31| Krümelige Zettel

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„Ein Animarum..."

„Ein was?"

„Ein Animarum. Ein Seelengefäß... Wenn ich jetzt raten müsste würde ich sagen, das ist mit überschüssiger Lebensenergie gefüllt. Schließlich hab ich keine eurer Seelen angegriffen." Mit einer flinken Bewegung nahm ich Jihe die Kugel ab, und kassierte dafür einen Schlag gegen die Schulter von Toby. „Aua!"

„Was für aua, Junge, du hast mit meiner Seele gespielt!"

„Hab ich gar nicht! Ich hab nur einmal demonstrativ durchgegriffen!"

„Oregano, Oregano, das ist doch dasselbe!"

„Ist es nicht! Sonst würdest du hier jetzt noch ganz anders Aufstand machen!"

„Würde ich nicht!"

„Würde ich wohl!"

„Würdest du?" Toby verschränkte verschmitzt die Arme. Vielleicht hätte ich ihm doch an die Seele packen sollen.

„Halt die Klappe", murrte ich und knallte ihm genervt das Animarum vor die Brust. Dafür, dass es letztes Mal so leicht gebrochen war, hielt es heute gut was aus.

Toby grinste nur selbstgefällig. Doch den Gewinn würde ich ihm nicht ganz so leicht überlassen. Die Augen verdrehend ließ ich die Kugel los, sodass Toby wenig elegant mit den Armen wedelte, um die verflixte Kugel aufzufangen. „Arsch", kommentierte er das Ganze. Ich verzog nur triumphierend hämisch das Gesicht.

Doch das Gefühl der Schadenfreude wurde mir vom Gesicht gewischt, als sich das Animarum in Tobys Händen rot färbte. „Shit, Mickey, was ist das?" Von einem Wimpernschlag auf den anderen sah Toby plötzlich so aus, als hätte er heute eine Stunde weniger geschlafen. Ein Unterschied, der mir normalerweise nie auffallen würde. Aber wenn sich der Zustand seines Gegenübers so rapide veränderte, konnte selbst die unaufmerksamste Person auf Erden den Wechsel sehen.

Perplex stolperte Toby zurück und ließ dabei fast das Animarum fallen. „Fuck, was war das?!" Die Panik bahnte sich in seine Augen. Mit ruckartigen Bewegungen untersuchte er seine Hände, Arme und Oberkörper. Mit rasselndem Atem starrte mein Bruder mir in die Augen. „Mickey...?"

„Ich weiß nicht- What the fuck?!" Fluchend krallte ich mir die Kugel. Die flinke Bewegung brachte den roten Nebel dazu sich schneller zu drehen. Fasziniert ignorierte ich das mulmige Gefühl in meiner Magengrube und betrachtete das blutige Rot von Näherem. Es war kein einziger, weißer Fleck mehr übrig. Stattdessen hatte sich das Rot komplett im Animarum ausgebreitet, ohne dabei die Menge des Nebels zu verändern.

Nachdenklich sah ich zwischen Kugel und Vampir hin und her. „Hey, Emmy, kann ich die dir kurz geben?" Vorsichtig hielt ich ihr die Kugel entgegen. „Ich will das Teil nicht fallen lassen."

Emmy blinzelte mich aus weit aufgerissenen Augen entgeistert an. „Ähm... Nein, danke?" Sie schluckte. „Leg's vielleicht einfach irgendwo hin?" Unwohl klemmte sie sich die Hände unter die Achseln und deutete mit einem Nicken auf den Wohnzimmertisch.

Mich räuspernd lehnte ich mich über die Couch hinweg und rollte die Kugel Richtung Mitte des alten Holztisches. Der musste langsam echt mal geölt werden. Ruckelnd kullerte das Animarum über die unebene Maserung und wurde von Briley mit einem Werbeprospekt, das wir gerne mal als Tassenuntersetzer benutzten, zum Stehen gebracht. „Und das Ding muss jetzt genau in der Mitte liegen, weil...?"

Verlegen grinsend zuckte ich nur mit den Schultern. „Hat sich irgendwie richtig angefühlt." Bevor der Älteste anfangen konnte mit mir zu diskutieren schloss ich die Augen und war schon in die Chromare übergesprungen. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass mir dieses Mal weder Schmerz durch die Seite zog, noch mein Steißbein pochte.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt