12| Käseweiß

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„NEIN, ICH SCHWÖRE EUCH, DAS DING WAR WIEDER DA!"

Was zum fliegenden Dudelsack war denn jetzt schon wieder Jerrys Problem? Konnte der nicht einmal- ein einziges Mal leise sein, wenn ich schlafen wollte?

„Mmmm." Grummelnd rieb ich mir die Augen und versteckte mein Gesicht in meinem Kopfkissen. Murrend öffnete ich meine Lider einen Spalt und versuchte die verschwommenen Zahlen auf meinem Wecker zu entziffern. Zwanzig vor acht. Wie großzügig! Der Köter hatte mir gerade mal eine halbe Stunde Schlaf gegönnt.

Ein zischendes „Psssst!" gefolgt von „Was pssst du mich jetzt an?!" drang durch meine Zimmertür. Das Ganze wurde dabei von Kevins Bellen untermalt. Angepisst schlug ich einmal in mein zweites Kissen. Mit vor Schlaf tränenden Augen stand ich auf und öffnete meine Zimmertür.

Statt in seiner Bewegung innezuhalten, pfefferte Jerry das orange-braun karierte Kissen in seiner Hand in hohem Bogen aufs Sofa, als er mich erblickte, und packte mich an den Schultern, um mich kräftig durchzuschütteln: „Mickey, dieses Ding aus dem Nichts war wieder da! Ich hab seine Energie ganz genau gespürt!" Zwei verzweifelt aufgerissene Augen starrten wir wahnsinnig entgegen.

„Äh", völlig überrumpelt ignorierte ich die zwei leeren Energydosen auf dem Couchtisch und schob Jerrys Hände sachte von meinen Schultern. Zumindest war das der Plan gewesen. Der Werwolf hielt mich so stark fest, dass ich einiges an Kraft anwenden musste, um seinen Pfoten zu entkommen. „Jerry, jetzt beruhig dich erstmal." Ich machte wedelnde Handbewegungen und atmete betont meinen Kopf vor und zurück wiegend tief durch. Das aufgeplusterte Eichhörnchen machte mir nach und kam langsam runter von seinem wild wackelnden Baum.
„Also, was ist passiert?"

„Ich weiß nicht genau." Der Lockenschopf ging wieder zum Sofa, wo er sich schluckend an die Lehne krallte und langsam Platz nahm. Besorgt beobachtete der Rest ihn dabei. Jihe warf mir einen unwohlen Blick zu und spielte mit den Bändchen ihrer mit bunten Fledermäusen überzogenen Pyjamahose.
„Es hat sich einfach angefühlt, als hätte man mir an die Seele gepackt."

„An die Seele? Und wie genau sollen wir uns das jetzt vorstellen?" Matt legte den Kopf schief und fokussierte dabei in Gedanken die Stehlampe neben dem Fernseher.

„Das kannst du dir nicht vorstellen." Der Werwolf spielte nervös mit seinen Fingernägeln. Müde betrachtete ich Jerrys käseweißes Gesicht und die Schweißperlen auf seiner Stirn.

„Jerry, kann es sein, dass du krank wirst?" Sicherheitshalber kramte ich das Erste-Hilfe-Set aus dem Fernsehtisch hervor und stopfte meinem Bruder das Fieberthermometer in die Schnüss.

„Ich bin nicht-"

„Klappe halten, und Fieber messen!", wies ich ihn zurecht und bohrte ihm dabei den Zeigefinger in den Brustkorb. Brummend ließ der Vierbeiner sich nach hinten fallen. „Wo ist eigentlich Toby?"

„Der holt Briley vom Bahnhof ab. Nach Jerrys Austicker schien ihm der Gedanke, Briley alleine nach Hause laufen zu lassen, nicht mehr ganz so zu gefallen." Jihe gähnte und steckte Matt und mich damit an. Wenn Toby sich schon so Sorgen machte, war ich froh Jerrys wilde Sekunden nicht mitbekommen zu haben.

Das Thermometer piepte. Auffordernd streckte ich meine Hand aus, und Jerry gab es mir murrend. Ich verzog die Mundwinkel, als ich auf das kleine Display schaute. „Einundvierzig zwei. Jerry, du bist definitiv krank." Das war selbst für unseren so schon warmblutigen Werwolf erhöht. Seufzend spülte ich das Thermometer im Bad mit Seife ab und verstaute es wieder im Erste-Hilfe-Kasten.

„Vielleicht hatte das eben ja auch einfach damit zu tun", schlug Matt vor und tauschte einen Blick mit Jihe. Jerry wollte protestieren, doch Matt hob die Augenbrauen. „Junge, nach achtzehn Jahren müsstest du langsam selber wissen, wie anstrengend du bist, wenn du krank bist. Und jetzt ab ins Bett! Ich mach' dir nen Tee, und bring dir nen Schnelltest."

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt