Kapitel 59

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Zuhause angekommen bin ich echt froh, als ich die schweren Tüten abstellen kann. „Tiana, herkommen sofort." erwartet mich gleich die strenge Stimme von Alexander. Ich kann mir schon denken, was jetzt kommt.

Ich ziehe noch schnell meine Schuhe und Jacke aus, bevor ich wieder nach meinen Tüten greife und sie mit mir schleppe. Im Esszimmer angekommen, werden die Augen meines Bruders groß, genauso wie die von Ben. Ben's Gesichtsausdruck wird gleich wieder strenger, während Alex' Ausdruck noch immer im Schockzustand ist. Langsam findet Alex wieder seine Sprache. „Tiana, setz dich." Ich tue, was er mir befiehlt. „Ben und ich haben uns unterhalten. Dein Verhalten, so wie es jetzt im Moment ist, geht nicht. Wir tolerieren hier so ein Verhalten nicht, nicht in diesem Haus. Ben hat mir berichtet, was heute morgen passiert ist. Es ist vollkommen normal, dass wir nicht wollen, dass du auf der Küchentheke sitzt und dort isst, während jeder andere am Tisch sitzt. Aber das ist die eine Sache, die andere Sache: Warum zeigst du deinen Mittelfinger? Geht es dir noch gut, oder was ist in dich gefahren? So etwas will ich nie wieder von dir sehen, beziehungsweise von den anderen hören, verstanden?" hält er mir seine Predigt. Wow, einfach nur wow. „Ich- ja, tut mir leid." gebe ich geschlagen zu.

Meine Reaktion war vielleicht wirklich etwas übertrieben. Aber sie müssen mich auch verstehen. In der Früh bin ich schon extrem schlecht gelaunt und dann werde ich noch blöd angemacht. Bei so einer Situation kann es einfach gut passieren, dass ich überreagiere. „Du wirst auch nicht mehr einfach so wegrennen und das Haus verlassen." sagt nun Ben. Anscheinend hat er sich auch wieder etwas beruhigt. Meinen Blick nach unten gerichtet, nicke ich nur. „Tiana, ich will auch, dass du erreichbar bist, wenn du nicht zuhause bist und dich meldest, wenn du nach der Schule noch wo hin gehst. Wir machen uns Sorgen." sagt wieder mein Bruder. „Ja, mache ich." Ich will hier weg. Sind die denn noch nicht fertig mit ihren Regeln und Predigten? „Kann ich gehen?" frage ich hoffnungsvoll. „Wird das nochmal vorkommen?" fragt Alexander. „Nein." sage ich gezwungenermaßen. Ich meine, ich kann nichts garantieren.

„Ok, gut. Hast du denn keinen Hunger?" fragt dieses Mal Ben. Langsam schüttle ich den Kopf. Selbst wenn ich Hunger hätte, wäre er mir jetzt vergangen. Ich stehe auf und gehe nach oben, aber zuerst greife ich noch nach meinen Tüten. „Die kannst du stehen lassen. Dein Verhalten muss Konsequenzen haben, also bleiben die Tüten hier." sagt mein Bruder streng. Ist das sein Ernst? Für was habe ich denn die Sachen gekauft, wenn ich sie jetzt nicht anziehen kann. Das ist einfach nur eine Verschwendung. Da ich nicht wieder einen Streit anfangen will, lass ich die Einkaufstaschen einfach fallen und gehe mit hängenden Schultern nach oben in mein Zimmer.

Eine ganze Stunde liege ich einfach nur so in meinem Bett und starre an die Decke. Die Wörter meiner Mitbewohner gehen mir die ganze Zeit durch den Kopf. Plötzlich klopft es an der Tür, die wenig später auch schon aufgeht. Mein großer Bruder kommt hinein und setzt sich an die Bettkante. Er trägt noch immer dieselbe Kleidung wie vorhin. Eine schwarze elegante Stoffhose und ein weißes Hemd. Dazu noch einen Ledergürtel, der das ganze Outfit abrundet. Alex hat echt einen schönen Kleidungsstil. Das muss man ihm lassen.

„Tia, ich hoffe du kannst uns verstehen. Für uns ist das auch nicht leicht. Wir wollen nur das beste für dich." sagt er ruhig. Ich nicke nur. Ich habe es ja schon verstanden. Ich habe heute morgen überreagiert und das soll nicht wieder vorkommen. Mein Verhalten ist nicht gut und ich soll mich bessern. Ich bin weder dumm, noch taub, dass er mir, das jetzt noch einmal erzählen muss.

Er mustert mich eine Zeit lang, bevor er wieder die Stille bricht. „Wollen wir uns gemeinsam einen Film ansehen?" fragt er dann. Vor Verwunderung wende ich mich ihm zu. Mein Blick lag vorhin die ganze Zeit auf der Zimmerdecke. „Ja." meine ich leise. „Aber ich will ihn hier schauen." füge ich noch hinzu. Ich will nicht runter gehen, wo Ben und vielleicht auch die anderen noch sind. „Kein Problem. Dann gehst du noch schnell duschen. Ich mache das gleiche und ziehe mir etwas Bequemes an, ok?" sagt er. Ich nicke und stehe langsam auf. Alex steht ebenfalls auf, aber bevor er das Zimmer verlässt, kommt er noch einmal zu mir. Er schließt mich mit seinen großen Armen in eine Umarmung. „Ich habe dich lieb, Schwesterchen." flüstert er in meinen Haaransatz und drückt mir noch einen Kuss auf die Haare. Das tut echt gut.

Nach dem Duschen lege ich mich wieder in mein Bett und warte auf Alex, der wenig später auch schon kommt. Gemeinsam suchen wir einen Film aus und schauen ihn. Ich kuschle mich an meinen großen Bruder. Er ist so schön warm. Diese Zeit hier gerade genieße ich einfach nur. Was Schöneres gibt es gar nicht. 

Twisted Life   (Big Brother Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt