33| Halbkomplizierte komplizierte Familiengeschichten

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Als ich die Honey Bee betrat drehte ich mich zweimal um. Passend zur Uhrzeit war die gelb leuchtende Studi-Bar relativ leer. Alles, was akzentuiert werden konnte, war hier gelb. Die Sitzpolster, die Comicbiene an der Wand, das Mikrofonkabel für den wöchentlichen Karaoke Abend, das eingestaubte Schlagzeug in der Ecke, und selbst auf der schwarzen Bartheke fanden sich immer wieder gelbe Hexagons wider. Dieses pastellgelbe Ästhetikchaos war zwar vormittags nicht unbedingt geschlossen, aber auch nicht wirklich von laut grölenden Studierenden besetzt. Mehr schien die Honey Bee zu dieser Uhrzeit eine Pastellfassade für die Zusammentreffen der Koloristen zu sein.

Umso überraschter war ich, als ich in der Bar nicht nur wie gewöhnlich Daban und sogar Nadia vorfand, sondern Juliette mit Hannah in einer der Sitzecken sah. Die beiden waren mit flirten beschäftigt als ich hereinkam. Nicht, dass mich die beiden Kichernden störten, aber mit Hannah hatte ich jetzt nicht gerechnet. Nicht hier.

„Oh, hey Mickey!" Hannah winkte mir fröhlich zu. Ob sie wohl wusste, was hier momentan alles abging?

„Hey... Was machst du hier?" Hannah studierte weder hier, noch wohnte sie in der Gegend. „Ich dachte, du machst ein FSJ im Kindergarten?" Dass wir Montagvormittag hatten wollte ich mal nicht erwähnen.

„Ich hab mir die Tage Urlaub genommen. Zwischen Weihnachten und Neujahr haben wir eh geschlossen." Sie zuckte mit den Schultern und grinste Juliette an. „Jules wollte mir ihre WG zeigen." Die beiden sahen schon cute zusammen aus. Wäre Juliette nicht noch tiefer in die Arc Coloris verwickelt als ich, würde ich mich noch deutlich mehr für die beiden freuen.

Weihnachten hatte ich mit allem, was sich in letzter Zeit so abgespielt hatte, komplett vergessen. Heiligabend war in zwei Tagen. Sonst wäre ich jetzt auch nicht hier, sondern würde in Hörsaal 14 vor mich hin vegetieren. Vielleicht sollte ich mich mal mit Toby und Jerred absprechen, was wir Briley und Matt zum Geburtstag schenken wollten. Schließlich war das auch nur noch knapp 'ne Woche. Exakt eine Woche nach Weihnachten Geburtstag zu haben konnte echt nervig sein. Während wir fünf mit unseren Eltern diskutiert hatten, dass wir genauso Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke verdienten, wie alle anderen auch, hatten wir untereinander abgesprochen uns nur zu Silvester was zu schenken und Weihnachten damit zu verbringen uns gegenseitig beim Backen zu ärgern.

Dieses Jahr war die Weihnachtsstimmung so gar nicht bei mir angekommen. Die letzten Wochen war mein Kopf nur damit beschäftigt gewesen, wie das ganze Seelenfänger-Drama weitergehen sollte, und zu welchen Klausurterminen ich mich anmelden wollte. Blöd nur, dass ich in beidem nicht wirklich weit vorangekommen war. Bio würde ich definitiv am Zweittermin schreiben. Oder vielleicht auch gar nicht, je nachdem, wie lasch Lex mit seinen Drohungen war.

„Ah," Ich tauschte einen warnenden Blick mit Juliette, die nur die Augen verdrehte und sich ein wenig von Hannahs Lipgloss vom Mundwinkel wischte, „Viel Spaß noch. Matt bringt dich safe später nach Hause, wenn du möchtest."

„Sie übernachtet bei mir. Keine Sorge, ich pass schon auf sie auf." Juliette legte eine Hand auf Hannahs Oberschenkel und deutete mir mit einem Nicken Nadia nicht länger warten zu lassen.

„Wie ihr wollt." Ich zuckte nur mit den Schultern und wandte mich die Hände in den Hosentaschen an Nadia, die uns nur amüsiert von der Theke aus beobachtete. „Du wolltest mit mir reden? Habt ihr das Mittel fertig?"

Nadia schüttelte stumm den Kopf und hielt einen Finger vor ihre Lippen. Mit leicht erhobenen Augenbrauen musterte sie kurz Hannah bevor ihr Blick wieder zu mir wanderte. Das klärte meine Frage von eben. Hannah hatte nicht die leiseste Ahnung, welchem Ehrenamt Juliette ihre Freizeit widmete. Ich zeigte Nadia ein zahniges Lächeln und folgte ihr in die Küche.

Ich wusste nicht, was ich vom hinteren Bereich der Honey Bee erwartet hatte, aber die komplett normale und dezent monoton vor Stahl glänzende Küche war irgendwie unterwältigend. Weder bastelten sich die überteuerten Sandwiches hier selber zusammen, noch flog das Spülwasser vom Wasserhahn über das benutzte Geschirr. Die Küche war bis auf Josh, der gemütlich pfeifend eine Sahnetorte dekorierte leer.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt