12. Dennis

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Schweißgebadet schlug ich bereits zum dritten Mal in dieser Nacht meine Decke zurück.

Van und Markus hatten sich dafür entschieden, einen Horrorfilm im Kino anzusehen, zu dem ich sie nur widerwillig begleitet hatte. Es waren kaum fünf Minuten vergangen, – die Polizei hatte gerade eine Vermisstenanzeige für das erste grausam ermordete Kind aufgegeben – da war mir gewusst gewesen, dass mir eine schlaflose Nacht bevorstehen würde.

Meine Träume waren von Monstern und menschenfressenden Wesen durchzogen gewesen, jedes Mal, wenn sich eines von ihnen an meinen Gliedmaßen zu schaffen gemacht und Stück für Stück die Haut von meinem Körper gerissen hatte, war ich aufgeschreckt.

Die Sonne tauchte den Himmel inzwischen in orangefarbenes Licht, erstes Vogelzwitschern drang durch das gekippte Fenster ins Innere meines Zimmers.

Ich verwarf den Plan, noch länger schlafen zu wollen und stand auf.

Mein Laptop wartete bereits auf meinem Schreibtisch darauf, dass ich ein weiteres Kapitel schreiben würde. Die Unordnung, die vor wenigen Tagen noch in seiner Umgebung geherrscht hatte, war verschwunden. Ich hatte lose Blätter sortiert und in Schubladen verstaut, auf dem Teppich stapelte sich keine Kleidung mehr und ein Großteil der Staubpartikel war aus der Luft verschwunden. Auch die Badfliesen glänzten frisch geputzt, übriggeblieben waren nur die Wasserspritzer auf dem Spiegel, die wie weiße Sommersprossen auf meinen Wangen aussahen, wenn ich davor stand.

Seitdem ich meine Schreibblockade überwunden hatte, fühlte ich mich wieder wie ich selbst, trotz meiner Müdigkeit zierte ein Lächeln meine Lippen. Ich konnte es kaum erwarten, zurück ins ‚Grün und Weiß' zu gehen, um an einem weiteren Kapitel zu arbeiten, meine blauen Augen strahlten mir voller Vorfreude entgegen.

Während ich meine Haare zu einem lockeren Zopf flocht, genoss ich die warme Morgenluft, die mir über die Wangen strich. Obwohl sich der Sommer inzwischen dem Ende neigte, schien er heute noch einen letzten heißen Tag für mich bereitzuhalten. Ich schlüpfte in ein weißes Spitzenoberteil und eine passende Jeans, bevor ich mich auf den Weg zum Café machte.

Mit der Sonne im Rücken trat ich auf den Gehweg, grüßte die wenigen Nachbarn, die bereits in ihren Gärten arbeiteten, und bog schließlich in die Innenstadt ein. Um diese Zeit waren die Wege überfüllt, vereinzelt drang Hupen zu mir herüber, manchmal begleitet von Flüchen der Fahrer. Der Verkehr stockte und ich grinste in mich hinein, als ich die Autos im Laufen überholte, vor ihnen die Straße überquerte und geradewegs das ‚Grün und Weiß' betrat. So früh war ich noch nie hier gewesen, und doch erregte ein bekanntes Gesicht meine Aufmerksamkeit.

An der Theke stand ein kahlköpfiger junger Mann, der Kaffee in seiner Hand dampfte noch. Es war der Arzt, der täglich bei Sonnenuntergang das Café betrat. Ohne seine leuchtend rote Arbeitskleidung und den Rettungswagen vor dem Eingang hätte ich ihn beinahe nicht erkannt, doch je näher ich kam, desto sicherer war ich mir, dass es sich wirklich um ihn handelte.

„Hallo, mein Name ist Lizzy Thelen. Ich bin Bestsellerautorin.", begrüßte ich ihn, als ich zu ihm aufgeschlossen war.

Seine braunen Augen waren ausdruckslos, als er sich mir zuwandte.

„Ich bin Daniel und Notfallsanitäter."

Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, trank er schlürfend einen Schluck seines Kaffees, der bittere Geruch des Getränks stieg mir in die Nase. Ich beschloss, für mich einen Erdbeermilchshake und für jeden von uns einen Donut zu bestellen, bevor ich erneut versuchte, ein Gespräch zu beginnen.

„Ich kenne dich, du kommst jeden Tag hierher und trinkst Kaffee. Gibt es einen Grund dafür?"

Kritisch beäugte Daniel den Donut neben seiner Tasse, offenbar unschlüssig, was er mit ihm anfangen sollte.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt