42. Lizzy

6 2 0
                                    

Ich lehnte am Kopfende meines Bettes, der Laptop stand aufgeklappt auf meinem Schoß. Meine Finger ruhten auf seiner Tastatur, bereit dazu, die Bibliothek ungesagter Worte aus meinen Gedanken zu befreien und in dem Dokument zu verewigen. Noch grinste mir die Null in der unteren Ecke des Bildschirms höhnisch entgegen und mir fehlten meine Erdbeermilchshakes, um etwas daran zu ändern.

Gleichzeitig glaubte ich, dass mir der Kopf platzen würde, wenn ich nicht aufschrieb, was mir auf dem Herzen lag.

Und so beschloss ich, an der Stelle zu beginnen, an der mein erstes Buch geendet hatte:

Meinem Fehler, ungefragt die Geschichten anderer Menschen zu veröffentlichen.

Ich erzählte davon, wie ich während der Arbeit an meinem zweiten Buch mein eigenes Leben aus den Augen verloren hatte. Ich beschrieb den Druck, der auf mir gelastet hatte und davon, wie er geschwunden war, als mein Agent mir eine Auszeit gegönnt hatte, die ich mir selbst zu lange verwehrt hatte.

Ich berichtete, wie ich sich mein Lebensziel verändert hatte. Dass ich noch daran festgehalten hatte, einen zweiten Bestseller zu veröffentlichen, obwohl ich in Wirklichkeit nur meinen Fehler wieder gut machen wollte. Dass ich meine beste Freundin vermisste, aber zu feige gewesen war, um es mir selbst einzugestehen. Dass ich die Schuld an meinen Problemen anderen gegeben hatte, anstelle sie bei mir selbst zu suchen.

Ich schrieb über meine Besuche im ‚Grün und Weiß', wo ich zunächst mit meiner Mutter über die Geschichten der übrigen Besucher philosophiert hatte, bevor es zu meinem persönlichen Rückzugsort geworden war, und wie ich unter den vielen Gästen Van ausgewählt hatte, um mit ihm zu sprechen. Wie ich ihn zu meinen Freunden gezählt und ihn gemeinsam mit Markus aufgezogen hatte. Und wie ich plötzlich begonnen hatte, Schmetterlinge in meinem Bauch zu spüren, jedes Mal, wenn wir uns über den Weg gelaufen waren. Ich konnte nicht sagen, was sie zu bedeuten hatten, doch ich wusste, dass ich weder ihn noch Markus in meinem Leben vermissen wollte.

Der Ruhm war mir zu Kopf gestiegen, und während ich tippte, fragte ich mich, wie ich es so lange nicht bemerkt hatte. Wenn es Vans Worte und die meiner Mutter gewesen waren, die mir schließlich einen Spiegel vorgehalten hatten, warum waren sie nicht viel früher zu mir durchgedrungen?

Schließlich setzte ich einen Punkt hinter den letzten Satz eines Buches, das von einem Mädchen handelte, das vor Naivität und Dickköpfigkeit strotzte, bevor es zum ersten Mal in seinem Leben auf die Menschen hörte, die ihm am Nächsten standen.

Es war das einzige meiner Werke, das ich nicht frei erfunden oder gestohlen, sondern lediglich viel zu lange zurückgehalten hatte, gefangen in einer kleinen Schublade meiner Fantasie, die stets gut verschlossen gewesen war, bevor ich sie endlich befreit und sie zu mir gesprochen hatte.

Niedergeschrieben auf knapp dreihundert Buchseiten las ich meine eigene Geschichte.

Grün Weiß - Unreife & LeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt