13| Schwere Ereignisse

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„Vorsicht, die schwenkt rüber!" Toby trat auf die imaginäre Bremse und umklammerte den Sicherheitsgurt. Die wundervolle Fahrradfahrerin, hinter der wir jetzt schon einige hundert Meter her tuckerten, fuhr, ohne sich auch nur irgendwie Gedanken über ein Handzeichen zu machen, über die Fahrspur, um sich zum Linksabbiegen einzuordnen.

„Ey, wie kommt man auf die Idee im Dunklen ohne Licht auf der Straße zu fahren und dann auch noch alle Umweltgeräusche mit Kopfhörern auszublenden?" Meine von der Vorlesung angestauten Aggressionen rauslassend, haute ich kräftig auf die Hupe. Das hörte sie dann doch. Erschrocken zuckte sie zusammen. Ein Glück, dass sie gerade nicht fuhr, sondern neben uns an der Ampel stand.
Ich verdrehte nur die Augen.

Mein Bio-Prof hatte mich heute schon die letzten Nerven gekostet, da konnte ich nicht auch noch einen Unfall mit dieser Tante gebrauchen. Silke neben uns zeigte mir nur Augen verdrehend den Mittelfinger. Was eine Tante. Aber gut, Zicken konnte ich auch. Die Ampel wurde grün. Ich streckte ihr die Zunge raus, sodass ich schon Jerry Konkurrenz machte, schaltet in den ersten Gang und ließ Silke alleine an der Ampel stehen. Sollte sie doch meinen Staub fressen.

„Was ist denn heute nur mit allen los? Auf der Hinfahrt hat uns dieser BWL-Justus mit seiner Bonzenkarre an der Uni schon die Vorfahrt genommen, im Parkhaus ist uns fast jemand reingefahren, und jetzt gehts wieder los." Toby lehnte sich kopfschüttelnd nach hinten. Mein Hintermann hupte und hing mir mit der Stoßstange schon fast im Kofferraum. Dezent genervt drehte er sich dann doch um und brüllte: „Halt Abstand, du Sack! Mann, ey!"

„Warum fahren hier eigentlich alle so aggressiv?" Der Mercedes-SUV fuhr leichte Schlangenlinien. Über die Lichthupe fluchend hielt ich mich schön brav an die fünfzig und tuckerte die Straße entlang. „HÖR AUF MICH ZU BLENDEN, DU IDIOT!" Tief atmete ich durch. Hinter der nächsten Biegung wurden wir überholt. Der schwarze Mercedes raste trotz Gegenverkehr an uns vorbei. Sofort blitzte es rot auf. „HAH, KARMA!"

Voller Schadenfreude grinste ich und ordnete mich links ein. Das leise Quietschen der Scheibenwischer erfüllte den Raum, während ich auf den roten Pfeil schaute. Dann klingelte mein Telefon.

„Soll ich?"

Ich nickte.

„Hey, Mickey fährt gerade. Warte, ich mach' laut." Die Fledermaus tippte auf dem Display meines Smartphones herum und legte das Handy dann aufs Dashbord.

„Wie lange braucht ihr noch? Matt und Jihe haben gekocht." Brileys Stimme knarzte durch die Lautsprecher des Fiestas.

„Ich hab gedeckt!", quiekte irgendwer erfreut im Hintergrund.

„Und Jerry hat gedeckt." Das Augenverdrehen des Ältesten konnten wir praktisch schon hören.

„Wir sind schon fast da; mit Parken vielleicht zwei Minuten", überlegte der Blutsauger neben mir, „Bis gleich!" Tutend legte er auf. „Dass Briley deswegen immer anrufen muss. Sollen die doch sonst ruhig anfangen. Ich hab eh immer schon nen bisschen schlechtes Gewissen, dass die wegen uns mittwochs so lange warten."

Ich zuckte nur mit den Schultern. Mein Prof hatte heute Abend mal wieder überzogen, sodass es mittlerweile schon nach acht Uhr war. Aber hey, wenn er uns eine halbe Stunde vor Schluss gefragt hätte, ob wir schon gehen wollen würden, hätten wir doch eh alle ,Nein' gesagt. Also hatte er ja noch das nächste Thema durchziehen können. Eins-A Professorenhumor.

Die Ampel sprang um und ich bog in unsere Wohnstraße. Als ich in durch den Innenhof und in unsere Parkgarage fuhr, erhaschte ich noch einen Blick auf die völlig eskalierte Parksituation bei uns auf der Straße. Erleichtert endlich wieder ordentlich sehen zu können, schaltete ich die Scheibenwischer aus, und ergatterte sogar noch unseren Parkplatz. Zwar herrschte hier eigentlich freie Platzwahl, aber unter den Nachbarn hatten alle ihre inoffiziellen Stammplätze. Vorsichtig lauschte ich dem Piepen, zog die Handbremse an und schaltete den Motor aus.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt