Kapitel 32

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Jolin

Ich hielt mir mit der linken Hand den Mund und weitete meine Augen. Sie hatten Jonas. Mir stiegen langsam Tränen in die Augen, als ich das verletzte und unglaubwürdige "was?"
Aus Scars Mund hörte. Sie musste sich erst einmal fangen, deshalb griff sie nach der Stuhllehne und stützte sich auf ihr ab. Sie atmetete ganz langsam ein und aus und dann war er da, der größte Gefühlsausbruch, den ich in meinem ganzen Leben erlebt hatte. Sie krallte sich den Stuhl und warf ihn gegen die Wand. Ein animalischer Schrei entwich ihrer Kehle und mit einem schnellen Faustschlag zertrümmert sie die Glasvitrinen. Diese zersplitterte in tausend Teile. Die Scherben klirrten und ihren Füßen, als sie sich den nächsten Gegenstand Griff und ihn an die Wand warf. Vereinzelte Tränen rannen mir übers Gesicht, als ich Scars blutende Hand sah. Doch nicht nur ihre Hand blutete, sondern auch ihr Herz. Das wichtigste in ihrem Leben schwebte in Lebensgefahr und sie ist hier und kann ihm nicht helfen. Das einzige, was ihr den Sinn in ihrem Leben gab, war in den Händen eines skrupellosen Mörders, der Jonas mit nur einer schnellen Bewegung das Leben nehmen konnte. Scar stand da, seelenruhig atmetete sie ein und aus. Sie ist ruhig und das ist kein so gutes zeichen. Ein lautloses schluchzen entfuhr meiner Kehle und meine Tränen verschleierten mir die Sicht. Langsam regte sich etwas bei Scar. Sie spannte sich an und platzte erneut. Wieder schlug sie mit der Hand gegen die Wand. Durch diese plötzliche und ungeahnte Reaktion ihrer seits, entfuhr mir ein angsterfüllter Schrei. Schnell rannte ich in mein Zimmer und schloss die Tür. Ich setzte mich auf das Bett und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich hätte schon vor langer Zeit alles raus lassen sollen, doch ich staute und verdrängte so einiges. Dieser ganze Stress und die Verantwortung, die auf mir lastete und diese Schuldgefühle die mich jeden Tag aufs neue fertig und kaputt machten, ließen mir keine Ruhe. Ich war stark, doch wenn man einem Damm zu viel Druck verleiht, bricht auch er mal. Niemand kann immer stark sein und es ist gut Gefühle zu zeigen. Ich sollte keine emotionslose Person werden, der alles gleichgültig war. Ich wollte ein normales Mädchen sein, dass nicht wissen muss, wie man tötet, wie man kämpft. Dass nicht jeden Tag mit der Angst getötet, entführt oder vergewaltigt zu werden, aufstand. Ich wollte einfach mal ein ganz normales Leben, eine ganz normale Kindheit, doch diese wurde mir genommen, so auch mein Mitgefühl für andere Menschen, ich war mir sogar selber egal. Mittlerweile fand ich mich damit ab, nicht normal zu sein, doch die Frage warum ich nicht normal sein durfte, hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt und eine einzige Narbe hinterlassen. Ich war wortwörtlich gezeichnet vom Leben. Ich war das Meisterwerk des Schicksals, so wie wir alle es waren. Das Schicksal forderte seine Kreativität heraus und somit hatte jeder ein anderes Leid, mit dem er fertig werden musste. Ich allein war nur eine tonnenschwere last im Nacken von Scar. Ich habe ihr alles genommen, was es noch zu holen gab. Sie konnte ihre High School beenden, mit ihrem Bruder Abends PlayStation spielen und vielleicht auch irgendwann mal Freunde finden, mit denen sie glücklich werden würde. Doch ich machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie musste sich wegen mir verstecken. Sie hat ihren Bruder verloren, wegen mir. Ich hatte ihr das genommen, was sie brauchte. Ich war an allem schuld. Dieser Erkenntnis saugte mein ganzes Selbstwertgefühl auf und ersetzte es durch Schuldgefühle. Dunkle schwarze Gefühle, die mir scheinbar die Luft zum Atmen raubten. Erneut entfuhr mir ein schluchzen und das Atmen fällt mir schwer. Eine schweres Seil der Schuld wickelte sich nämlich um meinen Hals und schnürte mir somit jegliche Luftzufuhr ab. Ich rang nach Luft, versuchte mich aus den Ketten der Gefühle zu befreien, doch diese scheinen mich nicht gehen wollen zu lassen. Meine Augen brannten, meine Hände zitterten und ich wurde müde. Müde von all dem, was um mich geschah, von all dem, was mit mir geschah. Ich hielt viel aus, doch auch für mich wurde es mal zu viel. Ich schloss meine Augen. Die Dunkelheit empfängt mich mit offenen Armen und zog mich zu sich. Sie umschlang meinen Körper und beruhigte mich. Sie ließ mich entspannen und wieder normal atmen, da ich nicht mehr bei Sinnen war. Ich war benebelt von der Schwärze und verlor jegliches Gefühl, bis ich endgültig einschlief.

Scars P.O.V

Ich boxte mit voller Wucht gegen die Wand. Unbändige Wut überfiel meinen Körper und ließ mich nicht mehr klar denken. Ich war benebelt und nicht bei Sinnen. Ich war in einer anderen Welt, bis mich ein kleiner, hilfloser Schrei aus meinem Feuer, dass in mir brannte heraus zog. Dieser Schrei, der vor Angst einen anderen Ton annahm, erweckte starke Erinnerungen in mir hervor und abrupt hielt ich in meiner nächsten Bewegung inne. Dieser Schrei, war der, der damals in der Gasse durch die dicken Betonwände der leeren Strassen hallte. Reue überkam mich, da ich der kleinen meinen Schutz geboten hatte, doch jetzt hatte sie Angst. Angst vor mir und dem Tier in meinem inneren, was nicht so tief geschlafen hatte, wie ich dachte. Ich hörte leise, schnelle Schritte, die sich dem verwüsteten Zimmer entfernten und ich atmete ruhig weiter. Bedacht nicht erneut der Wut die Oberhand zu überlassen. Diese machte nichts, außer Chaos und Verwüstung anzurichten. Ich wischte mir die eisigen Tränen von meiner brennenden Wange weg und schaute wieder zu Taison. Dieser saß seelenruhig auf seinem Stuhl und hat mich machen lassen. Er ist einer der wenigen der weiß, dass wenn ich einen Wutanfall habe, nichts und niemand versuchen soll, mich zu halten. Das endet nicht gut für ihn. Langsam spielte auch meine Gehirn wieder mit, ließ mich nachdenken. Ich hatte jetzt keine Zeit für Jolin. Sie wird das mit sich schon klären müssen, ich hatte andere Sorgen. Mike hat meinen Bruder und wird ihn foltern. Er wird ihn so lange leben lassen, bis Jonas sich selber den Tod wünschte. Ich musste ihn retten, auch wenn ich drauf gehen sollte. Der Tag der Abrechnung war zu schnell da. Doch ich war vorbereitet. Die anderen waren es auch, doch nur Jolin benötigte etwas mehr Zeit zum Trainieren, doch auch sie sollte bereit sein. Bereit für den Kampf, für den sie 6 Monate trainiert wurde.

"Taison, es ist soweit."
...
Hey Leute, ich hoffe es hat euch gefallen
Liebe grüsse Susan

Good, Badgirl!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt