16. Irina

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Van und ich hatten uns noch eine Weile über Elisa unterhalten, bis meine Augen vor Müdigkeit von allein zugefallen waren.

Erst gegen Mittag war ich aufgewacht, eine Nachricht von Van, in der er mir eine gute Nacht gewünscht hatte, hatte auf mich gewartet. Lächelnd hatte ich eine kurze Antwort getippt, mich fertig gemacht und war gleich ins ‚Grün und Weiß' gegangen, um weiter an meinem Buch zu arbeiten.

Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass meine Gedanken um Van kreisten.

Es war nicht selbstverständlich, dass er sich um mich gekümmert hatte, und doch schien es ihm nichts ausgemacht zu haben, mit mir zu telefonieren.

Mein Lächeln verflog allerdings, als ich die letzten Kapitel meines ‚Milchshake-Talk' Korrektur las. Elisas, Daniels und Helgas Geschichten hatten mich berührt, aber sie waren jeweils so traurig, dass sie die Stimmung des ganzen Buches in den Keller drückten. Ich brauchte einen Interviewpartner, der etwas Unterhaltsames zu berichten hatte, um die Ehrzählung aufzulockern. Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die allesamt deprimierend waren, war das Letzte, das ich verkaufen wollte.

Am liebsten hätte ich einfach eine Zusammenfassung meines ersten Buches geschrieben. Johanna und Konstantin waren genau die lockeren und positiven Charaktere, nach denen ich mich sehnte, auch wenn ihre eigentliche Liebesgeschichte alles andere als fröhlich war.

Und das war meine Schuld.

Ich dachte daran, was Van über die beiden gesagt hatte. Für ihn hatten sie sich real angefühlt.

Offensichtlich, denn genau das waren sie.

Ausgelassenes Gelächter zerschnitt meine Gedanken wie ein scharfes Messer. Ich hob den Kopf, drei junge Frauen betraten das ‚Grün und Weiß', jede von ihnen kicherte, Freudentränen standen in ihren Augen.

Die mittlere der drei Frauen hatte feuerrotes Haar, das im Rhythmus ihres Lachens hin und her schwang. Sie lief einen halben Meter vor ihren Freundinnen durch das Café und schien dabei den Blick jedes anwesenden Mannes auf sich zu ziehen. Das rote Kleid, das sie trug, endete in der Mitte ihrer Oberschenkel und gab den Blick auf ihre langen Beine frei. Jeder ihrer Schritte triefte vor Selbstbewusstsein, ihre Präsenz war an allen Rundtischen deutlich zu spüren.

Ihre beiden Freundinnen bildeten ihre Schatten, die linke war ein wenig größer als sie und schlaksig, die rechte war kleiner und kurviger, ihr Lachen hallte am Lautesten durch den Raum.

Meine Mundwinkel hoben sich, ich war mir sicher, dass die drei etwas zu erzählen hatten, das die Stimmung meines Buches aufheitern würde. Selbstsicher klemmte ich meinen Laptop unter den Arm und folgte ihnen. Ohne eine Einladung abzuwarten, nahm ich an ihrem Tisch Platz.

Das Lachen verstummte.

„Hallo, mein Name ist Lizzy Thelen. Ich bin Bestsellerautorin."

Die Rothaarige warf ihrem Gefolge einen fragenden Blick zu, wie aufs Stichwort setzte das Gelächter wieder ein.

Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

„Ich bin Ida und die cleverste Schülerin der Abschlussklasse, hab ich Recht?"

Ihre Freundinnen nickten, ohne ihr Kichern zu unterbrechen.

Der Spott traf mich ins Herz, am liebsten wäre ich auf der Stelle im Boden versunken. Die drei jungen Frauen schafften es, dass ich mich unwohl fühlte. Ich beschloss, den Titel ‚Bestsellerautorin' bei meinen zukünftigen Vorstellungen auszulassen.

„Das ist Ava."

Ida deutete auf ihre kleinere Freundin, sie hatte dunkle Korkenzieherlocken, ihr Gesicht war mit Sommersprossen bedeckt. Im Gegensatz zu den anderen beiden trug sie kein Kleid, sondern wie ich selbst eine schicke Bluse und Jeans.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt