Shota
Mit langsamen Schritten verließ ich den letzten schützenden Schatten der Ruinen und betrat den Wald. Mit dem vertrauten Stoff vor dem Gesicht und der Kapuze über dem Kopf huschte ich in die Dunkelheit unter den Bäumen. Auf leisen Sohlen suchte ich mir meinen Weg durch die mächtigen Stämme, bis ich durch sie hindurch auf eine kleine, wirklich kleine Lichtung sah. Jedoch musste ich feststellen, dass ich nicht alleine war.
Vor dem unscheinbaren Grab kniete mein ältester Sohn und sah mit ziellosem Blick auf die leichte Erhöhung auf dem Boden. Die Erde hatte längst wieder Moos angesetzt und einzelne Gewächse hatte sich dazugesellt.
„Aito.", sagte ich leise und trat näher. Als er seufzend seinen Blick hob. Sofort sah er mich an und richtete sich langsam auf. „Was tust du hier?", fragte er anstatt mich zu schelten, dafür dass ich seinen Kosenamen verwendete. „Er war mein Sohn. Beantwortet das deine Frage? Oder willst du lieber wissen wieso er mir am Herzen liegt?", fragte ich und legte leicht den Kopf schief. „Vat... Shota...", setzte er an und sah mit verkniffenen Lippen zu Boden. „Du hast... Tut mir leid. Aber ich denke, du verstehst, wenn es mir schwer fällt dir das zu glauben.", sagte er und strich sich verstohlen eine Träne vom Gesicht. „Das verstehe ich. Ich hätte schon lange mit dir darüber sprechen müssen. Ich erwarte nicht, dass du Verständnis hast. Aber vielleicht lindert es etwas deinen Hass.", sagte ich und wagte mich ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich hasse dich nicht, Vater.", murmelte er und biss sich bitter auf die Unterlippe bevor er sagte: „Ich weiß, dass ich dankbar sein sollte, dass du zumindest jetzt zurück bist." „Nein, Aito. Du muss für nichts dankbar sein.", widersprach ich und überbrückte die letzten Meter um ihn vorsichtig eine Hand auf den Arm zu legen. „Warum hast du sie sterben lassen? Wie konntest du glauben, dass sie das überlebt?", fragte er mit bitterem Unterton, schlug meine Hand jedoch nicht weg. „Ich dachte eure, Sanjis Überlebenschance wäre größer, wenn ich nicht bei euch wäre. Wie ich jetzt weiß hat Nathanael mich belogen. Es gab sicher nie einen Clan an Alphas denen er von mir und meinem Sohn erzählt hat. Er wollte das ich gehe, er wusste wie Bände funktionieren und er wollte Sanji. Ich war dumm genug ihm zu vertrauen, zu tun was er sagte. Ich habe ihm meinen Sohn anvertraut. Immer und immer wieder und ich dachte Sanji sei sicher. Aber... Dabei hat es ihn nur mehr in seinem Vorhaben angestachelt. Sanji zu sehen... ihn zu halten... Atayo...", stammelte ich und versuchte dennoch Verständnis in seinen Augen zu sehen. „Wie hast du überlebt?", fragte er kühl und ich sah wie sein Blick an meinen Hals ging. „Es war nicht meine Entscheidung.", erwiderte ich und griff an die verblasste Narbe, die eine weitere überdeckte. „Ziemlich bald hat mich ein Alpha gefunden. Er hat das Band gelöst sobald er deine Mutter an mir wahrnahm.", erklärte ich und schluckte fest. In dieser Nacht war ich meiner größten Angst begegnet. Der unbezwingbaren Dominanz eines Alphas. Etwas was Raluca mir niemals angetan hätte. Weswegen ich sie lieben gelernt hatte und bei ihr Sicherheit zu finden wusste.
„Kenzo hätte Verständnis für dich gehabt.", hörte ich meinen ältesten Sohn sagen. „Er konnte für so vieles Verständnis aufbringen... Er...", hauchte er und sah wieder auf das Grab. „Er hatte selbst für mich Verständnis. Und auf seine feige, seltsame Art hat er Sanji vor mir beschützt und seid er fort ist... habe ich Angst. Ich distanziere mich und ich verstehe nicht...", sagte er freudlos lachend. Ich strich sanft über seinen Oberarm zu seiner Schulter. „Aito, dein Bruder wird immer bei dir sein. Du kennst ihn und du weiß genau was er dir wann sagen würde. Wenn dir seine Ratschläge wichtig sind kannst du sie immer noch befolgen.", versicherte ich ihm und ließ meine Hand langsam zu seinem Hals fahren um sanft mit dem Daumen über seinen Kiefer zu streichen. Atayo nickte leicht und ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Sowas hätte er sicher auch gesagt.", sagte er schmunzelnd und sah zu mir auf. Dabei verloren seine Augen etwas von dem Glanz, den sie grade noch trugen als er an seinen Bruder dachte. „Ich erwarte nicht, dass du mich magst.", sagte ich leise und ließ meine Hand sinken. „Ich versuche nur dir ein Vater zu sein.", fügte ich hinzu und ich glaube so bemitleidenswert hat meine Stimme noch nie geklungen. Atayo nickte leicht und senkte kurz den Kopf bevor er sagte: „Ich lass euch dann alleine." Damit verschwand er zwischen den Bäumen.
Ich hätte ihm zwar gerne noch weiter von seinem Bruder erzählen lassen, aber ich wollte ihn auch nicht zu sehr belasten. Jeder ging mit seiner Trauer anders um. Sanji und Risa hatten um ihren Bruder geweint und Maro und Atayo würden diesen Schmerz auf ewig mit sich tragen, wie ich meine Schuld. Ich hatte Kenzo zuletzt gesehen als er ein Kind war. Vier Jahre alt, schüchtern und versteckt in dem Schatten seines Bruders. Ihm konnte ich nicht mehr sagen wie sehr es mir leidtat, konnte ihm nicht erklären was meine Beweggründe waren.
Vielleicht kam ich deswegen verbotenerweise immer so oft hier her.
Atayo
„Kenneth!", rief ich als ich den blonden, jungen Mann in der Halle entdeckte. Verwunderte drehte er sich zu mir herum. Ich trat näher und sagte: „Du hast nicht zufällig Zeit? Ich meine, die Pflanzen wachsen auch ohne deine Hilfe." Kenneth hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme. „Du brauchst meine Hilfe?", fragte er verwirrt. Ich nickte. „Oder bist du kein Mensch?", zog ich ihn auf und stieß ihn an. „Wofür brauchst du einen Menschen?", fragte er. Ich seufzte und erklärte: „Wir spionieren grade ein weiteres Labor aus. Eigentlich sollte Victor den Van fahren. Die Straßen sind für Vampire nicht mehr sicher. Aber wir können nicht alles schleppen. Victor konnte den Van immer durch die Straßensperren bekommen. Wir können das nicht. Sie testen jeden der dort hinein gerät." Kenneth nickte verstehend und fuhr sich durchs Haar. „Also hast du Victor auch lange nicht mehr gesehen?", fragte er und ließ seinen Blick durch die Halle gleiten. Zustimmend nickte ich. „Wir werden ihn finden. Was sollen sie ihm tun. Er ist ein Mensch und einer von ihnen.", erwiderte ich. „War ich auch.", vernahm ich eine weitere Stimme. Favio. Ich hatte bisher nur von ihm gehört und ihn auf die Distanz gesehen. Aber ich wusste, dass er Kenneth nahestand.
„Wir werden fahren. Wann immer du uns brauchst.", sagte Kenneth und schenkte mir ein kleines Lächeln. Endlich konnte es weiter gehen. Diese Ruhe hatte mich fertig gemacht. Ließ mich wieder an Kenzo denken. Oder an all das was ich zurückgelassen hatte. Ich musste etwas tun. Etwas Gutes. Das uns hier half. „Danke.", sagte ich und wand mich zum Gehen. Allerdings entdeckte ich in dem Moment Eric. Schnell lief ich ihm hinter her. Ich hatte schon Angst gehabt, dass er schon aufgebrochen sein. „Eric.", rief ich als er grade seine Tür schließen wollte. „Ja?", fragte er verwirrt und ließ mich eintreten. „Hast du es dir doch anders überlegt?", fragte ich. Doch er schüttelte den Kopf. „Ich wollte heute aufbrechen. Moe hat mich nur grade geholt wegen Nael.", erklärte er und schloss die Tür. „Eric bitte. Bring dich nicht in diese Gefahr.", bat ich. „Du bringst dich ständig in Gefahr. So oft wie du zu den Laboren fährst. Traust du mir das nicht zu?", fragte er und schmunzelte leicht. Doch ich blieb Ernst und erwiderte: „Grade deswegen weiß ich wie gefährlich es ist. Du kannst nicht einfach jede Straße nehmen. Zwischen hier und zu Hause sind so viele Straßensperren und du wirst durch keine einzige kommen mit deinem Blut." Ohne Kommentar hob Eric das kleine, schwarze Etui hoch und lehnte sich an den Schreibtisch. „Einmal, ein letztes Mal werde ich es verwenden. Aito, versteh mich doch bitte. Ich... ich... Ezra ist ein Halbvampir. Mein Sohn könnte am Leben sein und wenn dem so ist, dann muss ich ihn holen. Lydia kann nicht sein ganzes Leben in dieser Angst leben.", schilderte er und legte das Etui fort. Die Hoffnung in seinen Augen tat mir geradezu weh. Ich brachte es nicht übers Herz ihm zu sagen, dass sein Sohn, wenn er überlebt hatte, ziemlich sicher in einem der Labore hockte oder schon gestorben war. Es lebten keine Vampire mehr unter den Menschen. Zumindest nicht in diesem Gebiet. Victor hatte mir erzählt, dass sie zu jeder Gelegenheit Tests durchführten. Sei es an der Kinoschlange oder am Flughafen. Sei die Person Ansammlung noch so unbedeutend. Sie gingen in Klassen, Kindergärten. Zogen um die Häuser. Das Erics Schützling noch nicht gefunden wurde war ein Wunder.
„Dann nimm es hier. Und sehr viel davon. Du darfst von dem Zeug nichts in deinen Taschen haben. Sie werden den Wagen und dich durchsuchen. Du darfst nicht auffällig sein. Versuch dein Gesicht zu verstecken. Fast jeder kennt dein Gesicht.", sagte ich und musterte meinen besten Freund besorgt. Wenn ich ihn auch noch verlor. Den Mann, der mich bei allem unterstützt hatte. Der meine Fehler ausbadete. Dessen Wissen ich in meinem Leben brauchte. „Ich hatte vor es zu entstellen.", sagte er leise. „Entstellen?", echote ich und folgte seinem Blick zu dem Medizintisch. Skalpell und Säure. „Es wird wieder heilen.", fügte er schnell hinzu als er mein entsetztes Gesicht sah. „Eric, dass... das kann ich nicht zu lassen.", stammelte ich und sah zurück zu ihm. „Du wirst mich nicht aufhalten können. So ist es am sichersten.", erwiderte er und lehnte sich leicht zurück.
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Vamp Zone 《4》
Fantasy《Abgeschlossen》 Die letzten Jahre haben die Vampire sich in der Unterstadt verschanzt. Die Bedrohung wird immer größer und an Freiheit ist nicht zu denken. Nicht nur dadurch hat Nael zu kämpfen. Der ständige Kontakt zu Moe macht ihm zu schaffen. Un...