Kapitel 22

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Jolins P.O.V.

Seit zwei Tagen sitze ich hier in meinem Zimmer und warte auf Scar. Ich frage mich, was passiert sein könnte. Sie hat weder mich noch ihren Bruder benachrichtigt und langsam mache ich mir Sorgen. Sie hat mich vieles gelehrt. Dazu kommt auch, dass wenn etwas passiert sein muss, man mehrere Tage nicht erreichbar ist, geschweige denn auffindbar. Sie hatte mir gesagt, dass wenn sie eine Woche fehlen sollte, ich eine, mir unbekannte Nummer, anrufen soll. Diese Person, die die Nummer gehörte, sollte wissen was zu tun ist. Ich dachte manchmal selber nach, sie irgendwie zu erreichen oder zu finden, aber ich war zu unerfahren. Außerdem wird nach mir gesucht. Ich weiß bis heute nicht, warum diese Männer ausgerechnet mich wollten. Ich hatte nichts zu holen, ich war ein Waisenkind. Was hat Mike dazu veranlasst mich zu suchen, zu finden und zu foltern? Die Frage wird wohl immer unbeantwortet bleiben, außer ich Knöpfe mir diesen Mike mal vor, doch das wird unmöglich sein. Ich stand auf und ging in die Küche. Ich war ja schon ziemlich aufgewühlt, aber Jonas ging es viel schlimmer. Er hat seit ihrem verschwinden kein Auge zu gemacht und sitzt in der Küche mit einer Tasse Kaffee in der rechten und dem Handy in der linken Hand. Alle zwei Minuten checkt er seine Nachrichten und nach drei Minuten ruft er wieder an, in der Hoffnung, dass sie seinen Anruf annimmt. Ich setzte mich zu ihm und starrte weiterhin auf sein Gesicht. Er sieht müde und überstrapaziert aus. Er ist kaputt. Ich will nicht wissen, wenn Scar... Ich durfte nicht daran denken. Das war das schlimmste, was ich machen kann, doch wie es aussieht, bin ich nicht die einzige die so denkt.

"Meinst du sie lebt noch?"

Ich musste bei dem Gedanken, Scar als Leiche zu sehen, schlucken. Ich könnte mir nicht annähernd ausmalen, wie schlimm es wirklich wäre.

"Nein, Scar stirbt nicht. Nicht so leicht. Du hast selber gesagt, dass sie weiß was sie tut. Sie schafft das."

Ich versuchte überzeugt zu klingen, aber der Zweifel in meiner sonst so starken Stimme, war nicht zu überhören. Ich, mit meinen 9 Jahren, musste schon ziemlich viel aushalten, doch Scarlett Shannon James hat mich gelehrt stark zu sein. Sie hat mich gelehrt alles zu geben. Denn man kann nie genug haben. Ich meine kein Geld, ich meine Stärke, Willenskraft und Geduld. Diese Dinge sind es, die man nie genug hat. Ich verstehe noch nicht viel von dieser Welt, doch ich weiß, dass sie ungerecht ist. Dass das Schicksal einen herausfordert und dass das Leben mit seinen eigene Regel spielt. Wir sind Spieler und unser Gegner ist das Schicksal. Mit jedem Zug den das Schicksal macht, werden wir auf die Probe gestellt und unser logisches Denken und unsere bedachten Taten werden herausgefordert. Entweder man kommt dem Ziel näher oder man verliert und kommt zurück an den Anfang. Man steht zwischen zwei Entscheidungen: Das Gute und das Böse, wir sind die Schachfiguren, die diese beiden Faktoren Steuern. Wir haben kein eigenes Leben, wir sind Marionetten, die gespielt werden müssen. Wir sind Puppen unserer Gedanken und Taten.

Das scharen des Stuhles ließ mich aus meinen Gedanken schrecken. Ich schaute hoch und sah, dass Jonas in der Küche hin und her läuft. Er scheint durcheinander und es sah so aus, als würde er etwas wissen, jedoch nicht darauf kommen. Er fuhr sich gestresst durch die Haare und raufte kurz daran. Dann ballte er sein Hand zur Faust und schlug mit voller Kraft auf den Tisch.

"Verdammt!"

Er schrie seinen ganzen Frust, seine ganze Verzweiflung und seine Wut in dieses Wort. Er scheint, als würde es ihn beruhigen einmal richtig auszurasten. Er setzte sich wieder hin und rieb sich mit den beiden Innenflächen seiner Hände das Gesicht. Er ist erschöpft, dass sieht man sofort.

"Jonas bitte, geh etwas schlafen."

Sein Kopf schnellte in die Höhe und sein Blick durchbohrte mich. Er guckte mich so hasserfüllt an, seine Augen waren wie ein Dolch und schnürten mir die Kehle zu. Ich Versuchte etwas zu sagen, doch sein Blick raubt mir den Atem.

"Du! Du bist doch Schuld an all dem. Wegen dir ist sie weg. Du hättest in dieser Gasse einfach verrecken sollen. Sie wäre nie entführt worden, wenn du nicht wärest."

Seine Stimme war ein scharfes Messer und seine Worte waren die Hand, die das Messer führte. Er stach mir mit seinen Worten ins Herz und drehte es. Es tat höllisch weh. Dazu kam noch das Echo seiner Worte, die in meinem Kopf durcheinander hallten. Ich hielt es nicht aus. Die Schuldgefühle frassen sich durch meine Organe und ich hatte Angst zu verbluten. Ich versuchte die Tränen runter zu schlucken, doch selbst das schlucken fiel mir schwer. Eine Träne nach der anderen rollte meine Wange runter und hinterließ einen wässrigen Streifen auf meiner vermutlich kreidebleichen Haut. Er stand auf und fing wieder an zu schreien.

"Wegen dir ist sie weg. Du bist an allem schuld. Du müsstest schon lange tot sein. Sie hat es nicht verdient so zu sterben. Du-"

"Es reicht, halt den Mund. Ich verschwinde, aber bitte rede nicht mehr. Ich halt es nicht mehr aus. Sei endlich still."

Ich rannte in mein Zimmer und warf mich auf das Bett. Ich drückte meinen Kopf ins Kissen und schrie meinen ganzen Frust und meine ganze Wut aus der Seele. Ich trage doch schon Tonnen schwere Lasten auf meinen Schultern, da muss er mir nicht noch mehr drauf packen. Ich setzte mich mit einem lauten Schluchzer wieder hin und wischte mir die Tränen weg. Ich werde kämpfen. So wie es Scar machen würde. Ich werde es allen noch beweisen. Ich lief auf meinen Schrank zu und zog die kleine Tasche von unten raus. Ich öffnete diese und nahm mir das wichtigste. Ich schnappte mir Zahnbürste und Zahnpasta aus der Toilette und verstaute diese. Ich schob den Reißverschluss zu und schulterte die Tasche auf meinem Rücken. Mit eiligen Schritten lief ich in den Flur und zog mir meine Schuhe an. Meine Tränen konnte ich zwar noch nicht ganz stoppen, aber es werden weniger. Ich schnappte mir ein Messer aus der Schublade und öffnete die Tür. Ich knallte diese mit voller Wucht zu und rannte die Treppen runter. Erneut aufsteigende Tränen verschleierten mir die Sicht und machten es unmöglich etwas zu erkennen, doch ich rannte weiter. Ich zog die Tür des Gebäudes auf und rannte. Ich rannte in irgendeine Richtung. Ich ließ mich einfach von meinen Füßen leiten. Ich rannte und rannte, bis ich von jemandem aufgehalten wurde. Dieser jemand schloss mich in die Arm und ich sackte zu Boden. Ich war am Ende. Ich kann nicht mehr.
...
Ich hoffe es hat euch gefallen. Wie fandet ihr den sichtwechsel?
Liebe grüsse Susan

Good, Badgirl!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt