42| Der Spiegel zur Seele

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Stumm betrachtete ich den schimmernd violetten Nebel zwischen meinen Fingern. Irgendetwas fühlte sich komisch an. Das Animarum lag schwer in meiner Hand und strahlte eine Kraft aus, die ich noch von keinem anderen Seelengefäß gespürt hatte.

Das war also die Macht des Seelenfängers. Benommen begann ich zu schwanken und ließ dabei fast das Animarum fallen. Gerade noch so konnte ich die zerbrechliche Kugel auffangen. Mir wurde schlecht. Das hätte ich sein können. Wäre die ganze Sache nach Lex verlaufen hätte er mich nun in seinen Finger. Meine Seele auf Ewigkeiten gefangen, oder gar komplett zerstört.

Gezwungen ruhig durchatmend rasselte mein Atem. „Hier." Leise reichte ich Danniel das Animarum. Damit wäre mein Deal mit dem Rat abgeschlossen. Haken dran. Vorbei. Aber wie alles andere auch, wäre das natürlich viel zu leicht gewesen. Wieso einfach, wenn's auch kompliziert ging?

„Wenn ich dir das jetzt abnehme, wäre die ganze Arbeit um sonst gewesen." Danniel seufzte und verschränkte die Arme.

„Ich verstehe nicht. Wieso kann ich dir das nicht einfach geben und du bringst es direkt zurück zum Rat?" Genervt schnaubte ich. Mein Griff um das Animarum wurde fester, sodass meine Knöchel schon weiß hervorstachen.

„Ich bin ein Dimensionsspringer, kein Seelenfänger. Ich kann Seelen nicht aus ihrer Welt in die unsere ziehen, genauso wenig, wie ich Geister aus der Totenwelt wieder auferstehen lassen kann." Danniel schmunzelte entschuldigend.

„Ich bin ein Besucher vieler Welten und Weiten und allem dazwischen. Ich kann vielleicht mit Vielem interagieren, aber schlussendlich bin ich an die jeweiligen Gesetze meiner Reiseziele gebunden. Und die Gesetze der Chromare können eben nur die Seelenfänger überschreiben." Er nickte mir noch einmal aufmunternd zu und war auch schon mit einem olivfarbenen Lichtblitz verschwunden.

Sein farbenfrohes Wesen passte hier sowieso nicht rein.

Die Stille der Chromare wurde durch ein immer lauter werdendes Stimmgewirr unterbrochen, das mich zurück in die Realität der Situation zog. Blinzelnd orientiere ich mich im Büro. Wo die betäubten Mitglieder der Arc Coloris eben noch über den Boden zerstreut gelegen hatten, gingen sich Mark und Juliette nun gegenseitig an, während Daban sich um Mariella kümmerte, die wimmernd an einen Schubladenschrank gelehnt saß und sich ans Herz fasste.

„Sie hat das voll verdient!" Juliette fauchte den gefesselt neben Mariella sitzenden Mark noch heftiger an als mich damals als ich ihr noch vor wenigen Wochen sarkastisch damit gedroht hatte, mit ihrer Seele zu experimentieren.

„Nimm das zurück!" Marks Stimme war laut und kalt. „Du hast nicht die leiseste Ahnung, warum sie das getan hat! Sie ist krank!" Sein Atem ging schnell und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen.

„Das interessiert mich 'nen Scheißdreck! Wegen eurem kleinen Trick ist Fiona auf den Kronleuchter gefallen!" Juliette bebte. Ihre Augen loderten nur so vor Zorn. Mark setzte an sich zu verteidigen, doch bevor er auch nur einen Ton sagen konnte, hatte Juliette ihn schlafen gelegt. Und das ohne Magie. Der Kick hatte gesessen.

Mariella neben Mark zuckte nur zusammen und schaute meine Cousine aus geschwollenen Augen heraus an. Daban rieselte dabei von dem Gezanke unbeeindruckt weiterhin Glitzerstaub über Mariellas krampfhaft in ihr Shirt gekrallte Hand. Schluckend betrachtete ich die noch immer tote Fee, die vom Kronleuchter leer auf mich hinab schaute. Unter ihr hatte sich mittlerweile eine Lache aus Blut und Feenstaub gesammelt.

Mit mulmigem Gefühl im Magen hielt ich das Animarum vor mein Gesicht und drehte es hin und her. Im Licht des Mondes, der durch das vermooste Glasdach schien, funkelte die violette Magie gespenstig mächtig und edel und warf einen mystischen Schein auf die Leiche zu meinen Füßen.

Das Geheimnis des SeelenfängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt