23. Kilian

8 3 0
                                    

Ich rümpfte die Nase, als bitterer Kaffee meine Zunge traf. Erschrocken blinzelte ich, der Kaktus in der Mitte des Rundtisches verlor sein verwaschenes Äußeres.

Dunkle Schatten hatten unter meinen Augen gelegen, als ich heute Morgen mein Spiegelbild betrachtet hatte. Die ganze Nacht über hatte ich kaum eine Minute geschlafen, ständig gequält von Gedanken an meine Mutter und daran dass sie Recht damit haben könnte, dass ich mich in meinem Buch verlor. Und an Van. Ich hatte den gemeinsamen Abend Revue passieren lassen, jedes Wort unserer Unterhaltung und jeden Ton, mit dem Van Morrison unsere unbeholfenen Tanzschritte begleitet hatte. Auf dem Weg zum ‚Grün und Weiß' war ich nur mit Mühe nicht eingeschlafen, jeder Schritt hatte sich angefühlt, als würde ich mich durch eine Wattewand kämpfen.

Auch der Kaffee, der dunkel aus der weißen Tasse zu mir heraufsah, brachte die Müdigkeit nicht dazu, von meinen Schultern abzufallen. Er schmeckte nach Gift, bitter und monoton, und ich sehnte mich nach meinen Erdbeermilchshakes zurück.

Ich griff nach drei Zuckerpäckchen auf einmal, riss sie auf und schüttete das weiße Pulver in die schwarze Brühe, das Häufchen versank in der Mitte der Tasse.

„Ist das nicht ein bisschen zu viel Zucker?"

Eine raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken und als ich aufsah, blickte ich in zwei grüne Augen, die mich belustigt anfunkelten.

„Ich bin Keno, und du?", fragte der Mann, zu dem sie gehörten.

Mit der linken Hand kniff ich mein Nasenbein, um mich zu konzentrieren, während die rechte noch immer unaufhörlich in der Kaffeetasse rührte.

„Mein Name ist Lizzy Thelen. Ich bin Autorin."

Keno schenkte mir ein freches Grinsen, das ich augenblicklich erwiderte. Er deutete auf meine Kaffeetasse, schmale Lachfältchen zeichneten sich neben seinen Augen ab.

„Tja, eigentlich mag ich gar keinen Kaffee."

Resigniert zuckte ich die Schultern, die fehlenden Stunden Schlaf lasteten schwer auf meinen Lidern. Es schüttelte mich, als ein weiterer Schluck des Getränks meine Kehle hinabrann und ich riss die Augen auf. Meine Müdigkeit verschwand für einige Sekunden.

„Das liegt an dem Laden hier." Keno machte eine ausladende Handbewegung. „Kein Wunder, dass sich keine Menschenseele dazu bequemt, hier etwas zu kaufen."

Ich ließ meinen Blick durch das Café schweifen.

Keno hatte Recht, heute waren er und ich wirklich die einzigen Besucher, die sich am frühen Morgen ins Innere des ‚Grün und Weiß' gewagt hatten.

Kurz überlegte ich, ihn zu korrigieren und zu erklären, dass es die vielen Gäste oftmals sogar unmöglich machten, einen freien Tisch zu finden. Doch ich entschied mich dazu, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

„Und was machst du dann hier?"

Ich hob eine Augenbraue und musterte Keno mit unverhohlener Neugier.

Er hatte die aschbraunen Haare in der Mitte gescheitelt, zusammen mit seinen markanten Wangenknochen verliehen sie ihm ein professionelles Äußeres, das nur durch den Dreitagebart vermindert wurde. Das graue T-Shirt schmiegte sich an seinen Oberkörper und machte kein Geheimnis daraus, dass Keno mehrmals in der Woche Sport zu treiben schien. Obwohl ich zugeben musste, dass er ausgesprochen gut aussah, lag in seiner Gestalt eine Strenge, die mich nervös mit den Fingerspitzen auf den Rundtisch tippen ließ. Von ihm ging eine Kälte aus, die mich zum Frösteln brachte.

Keno lehnte sich über den Tisch zu mir herüber und senkte die Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern.

„Ich habe genau so einen verlassenen Ort gesucht, um nicht erkannt zu werden." Er ließ seine grünen Augen erneut durch den Raum schweifen, als glaubte er, beobachtet zu werden. „Ich bin der beste Trickbetrüger der Stadt."

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt