06| Marks Drogendealer

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„Die Wissenschaft und ihre Methoden sollen nicht aufgezwungen werden.
Feyerabend stellt also die Freiheit des Individuums ins Zentrum. Jeder soll für sich selbst entscheiden, seine eigenen Annahmen bilden und danach handeln. Deswegen: Anything goes!"

Müde saß ich in Wissenschaftstheorie und gab mein bestes mir die Erzählungen von Professor Schlesig anzuhören. Die Idee des Falsifikationismus hatte ja noch Sinn ergeben, aber ab Feyerabend war ich raus. Gähnend lehnte ich mich an Jihe und schloss tief ausatmend die Augen.

„Hast du mal wieder zu wenig geschlafen?", flüsterte sie kichernd und krakelte weiter auf ihrem iPad herum. Ihre Zeichnung von dem Mädchen eine Reihe vor uns konnte sich echt sehen lassen.

„Ich wette ja, dass seine Brüder mal wieder daran Schuld sind." Brummend öffnete ich meine Augen wieder und sah Josh neben mir an. „Das nehme ich mal als ein Ja" Kichernd zog er sich die Kapuze seines Hoodies über.

„Warum ist das hier eigentlich immer so schweinekalt drin, ey." Leicht zitternd versteckte ich mich tiefer in meinem schwarzen Grafik-Pulli und zog an den baumelnden Bändchen, um den Ausschnitt ein wenig zu verkleinern.

„Dieser Hörsaal ist eh scheiße! Der ist total abgeranzt, die Tische sind viel zu klein, und generell ist das hier viel zu eng!" Frustriert radierte Jihe jetzt schon zum siebten Mal die gleiche Linie aus ihrer Zeichnung und startete den achten Versuch das Haargummi unserer Kommilitonin zu perfektionieren.

„Sicher, dass du nicht einfach nur übermüdet bist?" Schmunzelnd tippte Joschua mir mit seinem Kugelschreiber leicht gegen den Kopf, bevor er mit Schwung das Wörtchen „Strohmann-Argument" durchstrich und irgendwas von koexistierenden Methoden innerhalb eines Faches notierte. So oder so war das ganze Blatt mit seiner Sauklaue beschmiert. Das A sah mehr aus wie ein Fisch, als ein Buchstabe, und h, m und n waren nicht voneinander zu unterscheiden.

„Du würdest auch fast einschlafen, wenn du am Nachmittag dem Schlesig zuhören müsstest, wie er dir was von historischen Forschungsansätzen vorlabert, wenn deine Mitbewohner den ganzen Vortag über ihren Kater gequengelt haben, nur um dann am Abend lauthals grölend Mario Kart vor deiner Tür zu zocken." Gähnend hielt ich mir den Arm vor den Mund und versuchte die dadurch aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Als mein Blick auf den Schlesig fiel, stockte ich.

Unser Professor fixierte mich mit seinem Blick und hob die Augenbrauen ein wenig an. „Jetzt besteht natürlich das Risiko, dass durch Feyerabends ,Anything Goes' empirisch unbelegbare Theorien zu Lasten von empirisch haltbaren Theorien unterstützt werden. Schauen wir uns doch noch einmal das Beispiel des fliegenden Spaghettimonsters an."

„Bitte was?" Jetzt war ich hellwach. Ein Lachen ging durch den Hörsaal, und selbst Herr Schlesig konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Vielleicht sollten Sie ein wenig früher ins Bett gehen und ein bisschen mehr aufpassen, dann-" Doch unser Professor wurde in seiner Predigt unterbrochen, als der Beamer an der Decke plötzlich Funken sprühte und mit einem Knall ausging.
„Na sowas..."

Das Getuschel der Studierenden verwandelte sich in ein verwirrtes Raunen. „Heißt das, die Vorlesung ist heute früher beendet?", kam es hoffnungsvoll von Josh, während Jihe mich betont ruhig zu sich herunterzog.

„Was ist denn?" Besorgt sah ich sie an, doch sie zeigte nur auf ihr Ohr.
Häh? Verdutzt runzelte ich die Stirn.
Doch Jihe drehte nur meinen Kopf ein wenig und flüsterte mir ins Ohr. „Das war definitiv jemand aus dem Hörsaal. Ich hab's gespürt."

Aufmerksam richtete ich mich wieder auf und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.

„Leute, was ist los?" Josh war verwirrt. Und das auch zu Recht, aber wir konnten ihm ja schlecht erklären, dass Jihe Blut trank und ich mit mehr als einem Hund zusammen lebte.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt