11| Glas und ich, das wird wohl nichts

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„Mickey, komm schon. Jetzt mach doch bitte auf!" Flehend klopfte Jerry gegen meine Zimmertür, „So war das Ganze doch gar nicht gemeint."

„Geh weg!", schnaubte ich und klemmte noch demonstrativ den alten Klappstuhl, der sonst immer von Kleidung belagert in der Ecke stand, unter die Klinke. Die würden sich schön wundern, wenn sie es wagen würden an der Klinke zu rütteln.

Wieso war ich eigentlich mit dieser Affenbande zusammengezogen? Egal, wie lieb ich diese Idioten hatte, genauso konnte ich sie manchmal hassen. Seit Einzug war nicht eine Woche vergangen, in der es nicht mindestens eine kleine Auseinandersetzung gab. Entweder stritten sich der Wolf und die Fledermaus, oder die beiden gerieten mit ihrer überschüssigen Energie mit uns anderen aneinander...

Vielleicht war ich manchmal auch einfach zu moody, aber wer wäre das in meiner Situation nicht? Die Brüder-WG, oder alleine mit Mum und Dad wohnen und eine Stunde die Strecke mit dem Auto pendeln... Ich wusste mittlerweile echt nicht mehr, was da das geringere Übel war.

„Es tut mir leid, Mickey. Ich bin in Panik geraten." Ja, Matt, Ausreden konnte ich mir auch ganz viele zusammensuchen.

„Lern lesen!", brüllte ich genervt zurück und pfefferte mein Handy so schwungvoll auf mein Bett, dass es wieder hochgeschleudert wurde und einen Backflip machte. Arschloch.
Da war ich ursprünglich mit Jihe und Josh verabredet gewesen und jetzt saß erste wahrscheinlich hin- und hergerissen auf dem Sofa, zweiter war geflohen und ich hockte hier alleine in meinem Zimmer. Das sah ich nicht ein. Ich hatte eigentlich gar keinen Bock mich hier zu verbarrikadieren, aber auf Interaktion mit Matt und Jerry hatte ich noch weniger Lust.

Schnell entschlossen schnappte ich mir Lex' Koffer und betrachtete die verschiedenfarbigen Murmeln. Zwei von drei waren noch da. Blau und rot. Nachdenklich ließ ich meine Hand über die beiden Kugeln schweben. Was die Blaue machte, wusste ich. Telekinese. Aber die Rote? Ich hatte eine Vorahnung, war mir jedoch unsicher, ob ich das wirklich riskieren wollte. Von allen Fähigkeiten, die ich schon so beobachten dufte, wollte ich Jerrys und Tobys am wenigsten haben. Jerry beklagte sich immer über die Mondphasen und Toby musste regelmäßig selbstgemachten Ketchup süffeln.

Unentschieden verharrte ich ein paar Minuten so, bis mir die Entscheidung abgenommen wurde. Jerred begann wieder meine Tür zu belästigen und hämmerte dabei so kräftig gegen das glasierte Holz, dass die ganze Wand bebte und die Bilderrahmen und mein Spiegel gefährlich wackelten.

Ohne zu zögern, warf ich die königsblau gefüllte Murmel vor meinen Füßen zu Boden, wo sie klirrend den magischen Nebel freisetzte. „Mickey, bitte lass uns rein oder komm raus. Meinem Wolf gefällt das so gar nicht." Wieder schmetterte mein Fünfling gegen meine Zimmertür. Das Rucken ging durch das gesamte Zimmer und gab dem Spiegel den letzten Schubser endlich vom Nagel zu springen.

„NEIN!" Panisch streckte ich meine rechte Hand dem Spiegel entgegen und machte gleichzeitig einen Satz nach hinten. Dabei stieß ich den noch immer offenen Koffer vom Bett. In Zeitlupe weiteten sich meine Augen und verfolgten die rote Kugel, wie sie durch die Luft flog und knapp an dem nun schwebenden Spiegel vorbei an der Zimmerwand zerschellte. Super, die war dann wohl auch weg.

„Mickey? Mickey, alles in Ordnung?!" Schrill quiekte ich auf als Matt direkt hinter mir erschien und zuckte zusammen. Der Spiegel fiel die letzten Millimeter hinunter auf das graue Laminat. Ein dumpfes Bumm erfüllte den Raum. Dann kippte das Teil vorn über und zerbrach klirrend in tausende Scherben.

Schützend hielt ich mir Arme und Hände vors Gesicht und drehte mich weg. SCHEISSE!

„Verdammt, Jerred! Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen, Mann!" Zum Ende hin brach meine Stimme und ich ließ meine Arme fallen. Verloren betrachtete ich das Chaos, das sich in meinem Zimmer breit gemacht hatte. Die Scherben bedeckten den gesamten Boden und durch das Fallen des Spiegels hatten auch die Bilderrahmen ihren Weg nach unten gefunden.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt