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"Nach einstimmiger Abstimmung verkünde ich, Iudex Amelia Bones, im Namen unserer magischen Gesellschaft, nun folgendes Urteil: der Angeklagte Draco Lucius Malfoy wird schuldig gesprochen, den Angriff der Todesser auf Hogwarts im Mai 1997 mit anschließender Todesfolge von Professor und Schulleiter Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore iniziiert zu haben. Es ist ihm zu Gute zu legen, dass durch seine Hand weder Dumbledore noch ein anderer Mensch getötet wurde. Darüber hinaus hat er Harry James Potter, Ronald Billius Weasley und Hermine Jean Granger nicht an Voldemort verraten." Viele der am Prozess Teilnehmenden zuckten zusammen. Das war an diesem Tag oft passiert, immer wenn jemand den Namen aussprach. Der Lord war zwar tot, aber sein Name war weiterhin gefürchtet. "Er wird deshalb verwarnt, sich nichts mehr zu schulden kommen zu lassen und ihm wird ein Jahr Sozialdienst in einer Muggeleinrichtung auferlegt. Er wird täglich von Ministeriumsmitarbeitern zum Einsatzort begleitet und hat seinen Zauberstab an das Ministerium zu übergeben. Am Abend erhält er ihn zurück. Zaubern, auch zauberstablos, wird mit weiteren Strafen geahndet." Draco sog die Luft scharf ein. Er beherrschte zauberstablose Magie. Das schienen die vom Zaubergamot zu wissen, sonst würde die Iudex es nicht explizit erwähnen. Dann würde er sich wohl hart disziplinieren müssen, nicht doch bei einem Wutanfall ausversehen zu zaubern. Und wenn er bedachte, wo er und mit wem er arbeiten müsste, dann sträubten sich ihm jetzt schon die Nackenhaare.
Mrs Bones, die während der Verkündigung erst den Zuschauern und dem Zaubergamot ihre Aufmerksamkeit geschenkt hatte, sah nun direkt zu Draco runter. Dieser fühlte sich unter dem strengen Blick sichtlich unwohl und begann, auf seinem Stuhl leicht unbehaglich hin und her zu rutschen.
"Diesen Dienst treten Sie morgen am 20. Juli 1998 um 10 Uhr im Wools Waisenhaus in London an.
Sollten sie jemals innerhalb dieses Jahres gegen eine der Auflagen verstoßen, kommt es zu einer neuen Verhandlung und dann könnte es über kurz oder lang zu einem Aufenthalt in Azkaban kommen. Sind sie damit einverstanden?" Diese letzte Frage war für Draco eine Farce. Er konnte dem Urteil nur zustimmen und es annehmen. Andernfalls würde er ohne Umschweife im Zauber-Gefängnis bei den Dementoren landen. "Ich bin einverstanden." Schon erschienen Pergament und Feder vor ihm und die magischen Fesseln wurden leicht gelockert, damit er unterschreiben konnte. Er unterschrieb mit einem schwungvollen Draco L. Malfoy auf dem Pergament, welches kurz darauf wieder bei Iudex Bones erschien und von ihr ebenfalls unterschrieben wurde, dann fuhr sie fort: "Gegen eine Kaution in Höhe von 200 Galleonen wird Mr Malfoy auf Bewährung entlassen und kann mit seiner Mutter ins Malfoy Manor zurückkehren.
Ein Auror wird Sie morgen im Manor abholen. Die Verhandlung ist geschlossen, sobald Mrs Malfoy die Kaution entrichtet hat." Mit diesen Worten verließ die Iudex den Raum.

Narcissa fiel ein Stein vom Herzen, dass sie ihren Sohn nun wieder mit Nachhause nehmen konnte. Sie hatte bei der Urteilsverkündung gezittert, gebangt und die Luft angehalten. Es war ein Wunder, dass sie wegen Sauerstoffmangels noch nicht zusammengeklappt war. Erleichtert kramte sie nach ihrem Goldsäckchen. Die Freiheit ihres Sohnes konnte in ihren Augen nicht in Gold aufgewogen werden und somit war ihr jede Summe recht. "Wenn sie dann bitte den zu entrichtenden Betrag zahlen würden.", wurde sie aufgefordert und sie trat nach vorne. Flüchtig warf sie einen Blick auf ihren Sohn, der ein gebrochener Mann war. Sein Blick wirkte förmlich leer, die Haut noch bleicher und die Haare waren zerzaust und strähnig, kraftlos und ohne Glanz. Was hatte sein Vater ihrem Sohn bloß aufgebürdet? Womit hatte Draco das verdient? Sie wandte den Blick ab, um nicht doch noch ihren Tränen freien Lauf zu gewähren. Sie musste für sich und ihren Jungen stark sein. "Ich habe heute morgen so viel abgehoben wie ich konnte. Es sollte ausreichend sein." Sie legte den Beutel mit den klimpernden Münzen auf das Pult des Finanzministers der die Kautionen eintrieb. "Das wollen wir hoffen.", meinte der dicke, schnurrbärtige Mann und rieb sich die Hände - dass er es liebte, die Beträge zu kassieren, sah man ihm an. Er legte einen anderen Sack daneben und ließ, mit einem Wink seines Zauberstabs, sich das Band von Narcissas Säckchen öffnen. Die Münzen wanderten in den Sack des Finanzministers. Jeder sah gebannt zu, wie das Säckchen des Finanzministers sich füllte und die Summe gezählt wurde. Auch Draco zählte jede einzelne Münze mit und wurde wütend, als er sah, wie der Mann sich mehr Geld einsteckte als verlangt. Das konnte er sehen, weil er schräg zu dem Pult platziert war und so sah er mit seinen, durch Quidditch trainierten Augen, dass vereinzelt 2-3 Münzen als Stapel dennoch nur als eins gezählt wurden. Verärgert knirschte er mit den Zähnen.
"Leider fehlen noch 5 Galleonen. Das heißt, er wird wohl noch eine Nacht hier bleiben müssen." Draco klappte der Mund auf. Dieser Mann wollte ihn noch extra fertig machen. "Ich werde sofort losgehen und noch die restlichen Münzen holen, nur geben sie mir meinen Sohn zurück.", flehte Narcissa mit erstickter Stimme und unterdrückte ein Schluchzen. "Mrs Malfoy, die Bank wird in wenigen Minuten schließen und bis zu Ihnen Nachhause, wird es wohl etwas zu lang dauern. Wir alle möchten irgendwann Nachhause. Sie müssen schon bis Morgen warten." Draco sah, wie sein Grinsen immer selbstgefälliger wurde. In ihm stieg Wut auf. Der Typ war ja so berechnend. Hatte kein anderer gesehen, dass der Typ betrog? Aber wahrscheinlich wollte das keiner sehen und niemand ihm helfen. Wer half schon einem Todesser? Und auch wenn er seinem Unmut jetzt Luft machen und ihn als Betrüger entlarven würde, glauben würde ihm keiner. Also fand er sich schon damit ab, noch eine Nacht in seiner Zelle zu sitzen. Er freute sich ja schon so sehr. "Mr Avarus, haben Sie eventuell Münzen übersehen? Schauen Sie lieber noch einmal nach!", erklang eine ihm wohlbekannte Frauenstimme. "Granger!", hauchte er und sah zu der Braunhaarigen Gryffindor, die nun auch näher trat. "Miss Granger, wir alle haben gesehen, wie die Münzen in meinen Sack gelandet und von meinem Zauber gezählt wurden." "Auch Zauber können Fehler machen, nicht wahr!", meinte sie herausfordernd. Draco sah zu seiner ehemaligen Klassenkameradin. Sie hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und sah den Minister der Finanzen eindringlich an. "Das ist doch lächerlich!", entgegnete dieser, sein Lächeln geriet aber etwas schief. Hermine kam nun direkt zum Pult, nahm sich Narcissas Beutel und griff hinein, tief hinein, so dass ihr halber Arm in dem kleinen Lederbeutel verschwand. Dann holte sie erst ein großes Buch und letztendlich 5 Gelleonen heraus. Alle sahen erstaunt die junge Hexe an. "Ausdehnungszauber! Das Buch hat auf den letzten Münzen gelegen. Ihr Zauber war nicht stark genug, um das Buch von den Münzen zu heben, da er nur bei Münzen funktioniert.", erklärte Hermine und warf dem Finanzminister die Münzen aufs Pult. "Und nun bitte ich darum, ihr 'Ok' zu geben, dass Draco Lucius Malfoy freigelassen wird, denn wie Sie schon sagten, wir alle möchten Nachhause." Sie beugte sich noch einmal vor und flüsterte, so dass niemand außer dem Minister es verstehen konnte: "Ich behalte sie zukünftig im Auge. Auch die Malfoys verdienen einen fairen Prozess und dienen nicht Ihrer Bereicherung." Bei ihrer scharfen Stimme erschauderte der ältere Herr vor ihr und sah in ihre braunen Augen, die ihn strafend ansahen. Auch wenn sie nur eine junge Erwachsene war, mit ihr wollte er sich nicht anlegen. Sie war nicht umsonst als schlauste Hexe Hogwarts bekannt, noch dazu eine Kriegsheldin beim Kampf um Hogwarts und zu guter Letzt auch noch Teil des goldenen Trios und somit Harry Potters beste Freundin. Da hatte er keine Chance, also nickte er nur kaum merklich. Hermine registrierte es und wandte sich dann ab. Sie gab der sprachlosen Narcissa mit einem Nicken ihren Beutel zurück und setzte sich dann auf ihren Platz zurück. Die Blonde mit den dunklen Strähnen sah gebannt auf den Beutel, sie hatte zwar einen Ausdehnungszauber auf ihren Goldsack angewandt, aber nicht so sehr, dass sie ein dickes Buch mit sich rumtragen könnte. Die junge Hexe hatte unbemerkt einen Zauber auf ihren Beutel angewandt und ihr so einen Gefallen getan. Kurz sah sie, dankbar zu Hermine nickend, noch einmal zu dem perplexen Finanzminister und lief zu ihrem Sohn, dem gerade die magischen Fesseln entfernt wurden. "Oh Draco!", hauchte sie und nahm ihren Sohn, der es immer noch nicht glauben konnte, in eine herzliche Umarmung.

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Selbst Zuhause konnten die verbliebenen Malfoys es immer noch nicht fassen, dass sie frei waren, zumindest ansatzweise. Narcissa war mit einem Bann belegt, der sie ans Haus fesselte. Sie durfte das Haus nur in Gegenward eines Aurors oder einer Aurorin verlassen - wenn sie in der Winkelgasse beispielsweise Besorgungen tätigen wollte. Sie wünschte sich, ihre Nichte Nynphadora würde noch leben und mit ihr dann diese Ausflüge unternehmen. Das würde einiges leichter machen.
Draco musste jetzt täglich in Begleitung eines Aurors in der Muggelwelt einen gemeinnützigen Dienst verrichten und war angehalten, außerhalb des Manors auf seine Kräfte zu verzichten. "Schau nicht so! Du bist noch ziemlich gut weggekommen.", ermahnte Narcissa ihren Sohn. "Ziemlich gut? Ich muss mit Muggeln arbeiten. Mit. Muggeln.", spie er angeekelt. "Muggel sind auch nur Menschen. Das wir, im Gegensatz zu ihnen, magische Kräfte haben ist auch nur eine Laune der Natur. Also sei froh über dieses Geschenk der Freiheit, dass dir gegeben wurde." Narcissa konnte nicht mehr. Sah ihr Sohn denn nicht die Chance, die ihm gegeben war? "Das soll Freiheit sein?", beschwerte er sich. "Draco Lucius Malfoy! Deine Vorstellung von Freiheit mag eine andere sein, aber wir können weiterhin zusammenleben und müssen nicht wie dein Vater in Azkaban sitzen. Das ist auch eine Art Freiheit. Und wenn du gezwungen bist, mit Muggeln zu arbeiten, dann legst du eventuell auch deine Vorurteile ab." Sie ließ sich in einen Sessel fallen. Ihr Kopf tat weh. Draco sah verdutzt zu seiner Mutter. Sie tat ihm leid. "Es muss endlich ein Umdenken stattfinden, Draco." mit ihren Zeige- und Mittelfingern rieb sie sich die Schläfen. "Du hast die Chance, Buße zu tun und die Muggel kennen zu lernen." Draco schnaubte verächtlich, nickte aber. Er trat näher zu ihr ging vor ihr in die Hocke. Sie griff fahrig nach seiner Hand. "Du bist nicht so wie dein Vater. Zeig' dem Zaubergamot, dass du offen bist, dich zu ändern und nicht die gleichen alten, diskriminierenden Ansichten wie dein Vater hast. Du hast nur diese eine Chance, nutze sie. Dich in Azkaban zu wissen, würde mir das Herz brechen. Dich auch noch zu verlieren, ertrage ich nicht." Sie sah ihren Sohn flehend an. Dieser hatte seine Mutter noch nie so verzweifelt gesehen. "Ich verspreche es dir, Mutter."

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Kurze Anmerkung: ich habe ein anderes Wort für Großmeister des Zaubergamots gesucht. Weil Richter passte irgendwie nicht und Großmeister klingt blöd.
"Iudex" ist das lateinische Wort Richter. Und das fand ich ganz passend.

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