir. Ähnliche Fliesen wie im OP. Wenn nicht sogar die gleichen. Ich konnte es nicht erkennen. Aber auf jeden Fall die gleichen wie in der Ausblutung, wo ich grade herkam. Nein, ich hatte nichts verschüttet. Ich war gefallen.

Moe.

Gott, konnte das jetzt mal aufhören? Entnervt stöhnte ich auf und legte den Kopf in den Nacken. Ich wollte nichts von ihm. Nur Rache. Rache für das eine Jahr, dass er mich bei meinem Vater versauern lassen hatte und Rache für die darauffolgenden Jahre, die er eiskalt zu mir gewesen war. Schamlos den Raum verlassen hatte, sobald ich ihn betrat und mir das Gefühl gegeben hatte, ich wäre etwas Widerwärtiges. Wie lange ich mir gewünscht hatte, nie die Hütte im Wald verlassen zu haben. Dass ich einfach in meinem Busch hocken geblieben wäre. Atayo und Maro hätten es auch sicher ohne mich geschafft. Ich würde immer noch glauben, dass Shota ein alter Freund meines Vaters wäre. Da wären keine lang verschollenen Geschwister. Aber dann wäre da auch kein Sanji, der mir die letzten Jahre so sehr geholfen hatte. Mir meinen Rang erklärt hatte. All das nachgeholt hatte, was unser Vater versäumt hatte.

Ich hätte meinen Halbbruder liebend gern früher an meiner Seite gehabt. Seine Ratschläge, seinen Trost, seine Unterstützung, sein Verständnis. All das liebte ich so sehr an ihm und es machte ihn zu meinem Lieblingsbruder. Aber gut, Gleich und Gleich gesellt sich gern, richtig?

„Nael?"

Erschrocken schrie ich auf und stellte das Wasser ab. „Entschuldige bitte. Du warst nur so lange verschwunden. Da habe ich mir Sorgen gemacht.", hörte ich meinen, ebenen genannten Bruder hinter der dünnen Wand in meinem Rücken sagen. „Alles gut. Tut mir leid. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten. Ich ... ich war nur in Gedanken vertieft.", stammelte ich und sah an mir herunter. Das Blut war längst weg, also zog ich das Handtuch von der Trennwand und wickelte es um meinen Körper, bevor ich die Kabine verließ. Sanji lehnte an den Waschbecken und musterte mich besorgt. „Ist es Moe?", fragte er grade heraus und ich sah schon von hier, wie er meine Reaktion genaustens analysierte. Also brachte lügen nichts. „Vergangenheit.", versuchte ich als Ausweichmöglichkeit. „Hast du seinetwegen geblutet? Ist er dir wieder ...", setzte Sanji an, verstummte jedoch als ich sofort anfing den Kopf zu schütteln.

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt