35| Ich werde entführt

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Schluckend starrte ich der Pfeilspitze entgegen die perfekt auf die Mitte zwischen meinen Augen gerichtet war und nur so darauf wartete die ersten Schweißperlen aufzuspießen. „So im Nachhinein hätte ich das echt von dir erwarten sollen, Allessandro", murmelte ich leise und warf dem Werwolf einen Seitenblick zu.

Doch Signore Agosti schüttelte den Kopf. „Ich bin vielleicht Ratsmitglied, aber ich habe Wilhelm beim letzten Treffen klar gemacht, dass ich dich nicht selber aktiv verfolgen werde."

Mit geschlossenen Augen drehte ich mich um, nur um den Muskelprotz dann aus weit aufgerissenen Augen anzustarren. „Du bist RatsMITGLIED? Ich dachte immer, du arbeitest nur für die?" Bei den Neuigkeiten hatte ich fast überhört, dass Allessandro mich verpetzt hatte.

Allessandro seufzte. „Nein, seit Sommer bin ich tatsächlich die neue Vertretung der Werwölfe im hohen Rat. Meine sonstigen Arbeiten haben sich aber wenig verändert." Allessandro stand vom Sofa auf und ging auf die Jägerin zu, hielt jedoch inne, als sich ihre Armbrust auf seinen Oberkörper richtete.

„Ich arbeite in dieser Sache vielleicht für dich, aber wenn sich irgendwer zwischen uns Jäger und unser Ziel stellt, interessiert es mich nicht, ob diese Person Ratsmitglied ist oder die nächst beste Grundschullehrerin." Die Jägerin festigte ihren Griff um ihre schwere Armbrust. Das Teil war dreimal so groß wie ihr Kopf und gefühlt halb so groß wie sie.

Dass sie die Waffe dennoch so selbstsicher hielt... Sie war bestimmt Profi im Umgang mit diversesten Pfeilschusswaffen. An ihrer Hüfte baumelte eine Steinschleuder. Ob sie wohl noch mehr Waffen an sich hatte? Ein Wurfmesser zum Beispiel?

Allessandro steckte die Hände in die Hosentaschen und musterte die Fremde. „Ich würde es bevorzugen, wenn ihr mein Haus stehen lasst." Damit lief er an ihr vorbei zur Küche und kramte eine weitere Tasse hervor.

„Warte- Was? Du lässt mich jetzt wirklich mit ihr alleine?!" Panisch sprang ich auf, wodurch der Pfeil mich wieder ins Visir nahm.

„Du! Mitkommen!" Die Jägerin neigte ihren Kopf Richtung Verandatür.

„Wah- Hilfe...?" Mit den Gefühlen nun vollkommen entgleisend starrte ich Allessandro an.

Doch Emmys Vater machte sich nur eine weitere Tasse Kaffee und wusch Reste des alten Kaffeesatzes von seinen Händen. „Wie gesagt, Mickey. Ich habe dich nicht beim Rat verraten, aber ich werde auch nicht aktiv gegen meine Kollegen arbeiten. Tut mir den Gefallen, und streitet euch draußen?"

Allessandro lehnte sich gegen den Küchenschrank und wandte sich an die Jägerin. „Und lass den Armen am Leben? Meine Tochter hat sich dezent verknallt." Mit einem Nicken deutete er auf mich, dann wandte er sich wieder seiner zehntausend Euro teuren Kaffeemaschine zu.

„Du willst mich doch verarschen!", fluchte ich und warf die Arme in die Luft. Ein Pfeil surrte gezielt an mir vorbei und bohrte sich in den edlen, handgewebten Wandteppich hinter mir.

Allessandro seufzte nur und schüttelte den Kopf. Das lenkte die junge Jägerin ab. Flink kniff ich die Augen zusammen. Komm schon, funktionier! Doch entgegen meiner Befürchtungen, war der Übersprung in die Chromare unter Stress fast schon einfacher, als sonst.

Ohne groß nachzudenken sprang ich über den Kaffeetisch auf die weiße Wolke vor dem Kamin zu und streckte meine Hand in den Nebel. Ich fasste so viele Schwaden, wie mir innerhalb weniger Sekunden möglich war, als ein erschrockenes Keuchen durch die Stille der Seelenwelt hallte.

Flink drückte ich zu und sammelte die Seelenenergie in einem Animarum. Zurück in der Realität riss ich die Augen auf und ließ das Seelengefäß zu meinen Füßen zerschellen. Mein Körper sog den Energieboost gierig auf und ich fühlte mich, als hätte ich zwei Dosen Monster geext- nur ohne die Nebenwirkungen.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt