19. Jana

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In den folgenden Wochen hatte ich Van kaum zu Gesicht bekommen. Immer, wenn ich ihm geschrieben hatte, war er bei Markus gewesen, doch wenn ich nach dem Besuch bei meiner Mutter ebenfalls bei ihm vorbeigeschaut hatte, war Van verschwunden gewesen. Es schien so, als würde er mich bewusst meiden wollen.

Markus dagegen trat mir bei jedem unserer Treffen mit der gewohnten Freundlichkeit entgegen. Er schimpfte über seinen Arzt, seinen Trainer und die Mannschaft, ab und zu auch über Van und fragte mich in regelmäßigen Abständen, wie ich mit meinem Buch vorankam.

Entgegen Herolds Bitten hatte ich mich allerdings kaum dazu motivieren können, ein weiteres Kapitel zu schreiben. Ich vermisste Van zu sehr an meiner Seite, um mich auf meine Arbeit konzentrieren zu können. Unsere belanglosen Gespräche und Sticheleien fehlten mir.

Ich ließ meinen Blick durch das ‚Grün und Weiß' schweifen.

Es war später Nachmittag, die Septembersonne wurde durch die Glasfront verstärkt und heizte die schwüle Luft im Inneren des Cafés zusätzlich auf. Der Moment fühlte sich surreal an, die Autos auf der Straße verschwammen vor meinen Augen, die Gespräche der wenigen Cafébesucher traten in den Hintergrund.

Mein Milchshake schmeckte intensiver, als er es normalerweise tat, ich konnte die frischen Erdbeeren förmlich auf meiner Zunge spüren. Die weißen Fliesen und Rundtische wurden zu einem einzigen hellen Schleier, der in regelmäßigen Abständen von grünen Kakteen durchbrochen wurde.

Ich spürte, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte und sich die Wärme wie eine weiche Decke um meine Schultern legte. Es war, als hätte ich einen Hitzschlag, meine Gedanken drehten sich im Kreis. Van, Markus, meine Mutter, Katie, sie alle tauchten in meinem Blickfeld auf und redeten wirr auf mich ein.

Als ich glaubte, endgültig von meinem Stuhl zu rutschen, spürte ich einen scharfen Schmerz auf meiner rechten Wange. Ein roter Blitz zischte durch meinen Kopf. Ich blinzelte gegen die Müdigkeit an.

„Nicht einschlafen!", drang eine weiche Stimme in mein Ohr.

Nur verschwommen erkannte ich die Umrisse einer jungen Frau. Ihre Haut war so weiß wie Porzellan, die Nachmittagssonne brachte ihr schwarzes hüftlanges Haar zum Glitzern. Sie sah aus wie ein Engel.

„Hier, trink das."

Mein Kopf rollte von einer Seite zur anderen, doch als ich einen Strohhalm zwischen meinen Lippen spürte, hielt ich inne und sog daran. Kühles Wasser floss meine Kehle hinab, der Schwindel ließ augenblicklich nach. Trotzdem war ich noch immer unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen.

Was war passiert? Warum hatte ich plötzlich das Gefühl gehabt, zu sterben? Und wer war die Frau, die sich meiner angenommen hatte?

Ich presste die Finger in meine Wangen, um mich zu konzentrieren. Die Welt um mich herum schien sich zu drehen, mir wurde speiübel.

Nur die hellblauen Augen der Frau sah ich klar und deutlich vor mir. Während die Panik durch meine Adern strömte, strahlte sie eine angenehme Ruhe aus. Immer wieder holte sie tief Luft und stieß sie lang aus, ich beobachtete jeden ihrer Atemzüge, bis ich verstand, dass ich es ihr gleichtun sollte.

Neuer Sauerstoff strömte in meine Lungen, der Druck auf meinem Brustkorb begann, sich zu lösen und ich wiederholte die Übung erneut. Ich zitterte am ganzen Körper, doch ich dachte nicht daran, mit dem Atmen aufzuhören.

Langsam wurde auch meine Umgebung wieder klarer, ich erkannte die Rundtische, die jeweils von mehreren Farbklecksen besetzt wurden, ich hörte die Stimmen der Besucher und verstand sogar einzelne Wortfetzen, ich konnte die Knöpfe auf der hellblauen Bluse der Frau zählen, es waren sieben, sechs davon geschlossen.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt