28. Zoe

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Ohne Van, der neben mir an einem der weißen Rundtische saß und zeichnete, während ich angestrengt an meinem Buch schrieb, fühlte sich das ‚Grün und Weiß' kalt und leer an. Es war, als wäre es mit einem Mal nicht mehr der sicherste Ort auf der Welt, an den ich kommen konnte, wann immer ich ein wenig Geborgenheit in meinem Leben brauchte. Mir fehlten unsere Gespräche über unsere Arbeit, ich vermisste es, ihn dabei zu beobachten, wie er seinen Bleistift in geübten Bewegungen über das Papier wirbeln ließ und so eine blanke Seite zum Leben erwecken konnte.

Es war einsam. Ohne Vans Anwesenheit war ich unfähig, meinem ‚Milchshake-Talk' auch nur einen einzigen logischen Satz hinzuzufügen.

Ich seufzte. Mit dem Zeigefinger zwirbelte ich eine meiner blonden Strähnen.

Eine sanfte Stimme durchbrach meine Gedanken.

„Hey, ich bin Zora. Du siehst so traurig aus. Kann ich dir irgendwie behilflich sein?"

Als ich aufsah, saß eine Frau, die ich auf Ende dreißig schätzte, mir gegenüber auf dem Platz, der eigentlich für Van bestimmt war. Ihre nussbraunen Locken wurden vereinzelt von grauen Strähnen durchzogen, die der Farbe ihrer Augen glichen.

„Hallo, mein Name ist Lizzy Thelen. Tja, ich vermisse gerade einen guten Freund und dass er nicht hier ist, ist allein meine Schuld, schätze ich."

Ich zuckte die Schultern, unfähig, weiter auszuschweifen.

Aber Zora nickte verstehend, sie griff über den Tisch hinweg nach meiner Hand und drückte sie sanft.

„Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Solange es nicht zu spät ist, solltest du dich entschuldigen. Das Leben ist manchmal kürzer, als man glaubt."

In ihren Augen glänzten Tränen, gegen die Zora mühevoll anblinzelte. Ihr Lächeln war ein wenig verrutscht.

„Darf ich dich fragen, was dich so bedrückt?"

Nun war ich es, die vorsichtig über ihre Hand strich, um ihr Beistand zu leisten. Etwas nagte an ihr und ich war gespannt, welche Last sie täglich auf ihren Schultern tragen musste.

Zoe war fünf Jahre alt, als sie Liam zum ersten Mal auf der anderen Seite des Zaunes sah. Der Junge mit dem leuchtend roten Haar erweckte sofort ihre Neugier. Sommersprossen zierten sein blasses Gesicht, er trug ein Lächeln auf den Lippen, das eine Zahnlücke entblößte.

Er hob die rechte Hand zu einem Winken, als er Zoe erblickte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu ihm herüber, unfähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Schließlich war er es, der das Eis zwischen den beiden endgültig brach.

„Ich bin Liam, möchtest du rüber zu mir in den Sandkasten kommen?"

Zoe konnte nur nicken. Zögerlich machte sie einen Schritt auf das Gartentor zu, das sie von ihrer neuen Bekanntschaft trennte. Sie drückte die rostige Metallklinke herunter und trat auf das Nachbargrundstück.

In besagtem Sandkasten saß bereits ein weiteres Mädchen. Es war größer als Zoe, seine schulterlangen Haare waren so leuchtend rot wie die Sommersprossen auf seiner Nase.

„Das ist meine Schwester Thea.", sagte Liam und deutete auf das Mädchen. „Und wie heißt du?"

„Ich heiße Zoe."

Das waren die ersten Worte, die das sonst so gesprächige Mädchen über ihre Lippen brachte. Liam schenkte ihr ein ehrliches Lächeln, das Zoe erwiderte.

Die drei Kinder verbrachten den Nachmittag damit, Sandburgen zu bauen, zu verzieren und stolz ihren Eltern zu zeigen. Sie aßen Eiscreme, lachten und unterhielten sich ausgelassen über ihre Spielzeuge.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt