10. Pauline

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Mein Neid Katie gegenüber war schneller wieder verschwunden, als er gekommen war und ich hatte begonnen, ihre Worte in mein ‚Milchshake-Talk' zu integrieren. Noch immer versetzte jeder Satz ihrer Liebesgeschichte meinem Herzen einen kleinen Stich, doch ich begann, mich für sie zu freuen. Katie war glücklich mit ihrem Mann, ich war glücklich mit meinem Schreiben, auch wenn es sich gerade anders anfühlte.

Kaum hatte ich meinen Kommentar am Ende ihres Kapitels verfasst, erregte eine zierliche Frau, die ich auf Mitte Vierzig schätzte, meine Aufmerksamkeit. Vorsichtig, als würde sie sich verstecken wollen, betrat sie das ‚Grün und Weiß'. Wie ein scheues Reh sah sie zwischen den menschlichen Farbklecksen, die an ihren Rundtischen verteilt saßen, umher, bevor sie auf die Theke zusteuerte.

Gespannt klappte ich meinen Laptop zu und machte mich auf den Weg zu ihr. Im Näherkommen erkannte ich, dass ihr schwarzer Bob von einzelnen grauen Strähnen durchzogen wurde. Die Lachfältchen um ihre Augen standen im Kontrast zu den Sorgenfalten auf ihrer Stirn.

Vorsichtig tippte ich ihr auf die Schulter und streckte ihr dann zur Begrüßung meine Hand entgegen.

„Hallo, mein Name ist Lizzy Thelen. Ich bin Bestsellerautorin."

Ein wenig erschrocken drehte sich die Frau zu mir, die Augen geweitet. Doch sie erwiderte mein Lächeln freundlich.

„Ich bin Angelina, aber du kannst ruhig Angie zu mir sagen."

Ich nickte verstehend und bestellte mir einen zweiten Erdbeermilchshake, bevor ich unser Gespräch fortsetzte.

„Darf ich dich auf ein Getränk einladen und du erzählst mir im Gegenzug etwas aus deinem Leben?"

Angies Lächeln verrutschte etwas. Als suche sie nach einer Antwort auf die Frage, was ich damit wohl beabsichtigte, musterte sie mich aus ihren ozeanblauen Augen.

„Gerne, aber was soll ich dir denn über mich erzählen? Mein Leben ist nicht besonders spannend."

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich höre mir gerne die Geschichten der Cafébesucher an. Bis jetzt hatte jeder von ihnen etwas zu erzählen. Egal, ob es spannend ist oder nicht, solange es dir am Herzen liegt, macht es Spaß, zuzuhören."

Abwartend nahm ich einen Schluck meines Erdbeermilchshakes. Im Gegensatz zu mir hatte sich Angie ein Wasser mit Zitrone und Minze bestellt und ich begann, mich mit meinem rosafarbenen Getränk wie ein kleines Mädchen zu fühlen. Doch solange ich genug Interviewpartner für mein Buch fand, war es mir nicht nur egal, was sie tranken, sondern auch, was sie über meine Milchshakeschwäche dachten.

Nachdenklich rührte Angie ihr Wasser, bis kleine Luftbläschen darin entstanden. Der Metallstrohhalm klirrte, als er auf das Glas traf. Endlich begannen Angies Augen, glücklich zu funkeln. Ihre Gesichtszüge wurden weich.

„Da gibt es tatsächlich etwas, das mir am Herzen liegt."

Ich nickte geduldig und sie begann, zu erzählen.

Ähnlich wie Katharina hatte auch Amelie eine Zeit lang geglaubt, ihre große Liebe gefunden zu haben.

Theo, ein gutaussehender Mann, den sie schon bewundert hatte, als sie noch in die selbe Klasse gegangen waren, hatte sie während eines Klassentreffens angesprochen.

Den ganzen Abend hatten die beiden sich ausgelassen über die guten alten Zeiten unterhalten, waren irgendwann abgeschweift und auf ihr Arbeitsleben, Hobbys und Freunde zu sprechen gekommen. Auch als sich das Treffen dem Ende geneigt hatte, ein Großteil der ehemaligen Mitschüler war bereits verschwunden gewesen, hatten Theo und Amelie gemeinsam an der Bar gesessen und einen Cocktail nach dem anderen getrunken, nur, um am nächsten Morgen nebeneinander in Theos Bett aufzuwachen.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt