27| Besorgter Werwolf mit Pflichtgefühlen

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Mit mulmigem Gefühl im Magen saß ich neben Emmy in ihrem Audi und betrachtete die Stadtvilla vor uns. Nach dem Spieleabend gestern hatte sie spontan bei uns übernachtete und es fiel mir echt schwierig mich auf irgendwas anderes zu konzentrieren als Emmy in meinen Klamotten.

So süß sie war, so heiß war sie. Sie in meinem ihr deutlich zu großen Hoodie zu sehen, machte etwas mit mir. Nur war ich mir nicht so ganz sicher was, nur, dass sie gerne häufiger so neben mir sitzen konnte.

„Sicher, dass mir dein Vater mir nicht den Moment, den er mich vor seiner Tür sieht, den Kopf abreißen wird?", witzelte ich und betrachtete Emmy von der Seite. Ihre Locken waren wilder als sonst und so ungeschminkt kamen ihre Sommersprossen nur umso besser zur Geltung.

„Bestimmt nicht, wieso sollte er?" Emmy kuschelte sich kurz in meinen dunklen Hoodie und stieg dann aus dem Auto. Warum sollte er? Guter Witz... Das letzte Mal, als ich mit Signore Agosti alleine in einem Zimmer gewesen war, hatte er mich bezüglich des Angriffs auf Schloss Nubis verhört. Ich war mir nicht sicher, ob er genauso ruhig bleiben würde, wenn es um seine bezaubernde Tochter ging. Signore Agostis gesammeltes Auftreten konnte beunruhigender sein, als Willhelm und seine ungefragten Senfkommentare.

Die Autotür neben mir öffnete sich und Emmy grinste nur aufmunternd auf mich hinab. „Jetzt komm schon. Schließlich war es deine Idee!" Dass sie ihrem Vater bisher noch nichts über unser Treffen mit der Arc Coloris erzählt hatte, war heute Morgen eine unerwartete Überraschung gewesen.

Entweder stand Emmy weniger hinter den Prinzipien des Adels, als sie zugeben wollte, oder sie wusste nicht, wie sie ihrem Vater erzählen sollte, dass sie sich in einen Seelenfänger verguckt hatte. Bei meinen Erfahrungen wie Schattenwesen auf das Wort Seelenfänger reagierten, machte ich ihr gar keine Vorwürfe. Mit Briley über die Gesetze der Schattenwelt zu diskutieren wäre eine kleinere Herausforderung...

Aber wie erklärte man seinen Eltern, dass ein sagenumwobenes Fabelwesen, das in jeglichen Erklärungen ganze Dörfer ausgelöscht haben soll und dessen Sagen noch immer genutzt werden, um Kinder zu verschrecken, plötzlich vor der eigenen Tür stand... Oder dass sie mich sogar geküsst hatte. Ich wusste auch noch nicht, wie ich Mum und Dad die ganze Sache bei unserem nächsten Besuch erklären sollte. Und dann auch noch, wo der Überfall auf die Diamanthochzeit doch erst am Wochenende gewesen war.

Hätte Wilhelm von mir Wind bekommen, hätte er schon alles daran gelegt mich entweder um die Ecke bringen zu lassen, oder zumindest hinter Gitter zu sperren und mein Bewusstsein festzuketten.

Aber meine Idee war dieser Morgentreff eigentlich auch nicht gewesen. Genau genommen hatte Emmy mir erzählt, dass sie ihren Vater um Rat bitten wollte, und ich hatte mich da mehr oder weniger selbst zu eingeladen. Waren vielleicht nicht gerade die besten Manieren, aber Emmy schien der Gedanke nicht zu stören. Zehn Minuten später hatte sie mich in ihr Auto gescheucht und war losgedüst.

Ein Schauder lief mir über den Rücken als ich Emmys Hand ergriff und mich aus dem Kleinwagen ziehen ließ. „Morgen Papà!" Emmy trällerte durchs Haus, dass selbst ich ohne Supergehör sie bestimmt vom hintersten Zimmer der Villa hätte hören können.

Unwohl stolperte ich über die Schwelle der Agostis und musterte den Flur. Direkt neben uns ging eine Treppe geradewegs ins Obergeschoss und eine weitere in den Keller. Am Ende des Flurs befand sich eine halb offen stehende Glastür, die trotz des extravaganten Wolfmusters den Blick auf ein luxuriöses Wohnzimmer mit digitalem Kamin, schnörkeligen Esstisch und Ledersofa freigab, alles umgeben von teurem Parkett und grau-grünlichen Webteppich.

„Guten Morgen, Ella." Signore Agosti erschien im Türrahmen und strahlte seine Tochter warm an. Dann fiel sein Blick auf mich, wie ich noch immer vor der offenen Haustür stand und ihm entgegenstarrte. „Wie ich sehe, hast du Besuch mitgebracht. Mach die Tür zu, es wird kalt." Er schwenkte seine Kaffeetasse ein wenig hin und her während er die andere Hand in die Tasche seiner edlen Anzughose schob. „Was schafft uns die Ehre?" Fragte er an mich gerichtete und hob skeptisch die Augenbrauen.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt