37. Sascha

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Van war nicht sonderlich begeistert davon gewesen, dass ich weiterhin an meinem Buch arbeitete und ich hatte ihm versprechen müssen, dass ich das Café verlassen würde, sobald ich Colins Geschichte abgetippt hatte. Er selbst war ins Krankenhaus gefahren, um Markus zu besuchen, dessen seelischer Zustand sich noch immer nicht gebessert hatte.

Ich nahm mir wirklich vor, zu gehen und lief mit meinem Laptop im Arm bereits auf die Glastür zu. Auf der anderen Seite legte sich schon die Dunkelheit über die Stadt. Die Spiegelung des Lichtes im Inneren des Cafés verschmolz auf dem Glas mit dem Schein der Straßenlaternen. Das Glöckchen klingelte fröhlich, als ich die Tür aufschob und einen Fuß in die Nacht setzte.

Dann hielt ich inne, es fühlte sich nicht richtig an, das ‚Grün und Weiß' zu verlassen. Ich blieb am Eingang stehen und sah mich um. Die Geschichte jedes einzelnen Farbkleckses, der an einem der Rundtische saß und einen Kaffee oder Milchshake schlürfte, hatte ich aufgeschrieben. Es gab keinen Besucher in diesem Raum, mit dem ich nicht gesprochen hatte. Und doch war da eine Person, die mir nicht erzählt hatte, was ihr auf dem Herzen lag:

Der junge Kellner auf der anderen Seite der Theke. Seine blonden Locken wurden von einem weißen Stirnband aus seinem Gesicht gehalten, unter dem grünen T-Shirt blitzten bunte Tattoos hervor.

Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief geradewegs auf ihn zu. Trotzdem bemerkte er mich erst, als ich mich auf dem Barhocker ihm gegenüber niederließ.

„Hallo, mein Name ist..." Ich zögerte eine Sekunde lang, dann schüttelte ich den Kopf. „Mein Name ist Liz."

Der Kellner hob den Blick, seine mandelförmigen Augen waren freundlich auf mich gerichtet, ihr Hellbraun ging langsam in ein sattes Gelb über.

„Sebastian."

Er reichte mir die Hand zur Begrüßung und ich warf einen Blick auf die Tattoos, die beinahe jeden Zentimeter seiner Haut bedeckten, nur in seinem Gesicht trug er keines der bunten Bilder. Auf seinem linken Oberarm prangte ein Segelschiff, darunter zeigte ein Dolch auf sein Handgelenk, ein Totenkopf starrte dazwischen furchtlos seinem Betrachter entgegen. Der rechte Unterarm war bedeckt mit kleineren Zeichnungen, ein Kompass reihte sich an eine Teetasse und einen Smiley, dazwischen fuhr ein Strichmännchen Skateboard, ein Papierflieger flog mit Vögeln um die Wette. Oberhalb seines Ellenbogens bedeckten ein Hufeisen und eine Bombe seine Haut. Auf der rechten Hand trug er eine Taube, auf dem linken Ring- und Mittelfinger eine Achtundzwanzig.

„Haben deine Tattoos eine Bedeutung?", fragte ich, ohne meinen Blick von den Zeichnungen zu lösen.

Sebastian gluckste und stützte sich auf die Theke, sein holzig-würziges Parfum stieg mir in die Nase.

„Nicht alle." Er zog den Ärmel seines grünen T-Shirts nach oben, ein Hirschkopf kam auf seinem rechten Oberarm zum Vorschein. „Das hier habe ich nur, weil ich etwas Großes auf dem Arm haben wollte, es bedeutet rein gar nichts."

Auch der Kompass, die Taube und der Skateboarder waren nur entstanden, weil Sebastian die Motive gefallen hatten.

Nachdenklich betrachtete er seinen linken Arm. Er deutete auf einen geschwungenen Schriftzug.

„Das hier ist eine Zeile aus ‚Be Somebody' von ‚Kings of Leon', das war früher mein Lieblingslied."

‚Given a chance' verlief von seinem Ellenbogen bis zur Mitte seines Unterarms. Sebastian lächelte, während er mit seinem Finger über das Zitat strich.

„Meine Tattoos sind fast alle aus verschiedenen Studios von überall auf der Welt, das ist die einzige Bedeutung hinter ihnen. Es macht Spaß, sie nicht zu ernst zu nehmen. Viele Menschen können seitenlange Texte darüber schreiben, was hinter ihren Tattoos steckt. Klar, ich könnte behaupten, dass der Vogel für Freiheit und der Kompass für Heimat steht, aber ganz ehrlich, ich gehe einfach in ein Studio und entscheide dort, was ich haben will."

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt