21| Geheimcodes oder so

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„Du kleine Kanalratte!"

Panisch rannte ich um die gefesselten Geisel herum durchs Foyer. Ich kam mit Jerry an Vollmond klar, mit Dad, als wir damals mit vierzehn Omas alte Vase zerdeppert hatten, dem Scharm, wenn Mum auf Elternabenden die tratschenden Eltern zusammengeschissen hatte, oder auch mit Telefonaten mit meiner Hausärztin. Scheiße, ich würde mir lieber Toby im Blutrausch, oder wenn Matt ausnahmsweise mal wirklich wütend wurde wünschen, als von einem blutrünstigen Wilhelm gejagt zu werden.

Dass ich Lebensangst hatte, war schon fast untertrieben. „Was willst du von mir?!" Mit schnellem Atem versteckte ich mich hinter Emmy, die sich zwischen uns geschoben hatte, und starrte meinen Stiefgroßvater an. Wilhelms Augen loderten gefährlich rot und sein Kiefer mahlte. Zu meinem Glück wurde er von Signore Agosti zurückgehalten. Den nächsten 100 Meter Sprint durch die Eingangshalle konnte ich mir also sparen. „Wilhelm, beruhige dich!"

„Ich soll mich beruhigen?! Dieser Abschaum hängt doch mit den Koloristen unter einer Decke!" Anklagender hätte Wihelm mich nicht mit seinem nackten Finger anzeigen können. Nur, dass er garantiert nicht die juristische Route gehen würde, um mich loszuwerden.

Ich schluckte. Tief durchatmen. Lass dich bloß nicht noch mehr aus der Ruhe bringen, Mickey... Mein Atmen rasselte, beruhigte sich aber langsam. Mich mit Wilhelm anzulegen konnte kaum schlimmer sein, als bei Jerry mitzufahren...

Ein leises Raunen ging durch die Beteiligten und die Gefangenen schnaubten abwertend. Dafür, dass sie mit gebundenen Händen von Sicherheitspersonal umzingelt auf dem eiskalten Fliesenboden saßen nachdem sie noch vor zehn Minuten zich Schattenwesen ermordet hatten, waren sie ganz schön hochnäsig.

„Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst!", grummelte ich zurück und hob abwehrend meine Arme. Wilhelm hatte eh eine Schraube locker. Vielleicht auch mehr.

„Sicher!" Der alte Sack schnaubte. „Du wirst dich für deine Taten verantworten! Nehmt ihn gefälligst fest!" Doch das Sicherheitspersonal rührte sich nicht. Selbst die beiden Kriminalpolizisten, die mir erst jetzt auffielen, verschränkten nur ihre Arme und schauten Mariellas Vater auf Anweisungen wartend an.

„Das werden wir nicht."

„Allessandro-"

„Das ist mein Personal, meine Verantwortung und mein Spezialgebiet, Wilhelm!" Signore Agosti sah meinen leider fast Großvater ruhig aber betont an. Emmys Vater war wie ein Fels in der Brandung. Es war schon fast mehr beängstigend als beruhigend, dass er so standhaft ruhig und gesammelt war. Hinter dieser Fassade musste es gewaltig brodeln. Anders konnte ich mir den Mafiaboss nicht vorstellen.

„Das gesagt," Signore Agosti drehte sich zu mir um und musterte mich. Ein Schauder lief mir über den Rücken.

„Papà..." Emmy machte zögernd einen Schritt zur Seite und überließ mich dem kalkulierten Blick ihres Vaters. „Mickey würde sowas nie machen. Das Ganze ergibt doch keinen Sinn." Sie scharrte mit den Füßen und sah zwischen ihrem Vater und mir hin und her.

Signore Agosti lächelte ruhig und ich fiel fast tot um. „Principessa, lassen wir ihn erstmal mit den Koloristen sprechen. Vorher springen wir zu keinen Schlüssen."

Koloristen? Was war das denn für 'ne blutrünstige Regenbogenbande? Mariellas Vater wies mich stumm aber bestimmend an näher an die Gefesselten heran zu treten. Ich schluckte. Mir gefiel die ganze Sache nicht. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen warf ich Mariella einen hilfesuchenden Blick zu. Räuspernd vergewisserte ich mich, dass Wilhelm mich nicht von hinten überfallen oder mir ein Messer an den Kopf werfen konnte und knete meine Finger.

„Ich habe gehört, ihr würdet nur mit mir sprechen?" Ahnungslos, wie ich mich verhalten sollte, kratzte ich mir unbeholfen im Nacken und betrachtete die magischen Handschellen, die den Ninjas auf dem Boden vor mir mehr oder weniger dezent den Blutstrom abschnürten.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt