52. Entscheidung

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Eric

Auch heute suchte Ezra meine Nähe und hockte auf der Behandlungsliege. Vor ihm lagen ein paar der wenigen Bücher, die ich noch besaß. Aufmerksam las er sie jetzt schon seit Stunden und auch wenn er langsam las, er schien sie zu verstehen.

„Ezra, was hat deine Meinung über mich geändert?", fragte ich in die Stille und legte die Akte, die ich in den Händen hielt, weg. „Meinung?", fragte er verwirrt. „Du hattest Angst.", erwiderte ich. Der schmächtige Junge nickte und zuckte erneut mit der Nase. „Ich weiß nicht. Dein Geruch vielleicht. Es erinnert mich an etwas.", erwiderte er und lehnte sich gegen die Wand hinter ihm. „Wie alt bist du?", fragte ich. Denn schon wieder kam er mir so erwachsen vor. „Sieben.", war die leise Antwort. Doch weiter konnte ich nicht fragen.

Die Tür wurde geöffnet und Nicoleen stand im Türrahmen. „Kann ich dir helfen?", fragte ich als sie einfach nur da stand und nichts sagte. Doch es blieb dabei. Sie fing nur an zu zittern. Also stand ich auf und ging zu ihr um sie zu stützen. „Ezra, kannst du später wiederkommen?", fragte ich den Jungen, der schon von der Liege gestiegen war und die Bücher zur Seite räumte. „Klar.", erwiderte er bevor er den Raum verließ.

„Nico, was ist los?", fragte ich besorgt und setzte sie auf die Liege. Sie rang zitternd nach Luft und sah dann mit geröteten Augen zu mir auf. „Ich weiß es nicht. Aber alles tut so schrecklich weh und ich manchmal fehlt mir die Luft zum Atmen.", wimmerte sie und griff in den Stoff ihrer Hose. „Seit wann hast du das?", fragte ich und legte sie sanft auf den Rücken. Mit ihrem Herzschlag war alles in Ordnung, vielleicht etwas schnell aber regelmäßig. „Vor einer Woche hat es angefangen.", erwiderte sie und fing an tiefer und ruhiger zu atmen. Ich schüttelte seufzend den Kopf und setzte mich neben sie. Dann sagte ich sanft: „Bitte komm das nächste Mal früher." Nico schnaubte leise und erwiderte: „Du warst mit Chrissy beschäftigt. Ich wollte nicht stören." War das Trotz? „Nicoleen, ich bin immer für dich da.", sagte ich und nahm sanft ihre Hand. „Nein, warst du nicht!", schrie sie und entriss mir ihre Hand. „Nico.", kam es ungläubig über meine Lippen. „Du hast versprochen mich bald zu holen. Du hast versprochen, dass ich bei dir bleiben dürfte. Stattdessen lässt du mich bei Chrissy. Das ist kein Mutter- Vater- Kind Spiel.", fügte sie außer sich hinzu. Kurz sah ich sie stumm an bevor ich sagte: „Das habe ich so auch nie gesehen, Nico." „Ach nein? Warum fühlt es sich dann verdammt so an? Chrissy ist ein Mensch. Warum scheinst du sie zu lieben und warum gehst du davon aus, dass ich bei ihr bleiben wollte? Ich kann sie nicht als Mutter sehen. Aber du... Du konntest ihr sogar sagen wie hübsch sie ist und wie attraktiv. Aber mir?", rief sie und richtete sich wieder auf. Bevor ich etwas erwidern konnte ging die Tür erneut auf. Seufzend drehte ich mich herum und entdeckte meinen besten Freund. „Alles okay hier? Ich habe die lauten Stimmen gehört.", sagte er und schloss die Tür wieder hinter sich. „Ja alles gut. Nico hat nur Schmerzen.", erwiderte ich. Im selben Moment fing sie wieder an zu zitternd und zu krampfen. „Oh Shit. Ich hole Shota.", hörte ich Atayo sagen bevor die Tür erneut ins Schloss fiel. „Shota?", fragte ich verwirrt aber darauf würde ich keine Antwort bekommen.

„Nico, es tut mir leid, dass du so über mich denkst.", sagte ich und brachte sie wieder dazu sich hinzulegen. Ich wusste, dass einiges wahres an ihren Worten war aber die Wut dahinter bestand zum Teil auch an dem Schmerz. „Ich hoffe, du wirst es irgendwann verstehen.", murmelte ich leise und strich über ihre Stirn. Langsam wurde sie ruhiger und nur noch ihre Atem war ungewöhnlich tief.

Doch da kam auch schon Shota durch die Tür. „Sicher, dass du...", setzte ich an, doch er schob mich einfach von der Liege und tastete Nico ab. „Du hattest recht.", sagte er leise und fing an seine Taschen zu leeren. „Recht?", fragte ich verwirrt und sah zu Atayo. „So hat es auch bei Nael angefangen. Die Verwandlung wird bei isolierten Vampiren offensichtlich durch Pheromone anderer ausgelöst. Und dann zeigen sie solche extremen Symptome.", erklärte er und beobachtete wie Shota anfing ein paar Kräuter in warmen Wasser zu kochen. „Was ist das?", fragte ich. „Es wird sie beruhigen.", erwiderte Atayo und ging zu meinem Schreibtisch um sich dort an die Platte zu lehnen. „Ich dachte ich hätte noch Zeit.", murmelte ich. „Zeit wofür?", fragte Shota neben sich und flößte Nico den Tee ein. „Die weißen Blutkörper.", erwiderte ich. „Es hat geklappt?", fragte er überrascht. Ich nickte nur stumm und sah zu Atayo. Dieser schien meine Gedanken zu lesen und schüttelte mit warnendem Blick den Kopf. „Nein, wag es nicht. Wir können Victor schicken aber nicht du.", sagte er als ich nicht nachgab. „Ich muss sie sehen. Ich muss das wegen Chrissy grade biegen und ich muss wissen ob mein Sohn...", setzte ich an. „Dein Sohn? Sind ja ganz neue Töne.", unterbrach Shota mich während er Nico mit der dünnen Decke, welche es hier hingeschafft hatte, weil Sanji sooft bei unseren Stunden eingeschlafen war, zudeckte. „Dort habe ich alles was wir brauchen um Verwandlungen schneller zu überstehen und das ist wichtig. Unkontrollierte Vampire sind ein Risiko.", sagte ich und sah zwischen den beiden hin und her. Shota räusperte sich und erwiderte: „Es ist ein Risiko dich dort raus zuschicken. In diesem Bunker sind mehr als zehn Vampire, die sich für dich in Gefahr begeben würden und das können wir nicht riskieren, sollte dir was passieren." „Da muss ich ihm leider zustimmen.", fügte Atayo hinzu. Shota sah kurz zu seinem ältesten Sohn, allerdings ignorierte dieser das gekonnt. Sie sprachen nur miteinander, wenn sie es mussten und in Atayos Augen war das so gut wie nie. Auch wenn man Shota ansah wie sehr er mit seinem ältesten Sohn Frieden schließen wollte. Und mir tat es immer noch weh die beiden so zu sehen. Wäre es mein Vater, der nach zwanzig Jahren auftauchte... Ich könnte wahrscheinlich glücklicher nicht sein.

„Mir wird nichts passieren.", erwiderte ich. Atayo verdrehte die Augen und Shota verschränkte die Arme, aber sie würden mich nicht aufhalten können. Ich hatte eine Entscheidung gefällt. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt