5. Maria

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„Einen Erdbeermilchshake, bitte."

Das Café war, bis auf die Kellnerin und mich, vollständig verlassen.

Ich hatte nicht vorgehabt, noch einmal aus dem Haus zu gehen, nachdem Van mich dort abgesetzt hatte, aber der Gedanke daran, dass ich noch immer nichts über ihn zu wissen schien, hatte mich nicht losgelassen.

Er hatte mich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, angelogen. Markus' Worte waren neben der Geschichte ihrer Freundschaft, an deren Wahrheit ich inzwischen zweifelte, die einzigen Details, die ich über Vans Leben kannte. Zu gerne wollte ich mehr darüber erfahren, was hinter seiner kühlen Fassade steckte oder weshalb er regelmäßig das ‚Grün und Weiß' besuchte, um zu zeichnen. Van allerdings schien kein Interesse daran zu haben, mir auch nur eine weitere Information über sein wahres Ich zu geben. Vielleicht hoffte er immer noch, mich früher oder später loszuwerden. Aber so leicht gab ich mich nicht geschlagen.

„Entschuldigung, aber wir haben eigentlich schon seit zehn Minuten geschlossen."

Die weiche Stimme der Kellnerin ließ mich zusammenzucken. Sie wischte sich die Hände an ihrem grünen T-Shirt ab, nachdem sie mir trotzdem einen Milchshake zubereitet hatte. Mein trüber Blick schien ihr nicht zu entgehen. Augenblicklich traten Sorgenfalten auf ihre Stirn.

„Kann ich dir irgendwie helfen?"

Dankend schüttelte ich den Kopf und griff nach meinem Getränk, um das Café zu verlassen.

Vor dem Fenster hatte sich die Nacht wie ein dunkler Schatten über die Stadt gelegt. Es war kalt geworden, die Vorstellung, auf den Asphalt zu treten und nach Hause zu gehen, brachte mich zum Schaudern.

Ich blickte zurück zu der Kellnerin, sie hatte mir den Rücken zugewandt und legte ihre weiße Schürze ab. Wie jeden Tag fielen einzelne graue Strähnen aus ihrem Dutt. Ihre Bewegungen waren langsam, aber routiniert. Sie sah müde aus.

„Verzeihen Sie, dass ich frage, aber kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Sie sehen erschöpft aus."

Ein schmales Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, erreichte aber nicht ihre dunklen Augen.

„Lieb von dir, dass du fragst. Aber wie willst du mir denn helfen?"
Ich zuckte die Schultern.

„Tja, manchmal tut es einfach gut, sich die Dinge von der Seele zu reden, schätze ich."

Ihr Lächeln wurde breiter, als sie die Theke umrundete und sich neben mir auf einem der weißen Barhocker niederließ. Sie streckte mir die Hand entgegen.

„Da hast du Recht. Ich bin übrigens Maria Eckert."

„Mein Name ist Lizzy Thelen. Ich bin Bestsellerautorin, Sie haben also vielleicht schon von mir gehört."

Das Lächeln in ihrem Gesicht verriet nicht, ob sie mich oder mein Buch bereits kannte, aber es war mir egal. Viel gespannter war ich darauf, die Geschichte einer Person zu hören, die sich so sehr um das Wohl ihrer Mitmenschen sorgte.

Maria Eckerts Tochter war wie viele Mädchen im Teenageralter wenig zufrieden mit ihrem Äußeren. Während ihre Mitschülerinnen erste Erfahrungen in Beziehungen und auf Partys sammelten, war Marias Tochter bei solchen Ereignissen meist außen vor. Schon früher war es selten vorgekommen, dass sie von anderen Jugendlichen eingeladen wurde, seit dem Schulwechsel blieb es vollständig aus.

Doch Maria liebte ihr Kind. Sie verstand nicht, was an ihr nicht in Ordnung sein sollte. Regelmäßig sagte sie:

„Du bist genauso schön, wie jedes Mädchen in deinem Umfeld.", nur, um immer die gleiche Antwort zu erhalten.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt