38| Operation Seelenfang

9 2 0
                                    

„Mickey, was hast du vor?!"

Schnappatmend schlitterte ich durch den Gang und brach in Matts Zimmer ein. Jerry lief mir dabei wie ein Entenküken hinterher. Parallel dazu riefen Toby und Matt Brileys Namen durchs Treppenhaus.

In dem ganzen Chaos hatten sie die Wohnungstür offen gelassen und das Geklapper und Gequietsche ihrer Hausschuhe hallten durch den gesamten Altbau.

Ruckartig öffnete ich Matts Schranktür, dass der Schwung mich fast von den Beinen riss. Fuck, meine Hände zitterten wie Scheiße. Korrektur, mein ganzer Körber bebte, wie Espenlaub. Rasselnd atmete ich durch und versuchte meinen Herzschlag wieder zu beruhigen.

„Was hast du vor?" Jerry tauchte neben mir auf und betrachtete mich verwirrt von der Seite. „Brauchst du eine Umarmung?"

„Mir geht's prickelnd", presste ich zwischen meinen Zähnen hervor und raufte mir die Locken. „Jerry, was würde Matt davon am ehesten anziehen?" Unvorsichtig zerrte ich zwei Strickpullover hervor und hielt sie dem Mittleren vor die Nase.

„Äh... den Roten?" Jerry legte den Kopf schief. „Wofür brauchst du das? Was zum Teufel, hast du vor?"

„Mich in Lex' Club schleichen." Ungeduldig zerrte ich an meinem Hoodie, blieb in meiner Hektik jedoch stecken. „Verdammt!" Verzweifelt versuchte ich blind nach der Kapuze zu krallen und mir das Teil endlich vom Kopf zu ziehen.

Jerry erbarmte sich und griff nach den Ärmeln. Mit einem Ruck lag der Pulli auf dem Boden. „Jo, warst du beim Training?" Jerry schmunzelte mich mit erhobenen Augenbrauen an.

„Häh, nein?" Jerrys Kommentar warf mich dezent aus der Bahn und ich hielt inne. „Wie kommst du denn da drauf?"

„Deine Arme sind definitiv definierter." Der Wolf zuckte nur mit den Schultern.

„Hör auf mich anzugaffen, dafür hast du Alex." Ich streckte meinem Bruder die Zunge raus und Jerry stieg die Röte in den Kopf. „Kommt der eigentlich Silvester?"

Jerry nickte nur und reichte mir wortlos den bordeaux farbenen Pulli. „Wenn du dich wirklich als Matt ausgeben willst, solltest du die Hose wechseln."

Verwirrt schaute ich an mir herunter, direkt auf die zerrissenen Kniepartien. Wieso musste Matt auch immer so ordentlich aussehen? Der Stil meines Bruders war einfach so langweilig. Als wäre er aus einem Büro entflohen.

Genervt seufzend zog ich an einer beliebigen Jeans, sodass der Rest des Stapels zu Boden fiel. Hüpfend zog ich mir die Jeans an und sprang dabei durch das Zimmer zur Tür.

„Man, Mickey, du kannst das doch nicht einfach so liegen lassen!"

„Watch me!" Im Laufen den Knopf zumachend schnappte ich mir die Küchenschere aus der Besteckschublade und sprintete ins Bad. Im Spiegel schauten mir meine ungebändigten Locken entgegen. „Fuck..." Tief durchatmend kniff ich die Augen zusammen. Was ich nicht alles für diesen Plan opferte.

Tief einatmend hielt ich die Luft an und schnitt mir kurzerhand die Haare zurecht, dass sie wenigstens einigermaßen aussahen, wie Matts vier Wochen zurückliegender Friseurschnitt. Meine Haare landeten im Waschbecken und bildeten einen schmerzhaften Kontrast zum weißen Waschbecken.

Ich mochte meine Locken...

„Mickey?" Jerry klopfte leise an die dicke Badezimmertür. Verzweifelt biss ich mir auf die Unterlippe und stützte mich am Waschbecken ab. Zitternd stieß ich die Luft aus und betrachtete mich im Spiegel. Mir schaute ein vages Bild von Matt entgegen. Ich sah aus als würde ich gleich im Club mit Papas Geld die teuerste Flasche Champagner bestellen. Meine Silberkette verschwand in meinem Ausschnitt und auf dem weißen Untershirt, das unter dem dunkelroten Strick hervorschaute, hatten sich ein paar verlorene Haare verfangen.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt